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Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681.

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Die LXXXIV. Laster-Predigt/
Meinung war bey den Alten: Man solle sich für dem Todschlag hüten/ wo
aber jemand erfunden würde/ der einen Menschen tödtete/ den soll man vor
das öffentliche Gericht stellen/ und nach dem die begangene Missethat nach
allen ihren Umständen betrachtet worden/ solle alsdann ein Urtheil über den
Thäter gefället werden. Weil nun die Schrifftgelehrten und Phariseer auf
gleiche Weise/ diß Gebott allein von dem würcklichen Todschlag verstunden/
da einer den andern mit der Faust/ oder mörderlichen Wehr und Waffen um
das Leben brächte/ so gibt der HErr Christus eine bessere Erklärung darüber
Jch aber sa-
ge euch:
und sagt: Jch aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet/ der
ist deß Gerichtes schuldig.
Widerleget hiermit die Meinung der Pha-
riseer/ und lehret/ daß nicht nur der äusserliche/ würckliche Todschlag/ sondern
auch die innerliche Begierde/ dem Nächsten Schaden zu thun/ Sünde/ und
zwar eine solche Sünde seye/ dardurch man deß Gerichtes schuldig werde.
vom Zorn/
nicht vom
Amts.
Mit Namen aber gedencket der HErr allhier deß Zorus: Wer mit sei-
nem Bruder zürnet. Zürnen
oder der Zorn ist zweyerley: Eines ist
und heisset der Amts-Zorn/ als da ein Prediger in der Kirchen über die ein-
brechende/ reissende Wölffe und falsche Lehrer/ deßgleichen über die grassirende
und im Schwang-gehende Schande und Laster zürnet. Da ein Lehrer in
der Schulen über den Unfleiß und Muthwillen der Schul-Jugend zürnen.
Da ein Regent auf dem Rathhauß über Sünde und Ungerechtigkeit/ und
über der Unterthanen Ungehorsam zürnet. Da die Eltern und Herrschaff-
ten über der Kinder und deß Gesindes Boßheit und Halßstarrigkeit zürnet.
Oder auch/ da ein jeder Christ über dem/ was er sündlich und schändlich siehet
und höret/ zürnet und eifert/ nach den Worten S. Pauli/ Rom. 12. Hasset
das Arge. Dieser Amts-Zorn ist nicht Sünde noch Unrecht/ sondern er ist
vielmehr von GOTT einem jeden in seinem Amt gebotten/ doch daß solcher
Amts-Zorn in gleichem Gewicht gehe/ nach GOttes H. Wort/ daß kein Fre-
vel/ oder auch irgend ein gesuchter/ eigener Vortheil/ mit unterlauffe/ und
der Sachen nicht zu viel geschehe/ dann nicht zürnen/ wo man zürnen solte/
das ist Sünde/ aber mehr zürnen/ als man zürnen solte/ das heisset Sünde
Bernh. ep.
69. ad Guid.
col. 819. C.

sondern
vom Pri-
vat-Zorn/
mit Sünden häuffen/ sagt der H. Bernhardus. Von diesem Amts-Zorn
redet allhier der HErr Christus nicht. Darnach ist auch ein Privat- oder
eigener Zorn/ welcher ist eine hefftige Bewegung deß bösen Menschlichen
Hertzen/ da einer von seinem Nächsten beleidiget worden/ oder nur vermeinete/
es seye ihm von seinem Nächsten etwas zu wider geschehen/ vergisset demnach
der Christlichen Liebe/ entrüstet sich/ verstellet seine Gebärden/ und gedencket
auf Mittel und Wege/ wie er sich bey ehester Gelegenheit an ihm rächen möge.
man soll
nicht zürnen
Dieser Zorn ist verbotten/ als ein Laster wider den Bruder/ das ist/ wider den
Nächsten/ er sey Mannes- oder Weibes-Person/ und also Bruder oder
Schwester/ oder wer er auch immer seyn möge. Darum wil der HErr

