einen ganzen Sack voll lustiger Geschichten, Abenteuer und -- Windbeuteleien mitgebracht hatte. Tieck ging wie ein grollender Löwe umher, denn er kann es nicht gut vertragen: einen Andern, wenn auch nur vorübergehend in seiner Gegenwart die erste Geige spielen zu hören. Er hat sich und die liebe, weihrauchopfernde Welt hat ihn im Kreislauf der Jahre zu sehr daran gewöhnt: alle Solis gebühren "dem ersten Romantiker, Vorleser und Dramaturgen" seiner Zeit -- dem Herrn Hofrath Tieck!
"Aber an jenem Abende wurde sogar sein Grollen wenig beachtet. Besonders die junge, neugierige, lach¬ lustige, plauderhafte Welt fand zu großen Geschmack an den Geschichten des Italieners.
"Natürlich haben sie auch die Bekanntschaft der Herren Banditen gemacht, -- sonst hätte Ihrer Römer¬ fahrt ja Pfeffer und Salz gefehlt, mein Herr Maler!" rief eine übermüthige junge Schauspielerin.
"Ei sicher, Signora -- mehr als einmal, -- wie hätte ich es sonst wagen dürfen, vor Ihre schönen Augen zu treten? In Italien gewesen und den Herren Banditen nicht in die Hände gefallen zu sein, heißt im lieben Deutschland ja ebensoviel wie: in Rom den Papst nicht gesehen zu haben ..."
"Also, Signor Paolo?"
"Also -- es war in den Abruzzen. Ich war mutter¬ seelenallein mit meiner Malertasche schon zwei Tage lang in den wilden Bergen umhergeklettert, um Naturstudien zu machen und nebenbei, einen zerlumpten Hirtenknaben
einen ganzen Sack voll luſtiger Geſchichten, Abenteuer und — Windbeuteleien mitgebracht hatte. Tieck ging wie ein grollender Löwe umher, denn er kann es nicht gut vertragen: einen Andern, wenn auch nur vorübergehend in ſeiner Gegenwart die erſte Geige ſpielen zu hören. Er hat ſich und die liebe, weihrauchopfernde Welt hat ihn im Kreislauf der Jahre zu ſehr daran gewöhnt: alle Solis gebühren »dem erſten Romantiker, Vorleſer und Dramaturgen« ſeiner Zeit — dem Herrn Hofrath Tieck!
»Aber an jenem Abende wurde ſogar ſein Grollen wenig beachtet. Beſonders die junge, neugierige, lach¬ luſtige, plauderhafte Welt fand zu großen Geſchmack an den Geſchichten des Italieners.
»Natürlich haben ſie auch die Bekanntſchaft der Herren Banditen gemacht, — ſonſt hätte Ihrer Römer¬ fahrt ja Pfeffer und Salz gefehlt, mein Herr Maler!« rief eine übermüthige junge Schauſpielerin.
»Ei ſicher, Signora — mehr als einmal, — wie hätte ich es ſonſt wagen dürfen, vor Ihre ſchönen Augen zu treten? In Italien geweſen und den Herren Banditen nicht in die Hände gefallen zu ſein, heißt im lieben Deutſchland ja ebenſoviel wie: in Rom den Papſt nicht geſehen zu haben …«
»Alſo, Signor Paolo?«
»Alſo — es war in den Abruzzen. Ich war mutter¬ ſeelenallein mit meiner Malertaſche ſchon zwei Tage lang in den wilden Bergen umhergeklettert, um Naturſtudien zu machen und nebenbei, einen zerlumpten Hirtenknaben
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einen ganzen Sack voll luſtiger Geſchichten, Abenteuer
und — Windbeuteleien mitgebracht hatte. Tieck ging wie
ein grollender Löwe umher, denn er kann es nicht gut
vertragen: einen Andern, wenn auch nur vorübergehend
in ſeiner Gegenwart die erſte Geige ſpielen zu hören.
Er hat ſich und die liebe, weihrauchopfernde Welt hat
ihn im Kreislauf der Jahre zu ſehr daran gewöhnt: alle
Solis gebühren »dem erſten Romantiker, Vorleſer und
Dramaturgen« ſeiner Zeit — dem Herrn Hofrath Tieck!
»Aber an jenem Abende wurde ſogar ſein Grollen
wenig beachtet. Beſonders die junge, neugierige, lach¬
luſtige, plauderhafte Welt fand zu großen Geſchmack an
den Geſchichten des Italieners.
»Natürlich haben ſie auch die Bekanntſchaft der
Herren Banditen gemacht, — ſonſt hätte Ihrer Römer¬
fahrt ja Pfeffer und Salz gefehlt, mein Herr Maler!«
rief eine übermüthige junge Schauſpielerin.
»Ei ſicher, Signora — mehr als einmal, — wie
hätte ich es ſonſt wagen dürfen, vor Ihre ſchönen Augen
zu treten? In Italien geweſen und den Herren Banditen
nicht in die Hände gefallen zu ſein, heißt im lieben
Deutſchland ja ebenſoviel wie: in Rom den Papſt nicht
geſehen zu haben …«
»Alſo, Signor Paolo?«
»Alſo — es war in den Abruzzen. Ich war mutter¬
ſeelenallein mit meiner Malertaſche ſchon zwei Tage lang
in den wilden Bergen umhergeklettert, um Naturſtudien
zu machen und nebenbei, einen zerlumpten Hirtenknaben
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/390>, abgerufen am 23.11.2024.
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