Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Bretter trat. Sie stellte mich den Mitgliedern vor, bat
um Nachsicht für die Anfängerin, und Alle bewillkommten
mich freundlich. Es wurde mit einer gewissen Feierlichkeit
begonnen, -- wenigstens kam es mir so vor. Später
sollte ich die Ueberzeugung gewinnen, daß da, wo Achtung
und Pietät für die Kunst herrscht, die Proben stets mit
Ernst und größter Aufmerksamkeit abgehalten werden.
Die schwache Beleuchtung, der große dunkle Raum, die
feierliche Stille, die Angst, daß ich nun bald sprechen
müsse, raubte mir fast den Athem und das Herz klopfte
hörbar. Zum Glück konnte ich nach und nach etwas Fassung
erringen. Ich hatte erst im vierten Akt zu erscheinen.
Mit welchem Interesse beobachtete ich jetzt in der Nähe
das Spiel der von mir so oft schon bewunderten Künstler
-- wie benahmen sich Alle so würdig, einfach, edel!
Ich hätte laut rufen mögen: "Habt mich doch ein Bischen
lieb, ich gehöre ja nun auch zu Euch -- und ich will
mit Ernst und Fleiß an meine Aufgabe gehen!" Das
Zeichen zum vierten Akt ertönte, ich mußte sprechen ...
und die peinigende Angst war nach den ersten Worten
wie durch Zauber entschwunden! Immer vertrauter wurde
mir die Umgebung, ich sang auch das Lied ohne Bangen,
und am Schluß der Probe lobten, ermunterten mich
Alle. Mlle. Demmer schien zufrieden, ja -- gerührt
zu sein und hatte wenig zu tadeln. In erhöhter, glück¬
seliger Stimmung kam ich nach Hause und erzählte der
besorgten Mutter, wie Alles über Erwarten gegangen
sei. Die Hauptprobe andern Vormittags ging prächtig,

Bretter trat. Sie ſtellte mich den Mitgliedern vor, bat
um Nachſicht für die Anfängerin, und Alle bewillkommten
mich freundlich. Es wurde mit einer gewiſſen Feierlichkeit
begonnen, — wenigſtens kam es mir ſo vor. Später
ſollte ich die Ueberzeugung gewinnen, daß da, wo Achtung
und Pietät für die Kunſt herrſcht, die Proben ſtets mit
Ernſt und größter Aufmerkſamkeit abgehalten werden.
Die ſchwache Beleuchtung, der große dunkle Raum, die
feierliche Stille, die Angſt, daß ich nun bald ſprechen
müſſe, raubte mir faſt den Athem und das Herz klopfte
hörbar. Zum Glück konnte ich nach und nach etwas Faſſung
erringen. Ich hatte erſt im vierten Akt zu erſcheinen.
Mit welchem Intereſſe beobachtete ich jetzt in der Nähe
das Spiel der von mir ſo oft ſchon bewunderten Künſtler
— wie benahmen ſich Alle ſo würdig, einfach, edel!
Ich hätte laut rufen mögen: »Habt mich doch ein Bischen
lieb, ich gehöre ja nun auch zu Euch — und ich will
mit Ernſt und Fleiß an meine Aufgabe gehen!« Das
Zeichen zum vierten Akt ertönte, ich mußte ſprechen …
und die peinigende Angſt war nach den erſten Worten
wie durch Zauber entſchwunden! Immer vertrauter wurde
mir die Umgebung, ich ſang auch das Lied ohne Bangen,
und am Schluß der Probe lobten, ermunterten mich
Alle. Mlle. Demmer ſchien zufrieden, ja — gerührt
zu ſein und hatte wenig zu tadeln. In erhöhter, glück¬
ſeliger Stimmung kam ich nach Hauſe und erzählte der
beſorgten Mutter, wie Alles über Erwarten gegangen
ſei. Die Hauptprobe andern Vormittags ging prächtig,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0039" n="11"/>
Bretter trat. Sie &#x017F;tellte mich den Mitgliedern vor, bat<lb/>
um Nach&#x017F;icht für die Anfängerin, und Alle bewillkommten<lb/>
mich freundlich. Es wurde mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Feierlichkeit<lb/>
begonnen, &#x2014; wenig&#x017F;tens kam es mir &#x017F;o vor. Später<lb/>
