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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Ich starrte Tieck an, als traute ich meinen Ohren nicht.
Mich hatte diese Schattengestalt in dem engen, altmo¬
dischen weißen Ueberrock, der kokette rosa Gürtel, dies
kleine vertrocknete Mumiengesicht zwischen den rosigen
Bändern förmlich entsetzt -- und er, der Dichter, fand
diese Karrikatur auf die Jugend "höchst anmuthig"
... und saß doch mir jungem, frischrosigen Geschöpf
gegenüber.

Und es war Tieck voller Ernst mit diesem Wort,
wie auch der Gräfin mit ihrem Flügelkleide. Diese
beiden seltsamen Menschen hatten wirklich nicht gemerkt,
daß sie alt und altmodisch geworden waren. Sie be¬
merkten auch nicht, daß -- als sie Abends neben ein¬
ander auf ihren gewohnten Plätzen im zweiten Range
saßen: die Gräfin, wie eine aufgeputzte Mumie, ihr
alter Freund zusammengekrümmt von der Gicht, und
in heiterster Laune mit einander plauderten und lachten
und oft mit den Köpfen den Takt der Musik nickten --
ja, daß sie allgemeine Aufmerksamkeit erregten, daß man
über das wunderliche Paar lachte und spöttelte.

Mir that das weh, denn diese Jugendtraumseligkeit
der alten Freunde hatte etwas Rührendes für mich.

Die Gräfin aber hatte auch ihre trüben Stunden
voll Heimweh nach entschwundenen Jugendtagen und
auch wohl voll Selbsterkenntniß über ihre eigenthümliche
schiefe Stellung neben des Dichters Gattin. Vor dem
Freunde verbarg sie diese dunklen Stunden sorgfältig.
Als ich aber einst in eine solche Stunde hineinlauschen

Ich ſtarrte Tieck an, als traute ich meinen Ohren nicht.
Mich hatte dieſe Schattengeſtalt in dem engen, altmo¬
diſchen weißen Ueberrock, der kokette roſa Gürtel, dies
kleine vertrocknete Mumiengeſicht zwiſchen den roſigen
Bändern förmlich entſetzt — und er, der Dichter, fand
dieſe Karrikatur auf die Jugend »höchſt anmuthig«
… und ſaß doch mir jungem, friſchroſigen Geſchöpf
gegenüber.

Und es war Tieck voller Ernſt mit dieſem Wort,
wie auch der Gräfin mit ihrem Flügelkleide. Dieſe
beiden ſeltſamen Menſchen hatten wirklich nicht gemerkt,
daß ſie alt und altmodiſch geworden waren. Sie be¬
merkten auch nicht, daß — als ſie Abends neben ein¬
ander auf ihren gewohnten Plätzen im zweiten Range
ſaßen: die Gräfin, wie eine aufgeputzte Mumie, ihr
alter Freund zuſammengekrümmt von der Gicht, und
in heiterſter Laune mit einander plauderten und lachten
und oft mit den Köpfen den Takt der Muſik nickten —
ja, daß ſie allgemeine Aufmerkſamkeit erregten, daß man
über das wunderliche Paar lachte und ſpöttelte.

Mir that das weh, denn dieſe Jugendtraumſeligkeit
der alten Freunde hatte etwas Rührendes für mich.

Die Gräfin aber hatte auch ihre trüben Stunden
voll Heimweh nach entſchwundenen Jugendtagen und
auch wohl voll Selbſterkenntniß über ihre eigenthümliche
ſchiefe Stellung neben des Dichters Gattin. Vor dem
Freunde verbarg ſie dieſe dunklen Stunden ſorgfältig.
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[408/0436] Ich ſtarrte Tieck an, als traute ich meinen Ohren nicht. Mich hatte dieſe Schattengeſtalt in dem engen, altmo¬ diſchen weißen Ueberrock, der kokette roſa Gürtel, dies kleine vertrocknete Mumiengeſicht zwiſchen den roſigen Bändern förmlich entſetzt — und er, der Dichter, fand dieſe Karrikatur auf die Jugend »höchſt anmuthig« … und ſaß doch mir jungem, friſchroſigen Geſchöpf gegenüber. Und es war Tieck voller Ernſt mit dieſem Wort, wie auch der Gräfin mit ihrem Flügelkleide. Dieſe beiden ſeltſamen Menſchen hatten wirklich nicht gemerkt, daß ſie alt und altmodiſch geworden waren. Sie be¬ merkten auch nicht, daß — als ſie Abends neben ein¬ ander auf ihren gewohnten Plätzen im zweiten Range ſaßen: die Gräfin, wie eine aufgeputzte Mumie, ihr alter Freund zuſammengekrümmt von der Gicht, und in heiterſter Laune mit einander plauderten und lachten und oft mit den Köpfen den Takt der Muſik nickten — ja, daß ſie allgemeine Aufmerkſamkeit erregten, daß man über das wunderliche Paar lachte und ſpöttelte. Mir that das weh, denn dieſe Jugendtraumſeligkeit der alten Freunde hatte etwas Rührendes für mich. Die Gräfin aber hatte auch ihre trüben Stunden voll Heimweh nach entſchwundenen Jugendtagen und auch wohl voll Selbſterkenntniß über ihre eigenthümliche ſchiefe Stellung neben des Dichters Gattin. Vor dem Freunde verbarg ſie dieſe dunklen Stunden ſorgfältig. Als ich aber einſt in eine ſolche Stunde hineinlauſchen

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/436>, abgerufen am 25.11.2024.