durch den Tod entrissen werden, wie schon wenige Jahre früher der treue und geniale Freund Wackenroder.
Mit großer Erregung sprach Tieck stets von seinen literarischen und persönlichen Federkämpfen jener Tage mit dem Satyriker Falk, dem Kritiker Gottlieb Merkel, mit Soltau, der gleich ihm den Don Quixote übersetzte, und mit Iffland, der sich für eine bittere Kritik Bern¬ hardi's durch das in Berlin aufgeführte satyrische Lust¬ spiel des Schauspielers Beck: "Chamäleon" an der ganzen neuen Tieck'schen romantischen Schule rächte.
Ueber meinen vergötterten Schiller, den er damals auch in Jena kennen gelernt hatte, äußerte der alte Romantiker sich zu meinem Schmerz und Verdruß stets sehr vornehm ablehnend und herablassend, und nannte ihn wohl achselzuckend einen "spanischen Seneca" -- oder gar einen "guten Menschen".
Goethe konnte er nie die eigenthümliche Kritik über sein religiös-mystisches Trauerspiel "Genovefa" vergeben, als der Altmeister nach Tieck's Vorlesung desselben im Jenaischen Schloß nur seinem kleinen Wolfgang fein lächelnd die Locken aus der Stirne strich und sagte: "Nun, mein Söhnchen, was sagst Du zu all' den Farben, Blumen, Spiegeln und Zauberkünsten, von denen unser Freund uns vorgelesen hat? Ist das nicht recht wunder¬ bar? ..."
Ja, leider war Tieck nicht groß genug, seine Empfind¬ lichkeit gegen gekränkte Eitelkeit zu verbergen. Er zeigte dann nur zu gern die Schärfe seiner Zunge und Feder.
durch den Tod entriſſen werden, wie ſchon wenige Jahre früher der treue und geniale Freund Wackenroder.
Mit großer Erregung ſprach Tieck ſtets von ſeinen literariſchen und perſönlichen Federkämpfen jener Tage mit dem Satyriker Falk, dem Kritiker Gottlieb Merkel, mit Soltau, der gleich ihm den Don Quixote überſetzte, und mit Iffland, der ſich für eine bittere Kritik Bern¬ hardi's durch das in Berlin aufgeführte ſatyriſche Luſt¬ ſpiel des Schauſpielers Beck: »Chamäleon« an der ganzen neuen Tieck'ſchen romantiſchen Schule rächte.
Ueber meinen vergötterten Schiller, den er damals auch in Jena kennen gelernt hatte, äußerte der alte Romantiker ſich zu meinem Schmerz und Verdruß ſtets ſehr vornehm ablehnend und herablaſſend, und nannte ihn wohl achſelzuckend einen »ſpaniſchen Seneca« — oder gar einen »guten Menſchen«.
Goethe konnte er nie die eigenthümliche Kritik über ſein religiös-myſtiſches Trauerſpiel »Genovefa« vergeben, als der Altmeiſter nach Tieck's Vorleſung deſſelben im Jenaiſchen Schloß nur ſeinem kleinen Wolfgang fein lächelnd die Locken aus der Stirne ſtrich und ſagte: »Nun, mein Söhnchen, was ſagſt Du zu all' den Farben, Blumen, Spiegeln und Zauberkünſten, von denen unſer Freund uns vorgeleſen hat? Iſt das nicht recht wunder¬ bar? …«
Ja, leider war Tieck nicht groß genug, ſeine Empfind¬ lichkeit gegen gekränkte Eitelkeit zu verbergen. Er zeigte dann nur zu gern die Schärfe ſeiner Zunge und Feder.
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durch den Tod entriſſen werden, wie ſchon wenige Jahre
früher der treue und geniale Freund Wackenroder.
Mit großer Erregung ſprach Tieck ſtets von ſeinen
literariſchen und perſönlichen Federkämpfen jener Tage
mit dem Satyriker Falk, dem Kritiker Gottlieb Merkel,
mit Soltau, der gleich ihm den Don Quixote überſetzte,
und mit Iffland, der ſich für eine bittere Kritik Bern¬
hardi's durch das in Berlin aufgeführte ſatyriſche Luſt¬
ſpiel des Schauſpielers Beck: »Chamäleon« an der ganzen
neuen Tieck'ſchen romantiſchen Schule rächte.
Ueber meinen vergötterten Schiller, den er damals
auch in Jena kennen gelernt hatte, äußerte der alte
Romantiker ſich zu meinem Schmerz und Verdruß ſtets
ſehr vornehm ablehnend und herablaſſend, und nannte
ihn wohl achſelzuckend einen »ſpaniſchen Seneca« —
oder gar einen »guten Menſchen«.
Goethe konnte er nie die eigenthümliche Kritik über
ſein religiös-myſtiſches Trauerſpiel »Genovefa« vergeben,
als der Altmeiſter nach Tieck's Vorleſung deſſelben im
Jenaiſchen Schloß nur ſeinem kleinen Wolfgang fein
lächelnd die Locken aus der Stirne ſtrich und ſagte:
»Nun, mein Söhnchen, was ſagſt Du zu all' den Farben,
Blumen, Spiegeln und Zauberkünſten, von denen unſer
Freund uns vorgeleſen hat? Iſt das nicht recht wunder¬
bar? …«
Ja, leider war Tieck nicht groß genug, ſeine Empfind¬
lichkeit gegen gekränkte Eitelkeit zu verbergen. Er zeigte
dann nur zu gern die Schärfe ſeiner Zunge und Feder.
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/419>, abgerufen am 22.11.2024.
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