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Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681.

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Die XXXVII. Laster-Predigt/
Wehe über sie/ und sagt: Wehe denen/ die bey sich selbsten weise seyn/ und hal-
ten sich selbsten für klug. c. 5. Ein solcher Mensch ist ihm selbsten schädlich an
seinem Christenthum/ er kan GOtt nicht lieben/ vor dem er sich erhebt/ er kan
den Nechsten nicht lieben/ den er verachtet/ keinen Gottesdienst kan er gebüh-
rend verrichten/ er hört die Predigt ohne Lust/ er bettet ohne Andacht/ er beichtet
ohne Demuth/ er empfahet das H. Abendmal ohne hertzliche Begierd/ und ist
weder hungerig noch durstig nach der Gerechtigkeit/ und weil er sich selber nicht
hasset oder verläugnet/ so kan er nicht Christi Jünger/ kein rechter Christ nicht
seyn. Luc. 14. Er ist ihm selber schädlich an seinem Gemüth/ er fangt viel an/
sinnet/ tichtet/ hat nie und nirgend keine Ruhe/ und in dem er sich selbst für weise
hält/ wird erzum Narren. Rom. 1. Wie dann gemeiniglich Meister Klügel
das Pferd beym Hintern aufzäumt/ daß ihm sein Vorhaben widersinnisch
hinauß geht. Er ist ihm selber schädlich an seiner Ehr und Ansehen/ wird bey
jederman veracht und verhasst/ dann es fehlt nicht/ wann einer zu viel auf sich
selbsten hält/ so halten andere auf ihn desto weniger. Er ist ihm selber schäd-
lich an seinen profectibus und Zunemmen/ wie an vielen guten ingeniis und
fähigen Köpffen zu sehen/ die offt wol etwas dapffers/ dem gemeinen Wesen
vorträgliches studiren/ zu grosser Kunst und Geschickligkeit gelangen könn-
ten/ wann sie sich nicht selber beredten/ sie haben solche Kunst und Geschicklig-
keit bereits schon erlangt. Ja er ist ihm selber schädlich an seiner zeitlichen und
ewigen Wolfahrt/ dann GOtt widerstehet den Hoffärtigen. 1. Petr. 5. Der
HErr übet Gewalt mit seinem Arm/ und zustreuet die hoffärtig sind/ in ihres
Hertzens Sinn/ singt Maria. Luc. 1.

Summa.

Und das ist nun das 1. Laster/ so eigentlich auf den Menschen selber siher
und gehet/ nemlich philautia, die unordentliche Selbs- und Eygen-Liebe/ da wir
gehört/ weil sie ein unordentliche Liebe/ ein vermessene Liebe/ ein Anfang und
Ursach vieler anderer Sünden/ und über das eine schädliche Liebe sey/ so soll ein
jeder Christ sich davor hüten/ nach Anleitung unsers Texts. Luc. 18.

Gebrauch dieser Lehr.
I.
Warnung
Diß Laster
ist gemein.

I. WArnung/ daß wir uns auch alle ins gesamt vor dieser unge-
ziemten Eygen-Liebe hüten. Es ist dieses Laster dem verderb-
ten Menschen gar lieb und angenehm/ von Natur ist der Mensch
darzu geneigt/ daß er sich selber liebt und lobt/ hört sich selber gern
reden/ gibt ihm selber recht/ schmeichelt und heuchelt ihm selber/ und dünckt sich
keiner kein Sau seyn/ einem jeglichen düncken seine Weg rein seyn. Spr.
Zur letzten
Zeit/
16. Sonderlich in dieser letzten Naige der Welt/ seyn deren viel/ die von sich
selbsten halten/ wie wir im Eingang auß/ 2. Tim. 3. dessen eine Weissagung
von Paulo gehört haben. Da finden sich die viel von sich selbsten halten in

