pba_V.001 Der größte Dichter der Neuzeit, in welchem die spontan schaffende pba_V.002 Kraft des Genius am stärksten erscheint, war am meisten von dem Werte pba_V.003 der Theorie für die Kunst durchdrungen. "Es ist weit mehr Positives,pba_V.004 das heißt Lehrbares und Überlieferbares in der Kunst, als man pba_V.005 gewöhnlich glaubt," lautet ein Wort von Goethe. Und ganz wie Aristoteles pba_V.006 sucht er den Schlüssel für die Erkenntnis der Kunstgesetze in der pba_V.007 Kenntnis der menschlichen Seele. Davon handelt eine schöne Stelle des pba_V.008 inhaltreichen Aufsatzes "Der Sammler und die Seinigen" in dem Gespräch pba_V.009 zwischen dem "Philosophen" und dem "Gaste":
pba_V.010 Gast: "Jch will über Poesie nicht entscheiden.
pba_V.011 Philosoph: Und ich nicht über bildende Kunst.
pba_V.012 G. Ja, es ist wohl das beste, daß jeder in seinem Fache bleibt.
pba_V.013 Ph. Und doch gibt es einen allgemeinen Punkt, in welchem die pba_V.014 Wirkungen aller Kunst, redender sowohl als bildender, sich sammeln, pba_V.015 aus welchem alle ihre Gesetze fließen.
pba_V.016 G. Und dieser wäre?
pba_V.017 Ph. Das menschliche Gemüt.
pba_V.018 G. Ja, ja, es ist die Art der neuen Herren Philosophen, alle pba_V.019 Dinge auf ihren eigenen Grund und Boden zu spielen, und bequemer pba_V.020 ist es freilich, die Welt nach der Jdee zu modeln, als seine Vorstellungen pba_V.021 den Dingen zu unterwerfen.
pba_V.022 Ph. Es ist hier von keinem metaphysischen Streite die Rede.
pba_V.023 G. Den ich mir auch verbitten wollte .... Wie wollen Sie auch pba_V.024 den wunderlichen Forderungen dieses lieben Gemütes genug thun?
pba_V.025 Ph. Es ist nicht wunderlich, es läßt sich nur seine gerechten Ansprüche pba_V.026 nicht nehmen. Eine alte Sage berichtet uns, daß die Elohim pba_V.027 einst untereinander gesprochen: Lasset uns den Menschen machen, ein pba_V.028 Bild, das uns gleich sei! Und der Mensch sagt daher mit vollem Recht: pba_V.029 Lasset uns Götter machen, Bilder, die uns gleich seien!
pba_V.030 G. Wir kommen hier schon in eine sehr dunkle Region.
pba_V.031 Ph. Es gibt nur ein Licht, uns hier zu leuchten.
pba_V.032 G. Das wäre?
pba_V.033 Ph. Die Vernunft.
pba_V.034 G. Jnwiefern sie ein Licht oder Jrrlicht hat, ist schwer zu bestimmen.
pba_V.035 Ph. Nennen wir sie nicht, aber fragen wir uns die Forderungen pba_V.036 ab, die der Geist an ein Kunstwerk macht! Eine beschränkte Neigung pba_V.037 soll nicht nur ausgefüllt, unsere Wißbegierde nicht etwa nur befriedigt, pba_V.038 unsere Kenntnis nur geordnet und beruhigt werden: das Höhere, was pba_V.039 in uns liegt, will erweckt sein, wir wollen verehren und uns selbst als pba_V.040 verehrungswürdig fühlen.
pba_V.001 Der größte Dichter der Neuzeit, in welchem die spontan schaffende pba_V.002 Kraft des Genius am stärksten erscheint, war am meisten von dem Werte pba_V.003 der Theorie für die Kunst durchdrungen. „Es ist weit mehr Positives,pba_V.004 das heißt Lehrbares und Überlieferbares in der Kunst, als man pba_V.005 gewöhnlich glaubt,“ lautet ein Wort von Goethe. Und ganz wie Aristoteles pba_V.006 sucht er den Schlüssel für die Erkenntnis der Kunstgesetze in der pba_V.007 Kenntnis der menschlichen Seele. Davon handelt eine schöne Stelle des pba_V.008 inhaltreichen Aufsatzes „Der Sammler und die Seinigen“ in dem Gespräch pba_V.009 zwischen dem „Philosophen“ und dem „Gaste“:
pba_V.010 Gast: „Jch will über Poesie nicht entscheiden.
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pba_V.023 G. Den ich mir auch verbitten wollte .... Wie wollen Sie auch pba_V.024 den wunderlichen Forderungen dieses lieben Gemütes genug thun?
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pba_V.034 G. Jnwiefern sie ein Licht oder Jrrlicht hat, ist schwer zu bestimmen.
pba_V.035 Ph. Nennen wir sie nicht, aber fragen wir uns die Forderungen pba_V.036 ab, die der Geist an ein Kunstwerk macht! Eine beschränkte Neigung pba_V.037 soll nicht nur ausgefüllt, unsere Wißbegierde nicht etwa nur befriedigt, pba_V.038 unsere Kenntnis nur geordnet und beruhigt werden: das Höhere, was pba_V.039 in uns liegt, will erweckt sein, wir wollen verehren und uns selbst als pba_V.040 verehrungswürdig fühlen.
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sucht er den Schlüssel für die Erkenntnis der Kunstgesetze in der pba_V.007
Kenntnis der menschlichen Seele. Davon handelt eine schöne Stelle des pba_V.008
inhaltreichen Aufsatzes „Der Sammler und die Seinigen“ in dem Gespräch pba_V.009
zwischen dem „Philosophen“ und dem „Gaste“:
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Gast: „Jch will über Poesie nicht entscheiden.
pba_V.011
Philosoph: Und ich nicht über bildende Kunst.
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. RV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/11>, abgerufen am 22.11.2024.
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