&#x017F;ollte ich die Ueberzeugung gewinnen, daß da, wo Achtung<lb/>
und Pietät für die Kun&#x017F;t herr&#x017F;cht, die Proben &#x017F;tets mit<lb/>
Ern&#x017F;t und größter Aufmerk&#x017F;amkeit abgehalten werden.<lb/>
Die &#x017F;chwache Beleuchtung, der große dunkle Raum, die<lb/>
feierliche Stille, die Ang&#x017F;t, daß ich nun bald &#x017F;prechen<lb/>&#x017F;&#x017F;e, raubte mir fa&#x017F;t den Athem und das Herz klopfte<lb/>
hörbar. Zum Glück konnte ich nach und nach etwas Fa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
erringen. Ich hatte er&#x017F;t im vierten Akt zu er&#x017F;cheinen.<lb/>
Mit welchem Intere&#x017F;&#x017F;e beobachtete ich jetzt in der Nähe<lb/>
das Spiel der von mir &#x017F;o oft &#x017F;chon bewunderten Kün&#x017F;tler<lb/>
&#x2014; wie benahmen &#x017F;ich Alle &#x017F;o würdig, einfach, edel!<lb/>
Ich hätte laut rufen mögen: »Habt mich doch ein Bischen<lb/>
lieb, ich gehöre ja nun auch zu Euch &#x2014; und ich will<lb/>
mit Ern&#x017F;t und Fleiß an meine Aufgabe gehen!« Das<lb/>
Zeichen zum vierten Akt ertönte, ich mußte &#x017F;prechen &#x2026;<lb/>
und die peinigende Ang&#x017F;t war nach den er&#x017F;ten Worten<lb/>
wie durch Zauber ent&#x017F;chwunden! Immer vertrauter wurde<lb/>
mir die Umgebung, ich &#x017F;ang auch das Lied ohne Bangen,<lb/>
und am Schluß der Probe lobten, ermunterten mich<lb/>
Alle. Mlle. Demmer &#x017F;chien zufrieden, ja &#x2014; gerührt<lb/>
zu &#x017F;ein und hatte wenig zu tadeln. In erhöhter, glück¬<lb/>
&#x017F;eliger Stimmung kam ich nach Hau&#x017F;e und erzählte der<lb/>
be&#x017F;orgten Mutter, wie Alles über Erwarten gegangen<lb/>
&#x017F;ei. Die Hauptprobe andern Vormittags ging prächtig,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0039] Bretter trat. Sie ſtellte mich den Mitgliedern vor, bat um Nachſicht für die Anfängerin, und Alle bewillkommten mich freundlich. Es wurde mit einer gewiſſen Feierlichkeit begonnen, — wenigſtens kam es mir ſo vor. Später ſollte ich die Ueberzeugung gewinnen, daß da, wo Achtung und Pietät für die Kunſt herrſcht, die Proben ſtets mit Ernſt und größter Aufmerkſamkeit abgehalten werden. Die ſchwache Beleuchtung, der große dunkle Raum, die feierliche Stille, die Angſt, daß ich nun bald ſprechen müſſe, raubte mir faſt den Athem und das Herz klopfte hörbar. Zum Glück konnte ich nach und nach etwas Faſſung erringen. Ich hatte erſt im vierten Akt zu erſcheinen. Mit welchem Intereſſe beobachtete ich jetzt in der Nähe das Spiel der von mir ſo oft ſchon bewunderten Künſtler — wie benahmen ſich Alle ſo würdig, einfach, edel! Ich hätte laut rufen mögen: »Habt mich doch ein Bischen lieb, ich gehöre ja nun auch zu Euch — und ich will mit Ernſt und Fleiß an meine Aufgabe gehen!« Das Zeichen zum vierten Akt ertönte, ich mußte ſprechen … und die peinigende Angſt war nach den erſten Worten wie durch Zauber entſchwunden! Immer vertrauter wurde mir die Umgebung, ich ſang auch das Lied ohne Bangen, und am Schluß der Probe lobten, ermunterten mich Alle. Mlle. Demmer ſchien zufrieden, ja — gerührt zu ſein und hatte wenig zu tadeln. In erhöhter, glück¬ ſeliger Stimmung kam ich nach Hauſe und erzählte der beſorgten Mutter, wie Alles über Erwarten gegangen ſei. Die Hauptprobe andern Vormittags ging prächtig,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/39
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/39>, abgerufen am 24.11.2024.