pba_084.001 Jahrzehnt unsers Jahrhunderts ab und namentlich im zweiten und pba_084.002 dritten. Jn seinen Jugendjahren kleidete sich, bei seiner starken Abneigung pba_084.003 gegen alle Jdeologie, eine jede Reflexion ihm fast unwillkürlich pba_084.004 in Bild, Gleichnis, Erzählung; jetzt erst beginnt er die reichen Schätze pba_084.005 seiner Erkenntnisse über die Kunst, "Gott und Natur" und über die pba_084.006 höhere Einheit, in der sie ihm erschienen, auch geradehin, in eigentlich pba_084.007 so zu nennender Reflexionspoesie auszugeben. Man möchte den wiederkehrenden pba_084.008 Grundgedanken derselben in der dritten Strophe des im pba_084.009 Jahre 1816 entstandenen "Künstlerliedes" ausgesprochen finden:
pba_084.010
Wie Natur im Vielgebildepba_084.011 Einen Gott nur offenbart,pba_084.012 So im weiten Kunstgefildepba_084.013 Webt ein Sinn der ew'gen Art;pba_084.014 Dieses ist der Sinn der Wahrheit,pba_084.015 Der sich nur mit Schönem schmücktpba_084.016 Und getrost der höchsten Klarheitpba_084.017 Hellsten Tags entgegen blickt.
pba_084.018 Jmmer aber sehen wir ihn auch hier, nach seiner alten Weise, fast pba_084.019 immer dem einzelnen Anlaß sich anschließen, die einzelne Anschauung pba_084.020 bezeichnen, die ihn zur Abstraktion leitete, während umgekehrt Schiller pba_084.021 fast überall vom Gedanken selbst die dichterische Anregung empfängt. pba_084.022 Freilich geschieht es Goethe nun im Alter mitunter, daß ihn bei dem pba_084.023 Aufbau dessen, was man den materiellen Unterbau seines Gedichtes pba_084.024 nennen möchte, die poetische Kraft im Stiche läßt und er, namentlich pba_084.025 wo es sich um seine wissenschaftlichen Liebhabereien handelt, in diesem pba_084.026 Teile einer befremdlichen Trockenheit verfällt. Jmmer aber um sofort pba_084.027 wieder zur höchsten dichterischen Wirkung sich zu erheben,pba_084.028 sobald der krönende Gedanke das dem Ganzen als Seele innewohnende pba_084.029 Ethos zur Geltung bringt; zum deutlichen Zeichen, daß hierin das bewegende pba_084.030 Agens liegt, ohne welches das Uebrige tot ist. Sehr auffallend pba_084.031 tritt diese Beobachtung an den beiden Gedichten: "Die Metamorphose pba_084.032 der Pflanzen" und "Metamorphose der Tiere" hervor. Selbst das erstere, pba_084.033 obwohl viel früher entstanden (wahrscheinlich um 1790) und viel wärmer pba_084.034 empfunden und phantasievoller durchgeführt, ist von dem oben bezeichneten pba_084.035 Fehler wohl nicht ganz freizusprechen, wenn man Stellen wie die folgende pba_084.036 für sich betrachtet:
pba_084.037
Gleich darauf ein folgender Trieb, sich erhebend, erneuetpba_084.038 Knoten auf Knoten getürmt, immer das erste Gebild,pba_084.039 Zwar nicht immer das Gleiche, denn mannigfaltig erzeugt sich,pba_084.040 Ansgebildet, du siehst's, immer das folgende Blatt,
pba_084.001 Jahrzehnt unsers Jahrhunderts ab und namentlich im zweiten und pba_084.002 dritten. Jn seinen Jugendjahren kleidete sich, bei seiner starken Abneigung pba_084.003 gegen alle Jdeologie, eine jede Reflexion ihm fast unwillkürlich pba_084.004 in Bild, Gleichnis, Erzählung; jetzt erst beginnt er die reichen Schätze pba_084.005 seiner Erkenntnisse über die Kunst, „Gott und Natur“ und über die pba_084.006 höhere Einheit, in der sie ihm erschienen, auch geradehin, in eigentlich pba_084.007 so zu nennender Reflexionspoesie auszugeben. Man möchte den wiederkehrenden pba_084.008 Grundgedanken derselben in der dritten Strophe des im pba_084.009 Jahre 1816 entstandenen „Künstlerliedes“ ausgesprochen finden:
pba_084.010
Wie Natur im Vielgebildepba_084.011 Einen Gott nur offenbart,pba_084.012 So im weiten Kunstgefildepba_084.013 Webt ein Sinn der ew'gen Art;pba_084.014 Dieses ist der Sinn der Wahrheit,pba_084.015 Der sich nur mit Schönem schmücktpba_084.016 Und getrost der höchsten Klarheitpba_084.017 Hellsten Tags entgegen blickt.
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pba_084.037
Gleich darauf ein folgender Trieb, sich erhebend, erneuetpba_084.038 Knoten auf Knoten getürmt, immer das erste Gebild,pba_084.039 Zwar nicht immer das Gleiche, denn mannigfaltig erzeugt sich,pba_084.040 Ansgebildet, du siehst's, immer das folgende Blatt,
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tritt diese Beobachtung an den beiden Gedichten: „Die Metamorphose pba_084.032
der Pflanzen“ und „Metamorphose der Tiere“ hervor. Selbst das erstere, pba_084.033
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/102>, abgerufen am 25.11.2024.
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