Verständniß für solche Eitelkeitsschwächen und versuchte oft, aber fast immer vergebens, dem Vater die Sache im wahren Lichte zu zeigen. Sie hatte dann stets einen harten Stand mit der Gräfin Finkenstein, die völlig blind war für die Schwächen ihres Idols und nach solch' einer kleinen häuslichen Szene sich doppelt bemühte, ihren gekränkten Abgott mit ihren süßesten Schmeicheleien zu umspinnen und einzulullen ... Und das hat ihr das nie schwer gemacht!
Der Vergangenheit, wie sie sich im Laufe der Jahre in seinen Träumen und in seinem Urtheile gestaltet hatte, blieb Tieck unwandelbar treu, der Gegenwart selten. Sein Urtheil über Fleck und Friederike Bethmann lautete noch ebenso enthusiastisch, wie vor dreißig Jahren. Wir Künstler der Gegenwart aber sollten den Wankelmuth und die Parteilichkeit des alten Dresdener Dramaturgen erfahren -- Alle, denn ich wüßte nicht eine einzige Aus¬ nahme zu nennen.
Wurde ein Stück, welches er vorgeschlagen hatte, trotz des oft einstimmig ausgesprochenen Zweifels sämmt¬ licher ersten Schauspieler an dessen Bühnenwirksamkeit, aufgeführt und fiel entschieden durch -- so zuckte der Dramaturg stets mitleidig die Achsel: "Allerdings hab' ich mich geirrt, ich traute unsern Schauspielern mehr Talent zu ... Mein Fleck und meine Bethmann hätten in dem Stück glänzende Triumphe gefeiert und für die Dichtung erzielt ..."
Das that weh, das verstimmte, erkältete, entfrem¬
Verſtändniß für ſolche Eitelkeitsſchwächen und verſuchte oft, aber faſt immer vergebens, dem Vater die Sache im wahren Lichte zu zeigen. Sie hatte dann ſtets einen harten Stand mit der Gräfin Finkenſtein, die völlig blind war für die Schwächen ihres Idols und nach ſolch' einer kleinen häuslichen Szene ſich doppelt bemühte, ihren gekränkten Abgott mit ihren ſüßeſten Schmeicheleien zu umſpinnen und einzulullen … Und das hat ihr das nie ſchwer gemacht!
Der Vergangenheit, wie ſie ſich im Laufe der Jahre in ſeinen Träumen und in ſeinem Urtheile geſtaltet hatte, blieb Tieck unwandelbar treu, der Gegenwart ſelten. Sein Urtheil über Fleck und Friederike Bethmann lautete noch ebenſo enthuſiaſtiſch, wie vor dreißig Jahren. Wir Künſtler der Gegenwart aber ſollten den Wankelmuth und die Parteilichkeit des alten Dresdener Dramaturgen erfahren — Alle, denn ich wüßte nicht eine einzige Aus¬ nahme zu nennen.
Wurde ein Stück, welches er vorgeſchlagen hatte, trotz des oft einſtimmig ausgeſprochenen Zweifels ſämmt¬ licher erſten Schauſpieler an deſſen Bühnenwirkſamkeit, aufgeführt und fiel entſchieden durch — ſo zuckte der Dramaturg ſtets mitleidig die Achſel: »Allerdings hab' ich mich geirrt, ich traute unſern Schauſpielern mehr Talent zu … Mein Fleck und meine Bethmann hätten in dem Stück glänzende Triumphe gefeiert und für die Dichtung erzielt …«
Das that weh, das verſtimmte, erkältete, entfrem¬
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Verſtändniß für ſolche Eitelkeitsſchwächen und verſuchte
oft, aber faſt immer vergebens, dem Vater die Sache
im wahren Lichte zu zeigen. Sie hatte dann ſtets einen
harten Stand mit der Gräfin Finkenſtein, die völlig
blind war für die Schwächen ihres Idols und nach ſolch'
einer kleinen häuslichen Szene ſich doppelt bemühte, ihren
gekränkten Abgott mit ihren ſüßeſten Schmeicheleien zu
umſpinnen und einzulullen … Und das hat ihr
das nie ſchwer gemacht!
Der Vergangenheit, wie ſie ſich im Laufe der Jahre
in ſeinen Träumen und in ſeinem Urtheile geſtaltet hatte,
blieb Tieck unwandelbar treu, der Gegenwart ſelten.
Sein Urtheil über Fleck und Friederike Bethmann lautete
noch ebenſo enthuſiaſtiſch, wie vor dreißig Jahren. Wir
Künſtler der Gegenwart aber ſollten den Wankelmuth
und die Parteilichkeit des alten Dresdener Dramaturgen
erfahren — Alle, denn ich wüßte nicht eine einzige Aus¬
nahme zu nennen.
Wurde ein Stück, welches er vorgeſchlagen hatte,
trotz des oft einſtimmig ausgeſprochenen Zweifels ſämmt¬
licher erſten Schauſpieler an deſſen Bühnenwirkſamkeit,
aufgeführt und fiel entſchieden durch — ſo zuckte der
Dramaturg ſtets mitleidig die Achſel: »Allerdings hab'
ich mich geirrt, ich traute unſern Schauſpielern mehr
Talent zu … Mein Fleck und meine Bethmann hätten
in dem Stück glänzende Triumphe gefeiert und für die
Dichtung erzielt …«
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/440>, abgerufen am 22.11.2024.
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