einst fuchswild, als ich ihm auf all' seine fragen immer nur wiederholen konnte, ich habe "die beiden merkwürdigen Tage aus Sigmund's Leben" keinem französischen Ori¬ ginale nachgebildet, sondern einfach meinem eigenen Hirn entspringen lassen -- bis der Alte mit den Worten fort¬ rannte: Junger Mann, für so eitel hätte ich Sie doch nicht gehalten -- -- und mir wollen Sie das weiß machen, mir, dem alten Nikolai? -- Er hat's mir auch nie geglaubt, der alte Nikolai, daß ich die wunderliche Historie allein zu Stande gebracht ..."
Ist's mir doch, als hörte ich noch heute Tieck's be¬ hagliches Lachen über diesen Jugendtriumph und über den alten Nikolai.
Oft las Tieck uns dann im engen traulichen Kreise auch seine reizenden Volksmärchen vor: Blaubart -- die Haimonskinder -- die Magelone -- der blonde Eckbert -- -- und wie wunderbar märchenhaft süß und zau¬ berisch und dann auch wieder wie erschütternd und grauenerregend verstand er sie zu lesen! Und gern knüpfte er an diese Jugendarbeiten (1797) die glücklichen Er¬ innerungen, wie ihm gerade diese Märchen die Freund¬ schaft August Wilhelm von Schlegel's erworben und so beide Dichter späterhin zur gemeinsamen Uebersetzung von Shakespeare's Werken verbunden hatten und auch die Freundesherzen von Novalis und Schelling ihm zu¬ führten. Diese Freunde zogen ihn im Herbst 1799 mit der jungen Frau und der kleinen Dorothea nach Jena, aber schon am Neujahrstage 1801 sollte ihm Novalis
einſt fuchswild, als ich ihm auf all' ſeine fragen immer nur wiederholen konnte, ich habe »die beiden merkwürdigen Tage aus Sigmund's Leben« keinem franzöſiſchen Ori¬ ginale nachgebildet, ſondern einfach meinem eigenen Hirn entſpringen laſſen — bis der Alte mit den Worten fort¬ rannte: Junger Mann, für ſo eitel hätte ich Sie doch nicht gehalten — — und mir wollen Sie das weiß machen, mir, dem alten Nikolai? — Er hat's mir auch nie geglaubt, der alte Nikolai, daß ich die wunderliche Hiſtorie allein zu Stande gebracht …«
Iſt's mir doch, als hörte ich noch heute Tieck's be¬ hagliches Lachen über dieſen Jugendtriumph und über den alten Nikolai.
Oft las Tieck uns dann im engen traulichen Kreiſe auch ſeine reizenden Volksmärchen vor: Blaubart — die Haimonskinder — die Magelone — der blonde Eckbert — — und wie wunderbar märchenhaft ſüß und zau¬ beriſch und dann auch wieder wie erſchütternd und grauenerregend verſtand er ſie zu leſen! Und gern knüpfte er an dieſe Jugendarbeiten (1797) die glücklichen Er¬ innerungen, wie ihm gerade dieſe Märchen die Freund¬ ſchaft Auguſt Wilhelm von Schlegel's erworben und ſo beide Dichter ſpäterhin zur gemeinſamen Ueberſetzung von Shakeſpeare's Werken verbunden hatten und auch die Freundesherzen von Novalis und Schelling ihm zu¬ führten. Dieſe Freunde zogen ihn im Herbſt 1799 mit der jungen Frau und der kleinen Dorothea nach Jena, aber ſchon am Neujahrstage 1801 ſollte ihm Novalis
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einſt fuchswild, als ich ihm auf all' ſeine fragen immer
nur wiederholen konnte, ich habe »die beiden merkwürdigen
Tage aus Sigmund's Leben« keinem franzöſiſchen Ori¬
ginale nachgebildet, ſondern einfach meinem eigenen Hirn
entſpringen laſſen — bis der Alte mit den Worten fort¬
rannte: Junger Mann, für ſo eitel hätte ich Sie doch
nicht gehalten — — und mir wollen Sie das weiß
machen, mir, dem alten Nikolai? — Er hat's mir auch
nie geglaubt, der alte Nikolai, daß ich die wunderliche
Hiſtorie allein zu Stande gebracht …«
Iſt's mir doch, als hörte ich noch heute Tieck's be¬
hagliches Lachen über dieſen Jugendtriumph und über
den alten Nikolai.
Oft las Tieck uns dann im engen traulichen Kreiſe
auch ſeine reizenden Volksmärchen vor: Blaubart — die
Haimonskinder — die Magelone — der blonde Eckbert
— — und wie wunderbar märchenhaft ſüß und zau¬
beriſch und dann auch wieder wie erſchütternd und
grauenerregend verſtand er ſie zu leſen! Und gern knüpfte
er an dieſe Jugendarbeiten (1797) die glücklichen Er¬
innerungen, wie ihm gerade dieſe Märchen die Freund¬
ſchaft Auguſt Wilhelm von Schlegel's erworben und ſo
beide Dichter ſpäterhin zur gemeinſamen Ueberſetzung
von Shakeſpeare's Werken verbunden hatten und auch
die Freundesherzen von Novalis und Schelling ihm zu¬
führten. Dieſe Freunde zogen ihn im Herbſt 1799 mit
der jungen Frau und der kleinen Dorothea nach Jena,
aber ſchon am Neujahrstage 1801 ſollte ihm Novalis
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/418>, abgerufen am 22.11.2024.
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