Christus

Die LXXXIV. Laſter-Predigt/
Meinung war bey den Alten: Man ſolle ſich fuͤr dem Todſchlag huͤten/ wo
aber jemand erfunden wuͤrde/ der einen Menſchen toͤdtete/ den ſoll man vor
das oͤffentliche Gericht ſtellen/ und nach dem die begangene Miſſethat nach
allen ihren Umſtaͤnden betrachtet worden/ ſolle alsdann ein Urtheil uͤber den
Thaͤter gefaͤllet werden. Weil nun die Schrifftgelehrten und Phariſeer auf
gleiche Weiſe/ diß Gebott allein von dem wuͤrcklichen Todſchlag verſtunden/
da einer den andern mit der Fauſt/ oder moͤrderlichen Wehr und Waffen um
das Leben braͤchte/ ſo gibt der HErꝛ Chriſtus eine beſſere Erklaͤrung daruͤber
Jch aber ſa-
ge euch:
und ſagt: Jch aber ſage euch: Wer mit ſeinem Bruder zuͤrnet/ der
iſt deß Gerichtes ſchuldig.
Widerleget hiermit die Meinung der Pha-
riſeer/ und lehret/ daß nicht nur der aͤuſſerliche/ wuͤrckliche Todſchlag/ ſondern
auch die innerliche Begierde/ dem Naͤchſten Schaden zu thun/ Suͤnde/ und
zwar eine ſolche Suͤnde ſeye/ dardurch man deß Gerichtes ſchuldig werde.
vom Zorn/
nicht vom
Amts.
Mit Namen aber gedencket der HErꝛ allhier deß Zorus: Wer mit ſei-
nem Bruder zuͤrnet. Zuͤrnen
oder der Zorn iſt zweyerley: Eines iſt
und heiſſet der Amts-Zorn/ als da ein Prediger in der Kirchen uͤber die ein-
brechende/ reiſſende Woͤlffe und falſche Lehrer/ deßgleichen uͤber die graſſirende
und im Schwang-gehende Schande und Laſter zuͤrnet. Da ein Lehrer in
der Schulen uͤber den Unfleiß und Muthwillen der Schul-Jugend zuͤrnen.
Da ein Regent auf dem Rathhauß uͤber Suͤnde und Ungerechtigkeit/ und
uͤber der Unterthanen Ungehorſam zuͤrnet. Da die Eltern und Herꝛſchaff-
ten uͤber der Kinder und deß Geſindes Boßheit und Halßſtarrigkeit zuͤrnet.
Oder auch/ da ein jeder Chriſt uͤber dem/ was er ſuͤndlich und ſchaͤndlich ſiehet
und hoͤret/ zuͤrnet und eifert/ nach den Worten S. Pauli/ Rom. 12. Haſſet
das Arge. Dieſer Amts-Zorn iſt nicht Suͤnde noch Unrecht/ ſondern er iſt
vielmehr von GOTT einem jeden in ſeinem Amt gebotten/ doch daß ſolcher
Amts-Zorn in gleichem Gewicht gehe/ nach GOttes H. Wort/ daß kein Fre-
vel/ oder auch irgend ein geſuchter/ eigener Vortheil/ mit unterlauffe/ und
der Sachen nicht zu viel geſchehe/ dann nicht zuͤrnen/ wo man zuͤrnen ſolte/
das iſt Suͤnde/ aber mehr zuͤrnen/ als man zuͤrnen ſolte/ das heiſſet Suͤnde
Bernh. ep.
69. ad Guid.
col. 819. C.

ſondern
vom Pri-
vat-Zorn/
mit Suͤnden haͤuffen/ ſagt der H. Bernhardus. Von dieſem Amts-Zorn
redet allhier der HErꝛ Chriſtus nicht. Darnach iſt auch ein Privat- oder
eigener Zorn/ welcher iſt eine hefftige Bewegung deß boͤſen Menſchlichen
Hertzen/ da einer von ſeinem Naͤchſten beleidiget worden/ oder nur vermeinete/
es ſeye ihm von ſeinem Naͤchſten etwas zu wider geſchehen/ vergiſſet demnach
der Chriſtlichen Liebe/ entruͤſtet ſich/ verſtellet ſeine Gebaͤrden/ und gedencket
auf Mittel und Wege/ wie er ſich bey eheſter Gelegenheit an ihm raͤchen moͤge.
man ſoll
nicht zuͤrnen
Dieſer Zorn iſt verbotten/ als ein Laſter wider den Bruder/ das iſt/ wider den
Naͤchſten/ er ſey Mannes- oder Weibes-Perſon/ und alſo Bruder oder
Schweſter/ oder wer er auch immer ſeyn moͤge. Darum wil der HErꝛ