geistli-

Die XXXVII. Laſter-Predigt/
Wehe uͤber ſie/ und ſagt: Wehe denen/ die bey ſich ſelbſten weiſe ſeyn/ und hal-
ten ſich ſelbſten fuͤr klug. c. 5. Ein ſolcher Menſch iſt ihm ſelbſten ſchaͤdlich an
ſeinem Chriſtenthum/ er kan GOtt nicht lieben/ vor dem er ſich erhebt/ er kan
den Nechſten nicht lieben/ den er verachtet/ keinen Gottesdienſt kan er gebuͤh-
rend verrichten/ er hoͤrt die Predigt ohne Luſt/ er bettet ohne Andacht/ er beichtet
ohne Demuth/ er empfahet das H. Abendmal ohne hertzliche Begierd/ und iſt
weder hungerig noch durſtig nach der Gerechtigkeit/ und weil er ſich ſelber nicht
haſſet oder verlaͤugnet/ ſo kan er nicht Chriſti Juͤnger/ kein rechter Chriſt nicht
ſeyn. Luc. 14. Er iſt ihm ſelber ſchaͤdlich an ſeinem Gemuͤth/ er fangt viel an/
ſinnet/ tichtet/ hat nie und nirgend keine Ruhe/ und in dem er ſich ſelbſt fuͤr weiſe
haͤlt/ wird erzum Narꝛen. Rom. 1. Wie dann gemeiniglich Meiſter Kluͤgel
das Pferd beym Hintern aufzaͤumt/ daß ihm ſein Vorhaben widerſinniſch
hinauß geht. Er iſt ihm ſelber ſchaͤdlich an ſeiner Ehr und Anſehen/ wird bey
jederman veracht und verhaſſt/ dann es fehlt nicht/ wann einer zu viel auf ſich
ſelbſten haͤlt/ ſo halten andere auf ihn deſto weniger. Er iſt ihm ſelber ſchaͤd-
lich an ſeinen profectibus und Zunemmen/ wie an vielen guten ingeniis und
faͤhigen Koͤpffen zu ſehen/ die offt wol etwas dapffers/ dem gemeinen Weſen
vortraͤgliches ſtudiren/ zu groſſer Kunſt und Geſchickligkeit gelangen koͤnn-
ten/ wann ſie ſich nicht ſelber beredten/ ſie haben ſolche Kunſt und Geſchicklig-
keit bereits ſchon erlangt. Ja er iſt ihm ſelber ſchaͤdlich an ſeiner zeitlichen und
ewigen Wolfahrt/ dann GOtt widerſtehet den Hoffaͤrtigen. 1. Petr. 5. Der
HErꝛ uͤbet Gewalt mit ſeinem Arm/ und zuſtreuet die hoffaͤrtig ſind/ in ihres
Hertzens Sinn/ ſingt Maria. Luc. 1.

Summa.

Und das iſt nun das 1. Laſter/ ſo eigentlich auf den Menſchen ſelber ſiher
und gehet/ nemlich φιλαυτία, die unordentliche Selbs- und Eygen-Liebe/ da wir
gehoͤrt/ weil ſie ein unordentliche Liebe/ ein vermeſſene Liebe/ ein Anfang und
Urſach vieler anderer Suͤnden/ und uͤber das eine ſchaͤdliche Liebe ſey/ ſo ſoll ein
jeder Chriſt ſich davor huͤten/ nach Anleitung unſers Texts. Luc. 18.

Gebrauch dieſer Lehr.
I.
Warnung
Diß Laſter
iſt gemein.

I. WArnung/ daß wir uns auch alle ins geſamt vor dieſer unge-
ziemten Eygen-Liebe huͤten. Es iſt dieſes Laſter dem verderb-
ten Menſchen gar lieb und angenehm/ von Natur iſt der Menſch
darzu geneigt/ daß er ſich ſelber liebt und lobt/ hoͤrt ſich ſelber gern
reden/ gibt ihm ſelber recht/ ſchmeichelt und heuchelt ihm ſelber/ und duͤnckt ſich
keiner kein Sau ſeyn/ einem jeglichen duͤncken ſeine Weg rein ſeyn. Spr.
Zur letzten
Zeit/
16. Sonderlich in dieſer letzten Naige der Welt/ ſeyn deren viel/ die von ſich
ſelbſten halten/ wie wir im Eingang auß/ 2. Tim. 3. deſſen eine Weiſſagung
von Paulo gehoͤrt haben. Da finden ſich die viel von ſich ſelbſten halten in

