dreizehn Thalern zu sein und acht davon für einen Kritik¬ druck auszugeben.
Die Kritik erschien in der "Spener'schen Zeitung", in der sogenannten Löschpapiernen, mit der blassesten Tinte auf dem schwärzesten Papier, und gleich hinter ihr stand, wie das bei allen Kunst- und Literaturkritiken jener Zeiten der Fall war, die Ankündigung, daß bei Wisotzky guter Entenbraten und dabei Erpelgreifen statt¬ finden werde. Ich las diese Kritik mit großem Ver¬ gnügen, nicht ohne dennoch im Geiste zu berechnen, wie viel ich von der untenstehenden Ankündigung hätte ge¬ nießen können, wenn ich die obenstehende Kritik nicht verfaßt hätte!
Als die Kritik erschien, war es in Berlin, als ob ein Erdbeben gewesen wäre; Alles war in Bewegung. Der Leser wird und kann es nicht glauben, und nur wer die damalige, an Frenesie grenzende Theatersucht der Berliner kannte, wird es nicht übertrieben finden. Ich ging zu Stehely, um zu hören, was darüber gesprochen würde, fand Alles in Gährung, und ein Referendar sagte zu seinem Nachbar:
"Det muß ein janzer Racker sind!" worauf jener lächelte und sprach:
"Nicht nur sind, sondern auch seind!"
Wer die Blume des Berliner Referendaren-Witzes kennt, der weiß, daß obige Phrasen so viel heißen, als: das muß ein verdammter, gesalzener, gewaschener,
dreizehn Thalern zu ſein und acht davon für einen Kritik¬ druck auszugeben.
Die Kritik erſchien in der »Spener'ſchen Zeitung«, in der ſogenannten Löſchpapiernen, mit der blaſſeſten Tinte auf dem ſchwärzeſten Papier, und gleich hinter ihr ſtand, wie das bei allen Kunſt- und Literaturkritiken jener Zeiten der Fall war, die Ankündigung, daß bei Wiſotzky guter Entenbraten und dabei Erpelgreifen ſtatt¬ finden werde. Ich las dieſe Kritik mit großem Ver¬ gnügen, nicht ohne dennoch im Geiſte zu berechnen, wie viel ich von der untenſtehenden Ankündigung hätte ge¬ nießen können, wenn ich die obenſtehende Kritik nicht verfaßt hätte!
Als die Kritik erſchien, war es in Berlin, als ob ein Erdbeben geweſen wäre; Alles war in Bewegung. Der Leſer wird und kann es nicht glauben, und nur wer die damalige, an Freneſie grenzende Theaterſucht der Berliner kannte, wird es nicht übertrieben finden. Ich ging zu Stehely, um zu hören, was darüber geſprochen würde, fand Alles in Gährung, und ein Referendar ſagte zu ſeinem Nachbar:
»Det muß ein janzer Racker ſind!« worauf jener lächelte und ſprach:
»Nicht nur ſind, ſondern auch ſeind!«
Wer die Blume des Berliner Referendaren-Witzes kennt, der weiß, daß obige Phraſen ſo viel heißen, als: das muß ein verdammter, geſalzener, gewaſchener,
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dreizehn Thalern zu ſein und acht davon für einen Kritik¬
druck auszugeben.
Die Kritik erſchien in der »Spener'ſchen Zeitung«,
in der ſogenannten Löſchpapiernen, mit der blaſſeſten
Tinte auf dem ſchwärzeſten Papier, und gleich hinter
ihr ſtand, wie das bei allen Kunſt- und Literaturkritiken
jener Zeiten der Fall war, die Ankündigung, daß bei
Wiſotzky guter Entenbraten und dabei Erpelgreifen ſtatt¬
finden werde. Ich las dieſe Kritik mit großem Ver¬
gnügen, nicht ohne dennoch im Geiſte zu berechnen, wie
viel ich von der untenſtehenden Ankündigung hätte ge¬
nießen können, wenn ich die obenſtehende Kritik nicht
verfaßt hätte!
Als die Kritik erſchien, war es in Berlin, als ob
ein Erdbeben geweſen wäre; Alles war in Bewegung.
Der Leſer wird und kann es nicht glauben, und nur
wer die damalige, an Freneſie grenzende Theaterſucht der
Berliner kannte, wird es nicht übertrieben finden. Ich
ging zu Stehely, um zu hören, was darüber geſprochen
würde, fand Alles in Gährung, und ein Referendar ſagte
zu ſeinem Nachbar:
»Det muß ein janzer Racker ſind!«
worauf jener lächelte und ſprach:
»Nicht nur ſind, ſondern auch ſeind!«
Wer die Blume des Berliner Referendaren-Witzes
kennt, der weiß, daß obige Phraſen ſo viel heißen, als:
das muß ein verdammter, geſalzener, gewaſchener,
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/89>, abgerufen am 24.11.2024.
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