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[804/0874] Die LXXXIV. Laſter-Predigt/ Meinung war bey den Alten: Man ſolle ſich fuͤr dem Todſchlag huͤten/ wo aber jemand erfunden wuͤrde/ der einen Menſchen toͤdtete/ den ſoll man vor das oͤffentliche Gericht ſtellen/ und nach dem die begangene Miſſethat nach allen ihren Umſtaͤnden betrachtet worden/ ſolle alsdann ein Urtheil uͤber den Thaͤter gefaͤllet werden. Weil nun die Schrifftgelehrten und Phariſeer auf gleiche Weiſe/ diß Gebott allein von dem wuͤrcklichen Todſchlag verſtunden/ da einer den andern mit der Fauſt/ oder moͤrderlichen Wehr und Waffen um das Leben braͤchte/ ſo gibt der HErꝛ Chriſtus eine beſſere Erklaͤrung daruͤber und ſagt: Jch aber ſage euch: Wer mit ſeinem Bruder zuͤrnet/ der iſt deß Gerichtes ſchuldig. Widerleget hiermit die Meinung der Pha- riſeer/ und lehret/ daß nicht nur der aͤuſſerliche/ wuͤrckliche Todſchlag/ ſondern auch die innerliche Begierde/ dem Naͤchſten Schaden zu thun/ Suͤnde/ und zwar eine ſolche Suͤnde ſeye/ dardurch man deß Gerichtes ſchuldig werde. Mit Namen aber gedencket der HErꝛ allhier deß Zorus: Wer mit ſei- nem Bruder zuͤrnet. Zuͤrnen oder der Zorn iſt zweyerley: Eines iſt und heiſſet der Amts-Zorn/ als da ein Prediger in der Kirchen uͤber die ein- brechende/ reiſſende Woͤlffe und falſche Lehrer/ deßgleichen uͤber die graſſirende und im Schwang-gehende Schande und Laſter zuͤrnet. Da ein Lehrer in der Schulen uͤber den Unfleiß und Muthwillen der Schul-Jugend zuͤrnen. Da ein Regent auf dem Rathhauß uͤber Suͤnde und Ungerechtigkeit/ und uͤber der Unterthanen Ungehorſam zuͤrnet. Da die Eltern und Herꝛſchaff- ten uͤber der Kinder und deß Geſindes Boßheit und Halßſtarrigkeit zuͤrnet. Oder auch/ da ein jeder Chriſt uͤber dem/ was er ſuͤndlich und ſchaͤndlich ſiehet und hoͤret/ zuͤrnet und eifert/ nach den Worten S. Pauli/ Rom. 12. Haſſet das Arge. Dieſer Amts-Zorn iſt nicht Suͤnde noch Unrecht/ ſondern er iſt vielmehr von GOTT einem jeden in ſeinem Amt gebotten/ doch daß ſolcher Amts-Zorn in gleichem Gewicht gehe/ nach GOttes H. Wort/ daß kein Fre- vel/ oder auch irgend ein geſuchter/ eigener Vortheil/ mit unterlauffe/ und der Sachen nicht zu viel geſchehe/ dann nicht zuͤrnen/ wo man zuͤrnen ſolte/ das iſt Suͤnde/ aber mehr zuͤrnen/ als man zuͤrnen ſolte/ das heiſſet Suͤnde mit Suͤnden haͤuffen/ ſagt der H. Bernhardus. Von dieſem Amts-Zorn redet allhier der HErꝛ Chriſtus nicht. Darnach iſt auch ein Privat- oder eigener Zorn/ welcher iſt eine hefftige Bewegung deß boͤſen Menſchlichen Hertzen/ da einer von ſeinem Naͤchſten beleidiget worden/ oder nur vermeinete/ es ſeye ihm von ſeinem Naͤchſten etwas zu wider geſchehen/ vergiſſet demnach der Chriſtlichen Liebe/ entruͤſtet ſich/ verſtellet ſeine Gebaͤrden/ und gedencket auf Mittel und Wege/ wie er ſich bey eheſter Gelegenheit an ihm raͤchen moͤge. Dieſer Zorn iſt verbotten/ als ein Laſter wider den Bruder/ das iſt/ wider den Naͤchſten/ er ſey Mannes- oder Weibes-Perſon/ und alſo Bruder oder Schweſter/ oder wer er auch immer ſeyn moͤge. Darum wil der HErꝛ Chriſtus Jch aber ſa- ge euch: vom Zorn/ nicht vom Amts. Bernh. ep. 69. ad Guid. col. 819. C. ſondern vom Pri- vat-Zorn/ man ſoll nicht zuͤrnen

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Zitationshilfe: Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681. , S. 804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauller_lasterspiegel_1681/874>, abgerufen am 23.11.2024.