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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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gerissene große Loch im Hausbudget heimlich wieder
zuzustopfen.

Tieck verstand es überhaupt, wie kein anderer
Sterblicher, des Lebens Sorgen leicht abzuschütteln, alle
Schattenseiten rosig zu beleuchten, Schmerzliches möglichst
wenig tief zu empfinden und sich und Anderen einzureden:
"o, es hätte noch viel schlimmer kommen können! --
Was man nicht ändern kann, darüber muß man auch
nicht klagen!" war einer von den Lieblingssprüchen
seiner Lebensweisheit. So fürchte ich auch, hat er nie
ernstlich, schmerzlich über irgend ein Unrecht nachgedacht,
das er in seiner leicht reizbaren, gekränkten Eigenliebe
leider so oft Anderen zufügte, und sich nie reuevoll ge¬
sagt: "Du irrtest, du ließest dich fortreißen -- mache
es wieder gut!" -- Ich habe nie wieder einen Menschen
gefunden, der so aufrichtig mit sich zufrieden war,
und selbst in seinem gebrechlichen Alter behauptete: er
fühle sich so aufrichtig, so ungetrübt glücklich, wie in
seiner blühendsten Jugend. Altwerden sei überhaupt
ein Vorurtheil. Das Herz könne stets mit jugendlicher
Frische empfinden, und vor den Augen der wahren
Liebe gäbe es weder Runzeln noch graue Haare ...

Und ich sollte den Beweis erhalten, daß Tieck
und der Schatten seiner Gefühle, das Echo seiner Worte:
die Gräfin Finkenstein, in allem Ernst so dachten und
handelten.

Es war an einem herrlichen Mainachmittage. Tieck
wollte eine neue Rolle mit mir durchgehen, und ich ging

geriſſene große Loch im Hausbudget heimlich wieder
zuzuſtopfen.

Tieck verſtand es überhaupt, wie kein anderer
Sterblicher, des Lebens Sorgen leicht abzuſchütteln, alle
Schattenſeiten roſig zu beleuchten, Schmerzliches möglichſt
wenig tief zu empfinden und ſich und Anderen einzureden:
»o, es hätte noch viel ſchlimmer kommen können! —
Was man nicht ändern kann, darüber muß man auch
nicht klagen!« war einer von den Lieblingsſprüchen
ſeiner Lebensweisheit. So fürchte ich auch, hat er nie
ernſtlich, ſchmerzlich über irgend ein Unrecht nachgedacht,
das er in ſeiner leicht reizbaren, gekränkten Eigenliebe
leider ſo oft Anderen zufügte, und ſich nie reuevoll ge¬
ſagt: »Du irrteſt, du ließeſt dich fortreißen — mache
es wieder gut!« — Ich habe nie wieder einen Menſchen
gefunden, der ſo aufrichtig mit ſich zufrieden war,
und ſelbſt in ſeinem gebrechlichen Alter behauptete: er
fühle ſich ſo aufrichtig, ſo ungetrübt glücklich, wie in
ſeiner blühendſten Jugend. Altwerden ſei überhaupt
ein Vorurtheil. Das Herz könne ſtets mit jugendlicher
Friſche empfinden, und vor den Augen der wahren
Liebe gäbe es weder Runzeln noch graue Haare …

Und ich ſollte den Beweis erhalten, daß Tieck
und der Schatten ſeiner Gefühle, das Echo ſeiner Worte:
die Gräfin Finkenſtein, in allem Ernſt ſo dachten und
handelten.

Es war an einem herrlichen Mainachmittage. Tieck
wollte eine neue Rolle mit mir durchgehen, und ich ging

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[406/0434] geriſſene große Loch im Hausbudget heimlich wieder zuzuſtopfen. Tieck verſtand es überhaupt, wie kein anderer Sterblicher, des Lebens Sorgen leicht abzuſchütteln, alle Schattenſeiten roſig zu beleuchten, Schmerzliches möglichſt wenig tief zu empfinden und ſich und Anderen einzureden: »o, es hätte noch viel ſchlimmer kommen können! — Was man nicht ändern kann, darüber muß man auch nicht klagen!« war einer von den Lieblingsſprüchen ſeiner Lebensweisheit. So fürchte ich auch, hat er nie ernſtlich, ſchmerzlich über irgend ein Unrecht nachgedacht, das er in ſeiner leicht reizbaren, gekränkten Eigenliebe leider ſo oft Anderen zufügte, und ſich nie reuevoll ge¬ ſagt: »Du irrteſt, du ließeſt dich fortreißen — mache es wieder gut!« — Ich habe nie wieder einen Menſchen gefunden, der ſo aufrichtig mit ſich zufrieden war, und ſelbſt in ſeinem gebrechlichen Alter behauptete: er fühle ſich ſo aufrichtig, ſo ungetrübt glücklich, wie in ſeiner blühendſten Jugend. Altwerden ſei überhaupt ein Vorurtheil. Das Herz könne ſtets mit jugendlicher Friſche empfinden, und vor den Augen der wahren Liebe gäbe es weder Runzeln noch graue Haare … Und ich ſollte den Beweis erhalten, daß Tieck und der Schatten ſeiner Gefühle, das Echo ſeiner Worte: die Gräfin Finkenſtein, in allem Ernſt ſo dachten und handelten. Es war an einem herrlichen Mainachmittage. Tieck wollte eine neue Rolle mit mir durchgehen, und ich ging

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/434>, abgerufen am 25.11.2024.