Einnahme seine schlimmsten Gläubiger bezahlt. "Und woher nun das Geld nehmen, um es dem Publikum zurückzuzahlen? Solch' eine Einnahme hatte ich noch nie zu meinem Benefiz. Ich geh' ins Wasser -- aber dann meine armen, armen elf Waislein ..." Ich konnte nur traurig stumm den Kopf schütteln. "Wenn Sie sich entschließen könnten, mein altes Künstlerhausmittel zu gebrauchen?" sagte Dölle kleinlaut. "Probatum est -- aber es ist für eine zarte Dame doch wohl zu furchtbar russisch ..." Für mein Leben gern hätte ich aus dem "Fest der Handwerker" gesungen: "Das wird ja den Ha--als nicht kosten!" aber ich hatte keinen Ton in der Kehle. Ich mußte mich darauf beschränken, panto¬ mimisch zu sagen: Nur heraus mit Eurem russischen Mittel, ich bin zu Allem bereit!" -- Zagend fing Di¬ rektor Dölle an: "Sie müssen einen Schoppen siedend heißes Braunbier langsam, ohne abzusetzen, durch die heisere Kehle gleiten lassen." -- Ich, wieder pantomi¬ misch, mit vergnügtem Lächeln: "Pah! wenn's weiter nichts ist? Tant de bruit pour une omelette ..." "Aber, es ist noch weiter Etwas, verehrtes Fräulein," sagte Dölle immer kleinlauter. "Sie müssen nämlich vor dem Trinken ein ganzes Talglicht so lange in das heiße Braunbier halten, bis sie nur den Docht heraus¬ ziehen -- und zwar ein Talglicht, so dick und so lang, daß vier von der Sorte ein Pfund geben ..." Da schau¬ derte ich denn doch. Aber als ich den armen Benefi¬ zianten mit gefalteten Händen und angstvollen Augen
Einnahme ſeine ſchlimmſten Gläubiger bezahlt. »Und woher nun das Geld nehmen, um es dem Publikum zurückzuzahlen? Solch' eine Einnahme hatte ich noch nie zu meinem Benefiz. Ich geh' ins Waſſer — aber dann meine armen, armen elf Waislein …« Ich konnte nur traurig ſtumm den Kopf ſchütteln. »Wenn Sie ſich entſchließen könnten, mein altes Künſtlerhausmittel zu gebrauchen?« ſagte Dölle kleinlaut. »Probatum est — aber es iſt für eine zarte Dame doch wohl zu furchtbar ruſſiſch …« Für mein Leben gern hätte ich aus dem »Feſt der Handwerker« geſungen: »Das wird ja den Ha—als nicht koſten!« aber ich hatte keinen Ton in der Kehle. Ich mußte mich darauf beſchränken, panto¬ mimiſch zu ſagen: Nur heraus mit Eurem ruſſiſchen Mittel, ich bin zu Allem bereit!« — Zagend fing Di¬ rektor Dölle an: »Sie müſſen einen Schoppen ſiedend heißes Braunbier langſam, ohne abzuſetzen, durch die heiſere Kehle gleiten laſſen.« — Ich, wieder pantomi¬ miſch, mit vergnügtem Lächeln: »Pah! wenn's weiter nichts iſt? Tant de bruit pour une omelette …« »Aber, es iſt noch weiter Etwas, verehrtes Fräulein,« ſagte Dölle immer kleinlauter. »Sie müſſen nämlich vor dem Trinken ein ganzes Talglicht ſo lange in das heiße Braunbier halten, bis ſie nur den Docht heraus¬ ziehen — und zwar ein Talglicht, ſo dick und ſo lang, daß vier von der Sorte ein Pfund geben …« Da ſchau¬ derte ich denn doch. Aber als ich den armen Benefi¬ zianten mit gefalteten Händen und angſtvollen Augen
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Einnahme ſeine ſchlimmſten Gläubiger bezahlt. »Und
woher nun das Geld nehmen, um es dem Publikum
zurückzuzahlen? Solch' eine Einnahme hatte ich noch nie
zu meinem Benefiz. Ich geh' ins Waſſer — aber dann
meine armen, armen elf Waislein …« Ich konnte
nur traurig ſtumm den Kopf ſchütteln. »Wenn Sie ſich
entſchließen könnten, mein altes Künſtlerhausmittel zu
gebrauchen?« ſagte Dölle kleinlaut. »Probatum est —
aber es iſt für eine zarte Dame doch wohl zu furchtbar
ruſſiſch …« Für mein Leben gern hätte ich aus dem
»Feſt der Handwerker« geſungen: »Das wird ja den
Ha—als nicht koſten!« aber ich hatte keinen Ton in
der Kehle. Ich mußte mich darauf beſchränken, panto¬
mimiſch zu ſagen: Nur heraus mit Eurem ruſſiſchen
Mittel, ich bin zu Allem bereit!« — Zagend fing Di¬
rektor Dölle an: »Sie müſſen einen Schoppen ſiedend
heißes Braunbier langſam, ohne abzuſetzen, durch die
heiſere Kehle gleiten laſſen.« — Ich, wieder pantomi¬
miſch, mit vergnügtem Lächeln: »Pah! wenn's weiter
nichts iſt? Tant de bruit pour une omelette …«
»Aber, es iſt noch weiter Etwas, verehrtes Fräulein,«
ſagte Dölle immer kleinlauter. »Sie müſſen nämlich
vor dem Trinken ein ganzes Talglicht ſo lange in das
heiße Braunbier halten, bis ſie nur den Docht heraus¬
ziehen — und zwar ein Talglicht, ſo dick und ſo lang,
daß vier von der Sorte ein Pfund geben …« Da ſchau¬
derte ich denn doch. Aber als ich den armen Benefi¬
zianten mit gefalteten Händen und angſtvollen Augen
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/491>, abgerufen am 22.11.2024.
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