pba_100.001 Bis in die kleinsten Züge hat er nun in dem Bilde der Seefahrt die pba_100.002 Empfindungen und Gemütsverfassungen, mit denen jenes Verhältnis ihn pba_100.003 bewegte, wiederzuspiegeln gewußt. Die lange Zeit des vergeblichen Harrens, pba_100.004 nachdem nun definitiv die weimarische Einladung angenommen war, die pba_100.005 drängende Ungeduld der Freunde und die ungemessenen Hoffnungen, pba_100.006 deren schnelle Erfüllung sie von jener Reise erwarteten, endlich der von pba_100.007 ihren frohen und zuversichtlichen Segenswünschen begleitete Aufbruch: pba_100.008 alles das in dem ungezwungensten und belebtesten Bilde vereinigt. Und pba_100.009 vollends die folgenden Strophen: in gedrängtester Kürze meint man hier pba_100.010 einen getreuen Abriß von dem Verhalten vor Augen zu haben, wie es pba_100.011 Goethe in den stürmischen Tagen der Weimarer Geniezeit sich vorgezeichnet pba_100.012 hatte und wie er dasselbe in dem köstlichen Gedicht "Jlmenau" pba_100.013 später ausführlicher geschildert hat. Wie der kluge Schiffer gegen die pba_100.014 widrigen Winde kreuzt um vorwärts zu kommen, so scheint er dem pba_100.015 tollen Treiben "sich hinzugeben", doch:
pba_100.016
Strebet leise sie zu überlisten,pba_100.017 Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege.
pba_100.018 Aber heftiger schwillt das Wüten der Leidenschaft an, und auf pba_100.019 nutzlosen Widerstand verzichtend, gibt er das Schifflein eine Zeit lang pba_100.020 den stürmischen Wellen preis. Jst es nicht, als ob man den Chorus pba_100.021 der näher und ferner stehenden Freunde nun hörte, mit ihren Befürchtungen, pba_100.022 Warnungen, ihren mißtrauischen Klagen:
pba_100.023
Und an jenem Ufer drüben stehenpba_100.024 Freund' und Lieben, beben auf dem Festen:pba_100.025 Ach, warum ist er nicht hier geblieben!pba_100.026 Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glücke!pba_100.027 Soll der Gute so zu Grunde gehen?pba_100.028 Ach, er sollte, ach, er könnte! Götter!
pba_100.029 Und endlich das Grundethos des Ganzen, der feste, freudige Lebensmut, pba_100.030 das unerschütterliche Vertrauen in sich selbst und in die Zukunft, pba_100.031 in den herrlichen Schlußversen:
pba_100.032
Doch er stehet männlich an dem Steuer;pba_100.033 Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,pba_100.034 Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen;pba_100.035 Herrschend blickt er auf die grimme Tiefepba_100.036 Und vertrauet scheiternd oder landendpba_100.037 Seinen Göttern.
pba_100.038 Auf Widerspruch könnte es stoßen, wenn als ein drittes Beispiel pba_100.039 solcher allegorischen Dichtungsweise die Fabel "Adler und Taube" an-
pba_100.001 Bis in die kleinsten Züge hat er nun in dem Bilde der Seefahrt die pba_100.002 Empfindungen und Gemütsverfassungen, mit denen jenes Verhältnis ihn pba_100.003 bewegte, wiederzuspiegeln gewußt. Die lange Zeit des vergeblichen Harrens, pba_100.004 nachdem nun definitiv die weimarische Einladung angenommen war, die pba_100.005 drängende Ungeduld der Freunde und die ungemessenen Hoffnungen, pba_100.006 deren schnelle Erfüllung sie von jener Reise erwarteten, endlich der von pba_100.007 ihren frohen und zuversichtlichen Segenswünschen begleitete Aufbruch: pba_100.008 alles das in dem ungezwungensten und belebtesten Bilde vereinigt. Und pba_100.009 vollends die folgenden Strophen: in gedrängtester Kürze meint man hier pba_100.010 einen getreuen Abriß von dem Verhalten vor Augen zu haben, wie es pba_100.011 Goethe in den stürmischen Tagen der Weimarer Geniezeit sich vorgezeichnet pba_100.012 hatte und wie er dasselbe in dem köstlichen Gedicht „Jlmenau“ pba_100.013 später ausführlicher geschildert hat. Wie der kluge Schiffer gegen die pba_100.014 widrigen Winde kreuzt um vorwärts zu kommen, so scheint er dem pba_100.015 tollen Treiben „sich hinzugeben“, doch:
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Und an jenem Ufer drüben stehenpba_100.024 Freund' und Lieben, beben auf dem Festen:pba_100.025 Ach, warum ist er nicht hier geblieben!pba_100.026 Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glücke!pba_100.027 Soll der Gute so zu Grunde gehen?pba_100.028 Ach, er sollte, ach, er könnte! Götter!
pba_100.029 Und endlich das Grundethos des Ganzen, der feste, freudige Lebensmut, pba_100.030 das unerschütterliche Vertrauen in sich selbst und in die Zukunft, pba_100.031 in den herrlichen Schlußversen:
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Doch er stehet männlich an dem Steuer;pba_100.033 Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,pba_100.034 Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen;pba_100.035 Herrschend blickt er auf die grimme Tiefepba_100.036 Und vertrauet scheiternd oder landendpba_100.037 Seinen Göttern.
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Goethe in den stürmischen Tagen der Weimarer Geniezeit sich vorgezeichnet pba_100.012
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/118>, abgerufen am 24.11.2024.
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