ein. Aber im Grunde war mir gar nicht lustig zu Muth -- und am Schluß, als Emmerling, der Tante Kostüm am Boden liegen sehend, sagt: "Gottlob, da liegt die Tante!" -- da erfaßte mich ein förmlicher Ingrimm gegen das einst so geliebte Gelbbraun-Ge¬ streifte, und auch die arme Haube hat's leider erfahren, als ich sie in den Karton warf.
Als ich dann nach einigen Abenden mit vor Erwar¬ tung gerötheten Wangen und klopfendem Herzen im Parterre saß, um Karoline Müller als "gefährliche Tante" zu sehen -- als dann das "Zuckerpupp'n" wirklich entzückend schön im purpursammtnen Hermelinüberwurf und Federbarett -- und später im weißen Atlaskleide mit Halbschleppe, reich mit Spitzen garnirt, und in reizender Spitzenhaube a la Maintenon und koketten Löckchen von schier überschnappendem Jubel des Hauses empfangen wurde ... da sagte ich zu mir: "Sie hat Recht, erst schön -- dann wahr! ... Aber ich werde doch bei meinem Künstlermotto bleiben: Erst wahr -- dann schön!" Und ich hab's nach Kräften gehalten und es auch nie bereut.
"Vergoldung vergeht -- Schweinsleder besteht!"
-- sagt der Zinnsoldat in Andersen's Märchen.
Von dem Burgtheaterfieber genesen, kehrte ich fröh¬ lich nach meinem lieben Dresden zurück, jetzt erst recht zu
ein. Aber im Grunde war mir gar nicht luſtig zu Muth — und am Schluß, als Emmerling, der Tante Koſtüm am Boden liegen ſehend, ſagt: »Gottlob, da liegt die Tante!« — da erfaßte mich ein förmlicher Ingrimm gegen das einſt ſo geliebte Gelbbraun-Ge¬ ſtreifte, und auch die arme Haube hat's leider erfahren, als ich ſie in den Karton warf.
Als ich dann nach einigen Abenden mit vor Erwar¬ tung gerötheten Wangen und klopfendem Herzen im Parterre ſaß, um Karoline Müller als »gefährliche Tante« zu ſehen — als dann das »Zuckerpupp'n« wirklich entzückend ſchön im purpurſammtnen Hermelinüberwurf und Federbarett — und ſpäter im weißen Atlaskleide mit Halbſchleppe, reich mit Spitzen garnirt, und in reizender Spitzenhaube à la Maintenon und koketten Löckchen von ſchier überſchnappendem Jubel des Hauſes empfangen wurde … da ſagte ich zu mir: »Sie hat Recht, erſt ſchön — dann wahr! … Aber ich werde doch bei meinem Künſtlermotto bleiben: Erſt wahr — dann ſchön!« Und ich hab's nach Kräften gehalten und es auch nie bereut.
»Vergoldung vergeht — Schweinsleder beſteht!«
— ſagt der Zinnſoldat in Anderſen’s Märchen.
Von dem Burgtheaterfieber geneſen, kehrte ich fröh¬ lich nach meinem lieben Dresden zurück, jetzt erſt recht zu
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ein. Aber im Grunde war mir gar nicht luſtig zu
Muth — und am Schluß, als Emmerling, der Tante
Koſtüm am Boden liegen ſehend, ſagt: »Gottlob, da
liegt die Tante!« — da erfaßte mich ein förmlicher
Ingrimm gegen das einſt ſo geliebte Gelbbraun-Ge¬
ſtreifte, und auch die arme Haube hat's leider erfahren,
als ich ſie in den Karton warf.
Als ich dann nach einigen Abenden mit vor Erwar¬
tung gerötheten Wangen und klopfendem Herzen im
Parterre ſaß, um Karoline Müller als »gefährliche
Tante« zu ſehen — als dann das »Zuckerpupp'n« wirklich
entzückend ſchön im purpurſammtnen Hermelinüberwurf
und Federbarett — und ſpäter im weißen Atlaskleide
mit Halbſchleppe, reich mit Spitzen garnirt, und in
reizender Spitzenhaube à la Maintenon und koketten
Löckchen von ſchier überſchnappendem Jubel des Hauſes
empfangen wurde … da ſagte ich zu mir: »Sie hat
Recht, erſt ſchön — dann wahr! … Aber ich werde
doch bei meinem Künſtlermotto bleiben:
Erſt wahr — dann ſchön!«
Und ich hab's nach Kräften gehalten und es auch nie
bereut.
»Vergoldung vergeht — Schweinsleder beſteht!«
— ſagt der Zinnſoldat in Anderſen’s Märchen.
Von dem Burgtheaterfieber geneſen, kehrte ich fröh¬
lich nach meinem lieben Dresden zurück, jetzt erſt recht zu
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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