Unter den klassischen Stücken wurde Kleist's "Prinz von Homburg" zu einer Mustervorstellung. Bei Emil Devrient vereinigte sich Alles: edle, idealschöne Erschei¬ nung, wundervolles Organ und tiefes, geistiges Auffassen, Durchdringen und Wiedergeben des wundersamen Cha¬ rakters, um aus der Titelrolle etwas Großes, Vollendetes zu schaffen. Ich habe keinen zweiten Prinzen von Hom¬ burg gesehen, der sich mit Emil Devrient vergleichen könnte. Wie verklärt erschien er mir in der Briefßene, als ich ihm gestand: "Du gefällst mir!" Und einen prächtigeren Kottwitz konnte man schwerlich finden, als unsern Werdy, diesen ehrwürdigen Veteranen mit dem schönen Apostelkopf, der herzenstiefen Stimme und der einfach-edlen Sprache nach Schröder's Schule!
Ich könnte noch lange fortplaudern von den lieben alten und in meinem Herzen so herrlich fortgrünenden Kunstzeiten und Kunstschöpfungen und den werthen, alten, großen Kunstgenossen ... Aber wer kennt, wer versteht, wer liebt sie heute noch? Sie sind verweht wie das alte Haus, und nur noch in der Erinnerung weniger alter Kunstfreunde leben sie -- leben wir fort. Verweht! ver¬ gessen! -- das ist ja Erdenlos!
Nur aus dem Zuschauerraume möchte ich noch eine Loge hervorheben -- die königliche! Wie that es uns Komödianten so wohl, wenn wir die Theilnahme sahen, mit der die königliche Familie fast allabendlich unseren Kunstbestrebungen folgte. Da waren zuerst der leutselige achtzigjährige König Anton und sein nicht viel jüngerer
Unter den klaſſiſchen Stücken wurde Kleiſt's »Prinz von Homburg« zu einer Muſtervorſtellung. Bei Emil Devrient vereinigte ſich Alles: edle, idealſchöne Erſchei¬ nung, wundervolles Organ und tiefes, geiſtiges Auffaſſen, Durchdringen und Wiedergeben des wunderſamen Cha¬ rakters, um aus der Titelrolle etwas Großes, Vollendetes zu ſchaffen. Ich habe keinen zweiten Prinzen von Hom¬ burg geſehen, der ſich mit Emil Devrient vergleichen könnte. Wie verklärt erſchien er mir in der Briefſzene, als ich ihm geſtand: »Du gefällſt mir!« Und einen prächtigeren Kottwitz konnte man ſchwerlich finden, als unſern Werdy, dieſen ehrwürdigen Veteranen mit dem ſchönen Apoſtelkopf, der herzenstiefen Stimme und der einfach-edlen Sprache nach Schröder's Schule!
Ich könnte noch lange fortplaudern von den lieben alten und in meinem Herzen ſo herrlich fortgrünenden Kunſtzeiten und Kunſtſchöpfungen und den werthen, alten, großen Kunſtgenoſſen … Aber wer kennt, wer verſteht, wer liebt ſie heute noch? Sie ſind verweht wie das alte Haus, und nur noch in der Erinnerung weniger alter Kunſtfreunde leben ſie — leben wir fort. Verweht! ver¬ geſſen! — das iſt ja Erdenlos!
Nur aus dem Zuſchauerraume möchte ich noch eine Loge hervorheben — die königliche! Wie that es uns Komödianten ſo wohl, wenn wir die Theilnahme ſahen, mit der die königliche Familie faſt allabendlich unſeren Kunſtbeſtrebungen folgte. Da waren zuerſt der leutſelige achtzigjährige König Anton und ſein nicht viel jüngerer
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Unter den klaſſiſchen Stücken wurde Kleiſt's »Prinz
von Homburg« zu einer Muſtervorſtellung. Bei Emil
Devrient vereinigte ſich Alles: edle, idealſchöne Erſchei¬
nung, wundervolles Organ und tiefes, geiſtiges Auffaſſen,
Durchdringen und Wiedergeben des wunderſamen Cha¬
rakters, um aus der Titelrolle etwas Großes, Vollendetes
zu ſchaffen. Ich habe keinen zweiten Prinzen von Hom¬
burg geſehen, der ſich mit Emil Devrient vergleichen
könnte. Wie verklärt erſchien er mir in der Briefſzene,
als ich ihm geſtand: »Du gefällſt mir!« Und einen
prächtigeren Kottwitz konnte man ſchwerlich finden, als
unſern Werdy, dieſen ehrwürdigen Veteranen mit dem
ſchönen Apoſtelkopf, der herzenstiefen Stimme und der
einfach-edlen Sprache nach Schröder's Schule!
Ich könnte noch lange fortplaudern von den lieben
alten und in meinem Herzen ſo herrlich fortgrünenden
Kunſtzeiten und Kunſtſchöpfungen und den werthen, alten,
großen Kunſtgenoſſen … Aber wer kennt, wer verſteht,
wer liebt ſie heute noch? Sie ſind verweht wie das alte
Haus, und nur noch in der Erinnerung weniger alter
Kunſtfreunde leben ſie — leben wir fort. Verweht! ver¬
geſſen! — das iſt ja Erdenlos!
Nur aus dem Zuſchauerraume möchte ich noch eine
Loge hervorheben — die königliche! Wie that es uns
Komödianten ſo wohl, wenn wir die Theilnahme ſahen,
mit der die königliche Familie faſt allabendlich unſeren
Kunſtbeſtrebungen folgte. Da waren zuerſt der leutſelige
achtzigjährige König Anton und ſein nicht viel jüngerer
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/464>, abgerufen am 25.11.2024.
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