-- und während sich Leonore über den Theuren neigt, seine Hand erfaßt und flüstert:
"Leb' wohl, mein Freund, auf wenig flücht'ge Stunden!"
rollt der Vorhang langsam nieder -- die herrliche Gruppe den Blicken entziehend.
Ich wünschte wohl, ein Maler hätte dies Schlu߬ bild verewigt: Italienische Landschaft, im Hintergrund der imposante Herzog Antonio, und ein Mönch im weißen Ordenskleide, in dem der alte Werdy ehrwürdig-pracht¬ voll aussah. Im Vordergrunde der todte Tasso, mit dem Lorber geschmückt, den Leonore von seiner auf dem Kapitol bekränzten Büste genommen hat. Die schöne Prin¬ zessin, in fürstlichem Glanze prangend, mit Julie Rettich's südlichen, ausdrucksvollen Zügen -- über Emil Devrient's blasses, edles Antlitz sich beugend ... Mir wird dies Bild unvergeßlich sein.
... Von dieser herrlichen Künstlergruppe leben heute nur noch Tasso-Devrient, der aber auch schon der Bühne Lebewohl gesagt hat, -- und Antonio-Porth, der noch bis vor Kurzem mit jugendlicher Kraft und echtem Kunst¬ feuer die Dresdener von der Bühne herab durch sein maßvolles, durchdachtes Spiel entzückte und sich jetzt eines frohen Lebendsabends in wohlverdienter Ruhe erfreut. Der Herzog, Herr Weimar, ein gewissenhafter, sehr be¬ liebter Mime, starb im schönsten Mannesalter.
Leonore -- Julie Rettich, diese wahre Priesterin der Kunst, mußte im Zenith ihres Ruhmes und nach
— und während ſich Leonore über den Theuren neigt, ſeine Hand erfaßt und flüſtert:
»Leb' wohl, mein Freund, auf wenig flücht'ge Stunden!«
rollt der Vorhang langſam nieder — die herrliche Gruppe den Blicken entziehend.
Ich wünſchte wohl, ein Maler hätte dies Schlu߬ bild verewigt: Italieniſche Landſchaft, im Hintergrund der impoſante Herzog Antonio, und ein Mönch im weißen Ordenskleide, in dem der alte Werdy ehrwürdig-pracht¬ voll ausſah. Im Vordergrunde der todte Taſſo, mit dem Lorber geſchmückt, den Leonore von ſeiner auf dem Kapitol bekränzten Büſte genommen hat. Die ſchöne Prin¬ zeſſin, in fürſtlichem Glanze prangend, mit Julie Rettich's ſüdlichen, ausdrucksvollen Zügen — über Emil Devrient's blaſſes, edles Antlitz ſich beugend … Mir wird dies Bild unvergeßlich ſein.
… Von dieſer herrlichen Künſtlergruppe leben heute nur noch Taſſo-Devrient, der aber auch ſchon der Bühne Lebewohl geſagt hat, — und Antonio-Porth, der noch bis vor Kurzem mit jugendlicher Kraft und echtem Kunſt¬ feuer die Dresdener von der Bühne herab durch ſein maßvolles, durchdachtes Spiel entzückte und ſich jetzt eines frohen Lebendsabends in wohlverdienter Ruhe erfreut. Der Herzog, Herr Weimar, ein gewiſſenhafter, ſehr be¬ liebter Mime, ſtarb im ſchönſten Mannesalter.
Leonore — Julie Rettich, dieſe wahre Prieſterin der Kunſt, mußte im Zenith ihres Ruhmes und nach
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— und während ſich Leonore über den Theuren neigt,
ſeine Hand erfaßt und flüſtert:
»Leb' wohl, mein Freund, auf wenig flücht'ge Stunden!«
rollt der Vorhang langſam nieder — die herrliche Gruppe
den Blicken entziehend.
Ich wünſchte wohl, ein Maler hätte dies Schlu߬
bild verewigt: Italieniſche Landſchaft, im Hintergrund
der impoſante Herzog Antonio, und ein Mönch im weißen
Ordenskleide, in dem der alte Werdy ehrwürdig-pracht¬
voll ausſah. Im Vordergrunde der todte Taſſo, mit
dem Lorber geſchmückt, den Leonore von ſeiner auf dem
Kapitol bekränzten Büſte genommen hat. Die ſchöne Prin¬
zeſſin, in fürſtlichem Glanze prangend, mit Julie Rettich's
ſüdlichen, ausdrucksvollen Zügen — über Emil Devrient's
blaſſes, edles Antlitz ſich beugend … Mir wird dies
Bild unvergeßlich ſein.
… Von dieſer herrlichen Künſtlergruppe leben heute
nur noch Taſſo-Devrient, der aber auch ſchon der Bühne
Lebewohl geſagt hat, — und Antonio-Porth, der noch
bis vor Kurzem mit jugendlicher Kraft und echtem Kunſt¬
feuer die Dresdener von der Bühne herab durch ſein
maßvolles, durchdachtes Spiel entzückte und ſich jetzt
eines frohen Lebendsabends in wohlverdienter Ruhe erfreut.
Der Herzog, Herr Weimar, ein gewiſſenhafter, ſehr be¬
liebter Mime, ſtarb im ſchönſten Mannesalter.
Leonore — Julie Rettich, dieſe wahre Prieſterin
der Kunſt, mußte im Zenith ihres Ruhmes und nach
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/363>, abgerufen am 22.11.2024.
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