wesende der Reihe nach herausfordernd anzusehen, als wollte er fragen: "Habt Ihr gehört und versteht Ihr auch zu würdigen, wie bewundernswürdig ich lese?" Und dabei sein Gesicht mit den starren, runden, glanz¬ losen Augen -- wie ein Wachskopf mit weit offenen Glasaugen im Schaufenster eines Friseurs!
Baron Uechtritz las seinen Darius mit großem Ge¬ fühl und Ausdruck. Seine angenehme Stimme würde ihn auch wirksam unterstützt haben, wenn er nicht die leidige Angewohnheit gehabt hätte, jeden Satz mit hoher Stimme anzufangen und nach und nach immer tiefer hinabzusteigen ... bei langen Perioden zuletzt so tief hinab -- wo's, nach Schiller, anfängt fürchterlich zu werden. So schloß er selten ohne jenes an Sommer¬ abenden aus der Ferne recht anheimelnd zu uns herüber¬ tönende Quoax, Quoax, das Schönwetter verkünden soll. Zum Unglück fielen mir bei diesem Gequacke auch noch die Frösche des Aristophanes ein -- und Wieland's Ab¬ deriten.
Der gute Teichmann schien sich bei dem Liebes¬ flüstern der zärtlichen Statira förmlich auflösen zu wol¬ len -- "in Wehmuth und in Lust" zerfließend! Seine großen, wässerigen Augen schauten perpetuirlich zur buntbemalten Zimmerdecke hinauf, als bekäme er von dort seine Inspiration und sein Liebesfeuer. In seiner Verzückung kniff er heute noch mehr, als sonst, die Zähne auf die Unterlippe, dabei nach allen Seiten reich¬ lich begeisterungzischenden Schaum sprühend!
weſende der Reihe nach herausfordernd anzuſehen, als wollte er fragen: »Habt Ihr gehört und verſteht Ihr auch zu würdigen, wie bewundernswürdig ich leſe?« Und dabei ſein Geſicht mit den ſtarren, runden, glanz¬ loſen Augen — wie ein Wachskopf mit weit offenen Glasaugen im Schaufenſter eines Friſeurs!
Baron Uechtritz las ſeinen Darius mit großem Ge¬ fühl und Ausdruck. Seine angenehme Stimme würde ihn auch wirkſam unterſtützt haben, wenn er nicht die leidige Angewohnheit gehabt hätte, jeden Satz mit hoher Stimme anzufangen und nach und nach immer tiefer hinabzuſteigen … bei langen Perioden zuletzt ſo tief hinab — wo's, nach Schiller, anfängt fürchterlich zu werden. So ſchloß er ſelten ohne jenes an Sommer¬ abenden aus der Ferne recht anheimelnd zu uns herüber¬ tönende Quoax, Quoax, das Schönwetter verkünden ſoll. Zum Unglück fielen mir bei dieſem Gequacke auch noch die Fröſche des Ariſtophanes ein — und Wieland's Ab¬ deriten.
Der gute Teichmann ſchien ſich bei dem Liebes¬ flüſtern der zärtlichen Statira förmlich auflöſen zu wol¬ len — »in Wehmuth und in Luſt« zerfließend! Seine großen, wäſſerigen Augen ſchauten perpetuirlich zur buntbemalten Zimmerdecke hinauf, als bekäme er von dort ſeine Inſpiration und ſein Liebesfeuer. In ſeiner Verzückung kniff er heute noch mehr, als ſonſt, die Zähne auf die Unterlippe, dabei nach allen Seiten reich¬ lich begeiſterungziſchenden Schaum ſprühend!
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weſende der Reihe nach herausfordernd anzuſehen, als
wollte er fragen: »Habt Ihr gehört und verſteht Ihr
auch zu würdigen, wie bewundernswürdig ich leſe?«
Und dabei ſein Geſicht mit den ſtarren, runden, glanz¬
loſen Augen — wie ein Wachskopf mit weit offenen
Glasaugen im Schaufenſter eines Friſeurs!
Baron Uechtritz las ſeinen Darius mit großem Ge¬
fühl und Ausdruck. Seine angenehme Stimme würde
ihn auch wirkſam unterſtützt haben, wenn er nicht die
leidige Angewohnheit gehabt hätte, jeden Satz mit hoher
Stimme anzufangen und nach und nach immer tiefer
hinabzuſteigen … bei langen Perioden zuletzt ſo tief
hinab — wo's, nach Schiller, anfängt fürchterlich zu
werden. So ſchloß er ſelten ohne jenes an Sommer¬
abenden aus der Ferne recht anheimelnd zu uns herüber¬
tönende Quoax, Quoax, das Schönwetter verkünden ſoll.
Zum Unglück fielen mir bei dieſem Gequacke auch noch
die Fröſche des Ariſtophanes ein — und Wieland's Ab¬
deriten.
Der gute Teichmann ſchien ſich bei dem Liebes¬
flüſtern der zärtlichen Statira förmlich auflöſen zu wol¬
len — »in Wehmuth und in Luſt« zerfließend! Seine
großen, wäſſerigen Augen ſchauten perpetuirlich zur
buntbemalten Zimmerdecke hinauf, als bekäme er von
dort ſeine Inſpiration und ſein Liebesfeuer. In ſeiner
Verzückung kniff er heute noch mehr, als ſonſt, die
Zähne auf die Unterlippe, dabei nach allen Seiten reich¬
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/378>, abgerufen am 22.11.2024.
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