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[340/0410] Die XXXVII. Laſter-Predigt/ Wehe uͤber ſie/ und ſagt: Wehe denen/ die bey ſich ſelbſten weiſe ſeyn/ und hal- ten ſich ſelbſten fuͤr klug. c. 5. Ein ſolcher Menſch iſt ihm ſelbſten ſchaͤdlich an ſeinem Chriſtenthum/ er kan GOtt nicht lieben/ vor dem er ſich erhebt/ er kan den Nechſten nicht lieben/ den er verachtet/ keinen Gottesdienſt kan er gebuͤh- rend verrichten/ er hoͤrt die Predigt ohne Luſt/ er bettet ohne Andacht/ er beichtet ohne Demuth/ er empfahet das H. Abendmal ohne hertzliche Begierd/ und iſt weder hungerig noch durſtig nach der Gerechtigkeit/ und weil er ſich ſelber nicht haſſet oder verlaͤugnet/ ſo kan er nicht Chriſti Juͤnger/ kein rechter Chriſt nicht ſeyn. Luc. 14. Er iſt ihm ſelber ſchaͤdlich an ſeinem Gemuͤth/ er fangt viel an/ ſinnet/ tichtet/ hat nie und nirgend keine Ruhe/ und in dem er ſich ſelbſt fuͤr weiſe haͤlt/ wird erzum Narꝛen. Rom. 1. Wie dann gemeiniglich Meiſter Kluͤgel das Pferd beym Hintern aufzaͤumt/ daß ihm ſein Vorhaben widerſinniſch hinauß geht. Er iſt ihm ſelber ſchaͤdlich an ſeiner Ehr und Anſehen/ wird bey jederman veracht und verhaſſt/ dann es fehlt nicht/ wann einer zu viel auf ſich ſelbſten haͤlt/ ſo halten andere auf ihn deſto weniger. Er iſt ihm ſelber ſchaͤd- lich an ſeinen profectibus und Zunemmen/ wie an vielen guten ingeniis und faͤhigen Koͤpffen zu ſehen/ die offt wol etwas dapffers/ dem gemeinen Weſen vortraͤgliches ſtudiren/ zu groſſer Kunſt und Geſchickligkeit gelangen koͤnn- ten/ wann ſie ſich nicht ſelber beredten/ ſie haben ſolche Kunſt und Geſchicklig- keit bereits ſchon erlangt. Ja er iſt ihm ſelber ſchaͤdlich an ſeiner zeitlichen und ewigen Wolfahrt/ dann GOtt widerſtehet den Hoffaͤrtigen. 1. Petr. 5. Der HErꝛ uͤbet Gewalt mit ſeinem Arm/ und zuſtreuet die hoffaͤrtig ſind/ in ihres Hertzens Sinn/ ſingt Maria. Luc. 1. Und das iſt nun das 1. Laſter/ ſo eigentlich auf den Menſchen ſelber ſiher und gehet/ nemlich φιλαυτία, die unordentliche Selbs- und Eygen-Liebe/ da wir gehoͤrt/ weil ſie ein unordentliche Liebe/ ein vermeſſene Liebe/ ein Anfang und Urſach vieler anderer Suͤnden/ und uͤber das eine ſchaͤdliche Liebe ſey/ ſo ſoll ein jeder Chriſt ſich davor huͤten/ nach Anleitung unſers Texts. Luc. 18. Gebrauch dieſer Lehr. I. WArnung/ daß wir uns auch alle ins geſamt vor dieſer unge- ziemten Eygen-Liebe huͤten. Es iſt dieſes Laſter dem verderb- ten Menſchen gar lieb und angenehm/ von Natur iſt der Menſch darzu geneigt/ daß er ſich ſelber liebt und lobt/ hoͤrt ſich ſelber gern reden/ gibt ihm ſelber recht/ ſchmeichelt und heuchelt ihm ſelber/ und duͤnckt ſich keiner kein Sau ſeyn/ einem jeglichen duͤncken ſeine Weg rein ſeyn. Spr. 16. Sonderlich in dieſer letzten Naige der Welt/ ſeyn deren viel/ die von ſich ſelbſten halten/ wie wir im Eingang auß/ 2. Tim. 3. deſſen eine Weiſſagung von Paulo gehoͤrt haben. Da finden ſich die viel von ſich ſelbſten halten in geiſtli- Zur letzten Zeit/

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Zitationshilfe: Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681. , S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauller_lasterspiegel_1681/410>, abgerufen am 23.11.2024.