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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Als ich aber das verdutzte, verlegene Gesicht unseres
Enthusiasten sah, mußte ich doch lachen. Und meine alte
Gutmüthigkeit überwog wieder. Ich reichte dem Besuch
die Hand und sagte: "Ich will versuchen, Lola's Theater-
Tante zu spielen. Ich will sie heute noch auf der Probe
ansprechen -- so recht ehrbar, würdevoll und tanten¬
haft ..."

Ich ging um 10 Uhr in die Probe des Lustspiels:
"Die Wasserkur". Aber ich kam noch viel zu früh.
Lola Montez war immer noch nicht fertig mit ihren
neuen Arrangements und Draperien und Attitüden.
Endlich fiel die Beleuchtung strahlend genug auf ihr
"lebendes Bild" und sie konnte zum spanischen National¬
tanze hervorchassiren. Ihr Tanzen war eigenthümlich.
Sie tanzte weder kunstvoll, noch elegant und graziös.
Ihre Pas kamen ruckweise, quecksilbern hervor, wie mit
Hemmschuhen. Aber ihre Sprünge waren kühn, über¬
raschend, feurig -- und sie sah wunderbar schön beim
Tanzen aus. Ich hatte Muße, sie von der Coulisse aus
anzuschauen. Ihre Gestalt war zu hager, um voll¬
kommen schön zu sein, aber ihr feiner, mädchenhafter
Kopf mit dem rabenschwarzen, glänzenden Haar, die
durchsichtige, zarte Blässe des jungen Gesichts mit den
regelmäßigen edlen Zügen, und vor Allem ihre Augen
-- ihre großen, tiefblauen, leuchtenden Augen und ihr
liebliches Lächeln waren berauschend schön. Und dies
wunderbare Gemisch von Kindlichkeit, Uebermuth, auf¬
blitzender Glut und ungebändigtem Trotz in ihrem ganzen

Als ich aber das verdutzte, verlegene Geſicht unſeres
Enthuſiaſten ſah, mußte ich doch lachen. Und meine alte
Gutmüthigkeit überwog wieder. Ich reichte dem Beſuch
die Hand und ſagte: »Ich will verſuchen, Lola's Theater-
Tante zu ſpielen. Ich will ſie heute noch auf der Probe
anſprechen — ſo recht ehrbar, würdevoll und tanten¬
haft …«

Ich ging um 10 Uhr in die Probe des Luſtſpiels:
»Die Waſſerkur«. Aber ich kam noch viel zu früh.
Lola Montez war immer noch nicht fertig mit ihren
neuen Arrangements und Draperien und Attitüden.
Endlich fiel die Beleuchtung ſtrahlend genug auf ihr
»lebendes Bild« und ſie konnte zum ſpaniſchen National¬
tanze hervorchaſſiren. Ihr Tanzen war eigenthümlich.
Sie tanzte weder kunſtvoll, noch elegant und graziös.
Ihre Pas kamen ruckweiſe, queckſilbern hervor, wie mit
Hemmſchuhen. Aber ihre Sprünge waren kühn, über¬
raſchend, feurig — und ſie ſah wunderbar ſchön beim
Tanzen aus. Ich hatte Muße, ſie von der Couliſſe aus
anzuſchauen. Ihre Geſtalt war zu hager, um voll¬
kommen ſchön zu ſein, aber ihr feiner, mädchenhafter
Kopf mit dem rabenſchwarzen, glänzenden Haar, die
durchſichtige, zarte Bläſſe des jungen Geſichts mit den
regelmäßigen edlen Zügen, und vor Allem ihre Augen
— ihre großen, tiefblauen, leuchtenden Augen und ihr
liebliches Lächeln waren berauſchend ſchön. Und dies
wunderbare Gemiſch von Kindlichkeit, Uebermuth, auf¬
blitzender Glut und ungebändigtem Trotz in ihrem ganzen

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[452/0480] Als ich aber das verdutzte, verlegene Geſicht unſeres Enthuſiaſten ſah, mußte ich doch lachen. Und meine alte Gutmüthigkeit überwog wieder. Ich reichte dem Beſuch die Hand und ſagte: »Ich will verſuchen, Lola's Theater- Tante zu ſpielen. Ich will ſie heute noch auf der Probe anſprechen — ſo recht ehrbar, würdevoll und tanten¬ haft …« Ich ging um 10 Uhr in die Probe des Luſtſpiels: »Die Waſſerkur«. Aber ich kam noch viel zu früh. Lola Montez war immer noch nicht fertig mit ihren neuen Arrangements und Draperien und Attitüden. Endlich fiel die Beleuchtung ſtrahlend genug auf ihr »lebendes Bild« und ſie konnte zum ſpaniſchen National¬ tanze hervorchaſſiren. Ihr Tanzen war eigenthümlich. Sie tanzte weder kunſtvoll, noch elegant und graziös. Ihre Pas kamen ruckweiſe, queckſilbern hervor, wie mit Hemmſchuhen. Aber ihre Sprünge waren kühn, über¬ raſchend, feurig — und ſie ſah wunderbar ſchön beim Tanzen aus. Ich hatte Muße, ſie von der Couliſſe aus anzuſchauen. Ihre Geſtalt war zu hager, um voll¬ kommen ſchön zu ſein, aber ihr feiner, mädchenhafter Kopf mit dem rabenſchwarzen, glänzenden Haar, die durchſichtige, zarte Bläſſe des jungen Geſichts mit den regelmäßigen edlen Zügen, und vor Allem ihre Augen — ihre großen, tiefblauen, leuchtenden Augen und ihr liebliches Lächeln waren berauſchend ſchön. Und dies wunderbare Gemiſch von Kindlichkeit, Uebermuth, auf¬ blitzender Glut und ungebändigtem Trotz in ihrem ganzen

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/480>, abgerufen am 25.11.2024.