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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Auftreten, im Aussprechen immer neuer toller Forderun¬
gen gegen den Balletmeister und den Maschinenmeister,
ja selbst ihr kurioses Französisch hatten etwas dämonisch
Berückendes. Jetzt erst war mir der momentane Wahn¬
sinn des sonst so ehrbaren Herrn von Bülow verständlich.
Fesselte mich doch selber schon dies tolle, verzogene, schöne
Kind unwiderstehlich.

Als der Tanz zu Ende war, trat ich aus der Coulisse
vor, sie als Theater-Tante anzureden. Aber kaum hatte
sie mich erblickt, so stürzte sie mir jubelnd an den Hals
und rief: Enfin! ma bella Donna. Ce vous aime,
nous nous precenterons ce coir ensemble! moi ce
dancerais, vous parlerez, ce cera carmant
..." und
weiter schwirrte es sinnverwirrend in ihrem Idiom: "Ich
liebe die Schönheit und den Tanz. Ich will auch berühmt
werden, wie Sie -- aber als Tänzerin. Ich tanze
leidenschaftlich. Wir Beide sind schön -- ich wie der
Süden, Sie wie der Norden. Ich liebe Sie und Sie
müssen mich wieder lieb haben. O! Sie sollen mich
heute Abend nur erst im Kostüm sehen ..." und fort¬
hüpfend rief sie mir noch mit ihrer hellen, klingenden,
fröhlichen Stimme, mit ihrem kindlichen Lächeln zu: "au
revoir, ma bella Donna -- a ce coir, a ce coir!
"

Aber merkwürdiger Weise blieb das Publikum am
Abende bei der Attitüde der schönen Spanierin und bei
ihrem tollen Quecksilbertanze kühl. Keine Hand rührte
sich, keine Blume flog. Wo waren denn nur die Ver¬
ehrer? Ich hatte doch schon am Nachmittage Kränze

Auftreten, im Ausſprechen immer neuer toller Forderun¬
gen gegen den Balletmeiſter und den Maſchinenmeiſter,
ja ſelbſt ihr kurioſes Franzöſiſch hatten etwas dämoniſch
Berückendes. Jetzt erſt war mir der momentane Wahn¬
ſinn des ſonſt ſo ehrbaren Herrn von Bülow verſtändlich.
Feſſelte mich doch ſelber ſchon dies tolle, verzogene, ſchöne
Kind unwiderſtehlich.

Als der Tanz zu Ende war, trat ich aus der Couliſſe
vor, ſie als Theater-Tante anzureden. Aber kaum hatte
ſie mich erblickt, ſo ſtürzte ſie mir jubelnd an den Hals
und rief: Enfin! ma bella Donna. Çe vous aime,
nous nous préçenterons çe çoir ensemble! moi çe
dançerais, vous parlerez, çe çera çarmant
…« und
weiter ſchwirrte es ſinnverwirrend in ihrem Idiom: »Ich
liebe die Schönheit und den Tanz. Ich will auch berühmt
werden, wie Sie — aber als Tänzerin. Ich tanze
leidenſchaftlich. Wir Beide ſind ſchön — ich wie der
Süden, Sie wie der Norden. Ich liebe Sie und Sie
müſſen mich wieder lieb haben. O! Sie ſollen mich
heute Abend nur erſt im Koſtüm ſehen …« und fort¬
hüpfend rief ſie mir noch mit ihrer hellen, klingenden,
fröhlichen Stimme, mit ihrem kindlichen Lächeln zu: »au
revoir, ma bella Donna — à çe çoir, à çe çoir!
«

Aber merkwürdiger Weiſe blieb das Publikum am
Abende bei der Attitüde der ſchönen Spanierin und bei
ihrem tollen Queckſilbertanze kühl. Keine Hand rührte
ſich, keine Blume flog. Wo waren denn nur die Ver¬
ehrer? Ich hatte doch ſchon am Nachmittage Kränze

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[453/0481] Auftreten, im Ausſprechen immer neuer toller Forderun¬ gen gegen den Balletmeiſter und den Maſchinenmeiſter, ja ſelbſt ihr kurioſes Franzöſiſch hatten etwas dämoniſch Berückendes. Jetzt erſt war mir der momentane Wahn¬ ſinn des ſonſt ſo ehrbaren Herrn von Bülow verſtändlich. Feſſelte mich doch ſelber ſchon dies tolle, verzogene, ſchöne Kind unwiderſtehlich. Als der Tanz zu Ende war, trat ich aus der Couliſſe vor, ſie als Theater-Tante anzureden. Aber kaum hatte ſie mich erblickt, ſo ſtürzte ſie mir jubelnd an den Hals und rief: Enfin! ma bella Donna. Çe vous aime, nous nous préçenterons çe çoir ensemble! moi çe dançerais, vous parlerez, çe çera çarmant …« und weiter ſchwirrte es ſinnverwirrend in ihrem Idiom: »Ich liebe die Schönheit und den Tanz. Ich will auch berühmt werden, wie Sie — aber als Tänzerin. Ich tanze leidenſchaftlich. Wir Beide ſind ſchön — ich wie der Süden, Sie wie der Norden. Ich liebe Sie und Sie müſſen mich wieder lieb haben. O! Sie ſollen mich heute Abend nur erſt im Koſtüm ſehen …« und fort¬ hüpfend rief ſie mir noch mit ihrer hellen, klingenden, fröhlichen Stimme, mit ihrem kindlichen Lächeln zu: »au revoir, ma bella Donna — à çe çoir, à çe çoir!« Aber merkwürdiger Weiſe blieb das Publikum am Abende bei der Attitüde der ſchönen Spanierin und bei ihrem tollen Queckſilbertanze kühl. Keine Hand rührte ſich, keine Blume flog. Wo waren denn nur die Ver¬ ehrer? Ich hatte doch ſchon am Nachmittage Kränze

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/481>, abgerufen am 22.11.2024.