Doch der Kaiser hatte auf alle Bitten und Vor¬ stellungen nur die eine Antwort: "Machen's was Sie wollen -- aber mei Fasserl laß i nit aufschlag'n!"
Der gute Franz hatte überhaupt seine eigene Art, sich aus der Affaire zu ziehen. Als der kleine Herzog von Reichstadt - der unglückliche König von Rom, der Sohn Napoleon's und Marie Louisens von Oestreich, der nun auch schon seit zwei Jahren in der kaiserlichen Gruft bei den Kapuzinern in Wien von seinen Königs¬ träumen und Erdenschmerzen ausruhte -- als Knabe seinen Großvater einst fragte: "Warum hast Du denn meinen lieben Papa auf die häßliche Felseninsel geschickt, daß ich ihn gar nicht sehen kann?" -- da antwortete ihm Kaiser Franz sehr ruhig: "Weil dein Papa nit gut 'than hat -- und wenn Du nit gut thust, kommst auch nach St. Helena!"
Als aber der Knabe ihn mit seinen großen, schönen, traurigen Augen ansah und ernsthaft sagte: "Gro߬ papa, sag' mir, wie ich's mach', ich will auch nit gut thun -- daß ich zu meinem Papa komme, der hat mich doch viel lieber gehabt, als ihr Alle ..." Da ging dem guten Franz doch die Weisheit aus -- und er sagte ehrlich: "Da frag' Dei Mutter, die weiß das, wie's g'macht wird -- die will halt auch nit gut thun!"
Ich schrieb damals von Baden aus an meinen Bruder:
"Der Thronerbe (der spätere Kaiser Ferdinand I.) ist unschön. Seine kleine plumpe Gestalt mit dem großen
Doch der Kaiſer hatte auf alle Bitten und Vor¬ ſtellungen nur die eine Antwort: »Machen's was Sie wollen — aber mei Faſſerl laß i nit aufſchlag'n!«
Der gute Franz hatte überhaupt ſeine eigene Art, ſich aus der Affaire zu ziehen. Als der kleine Herzog von Reichſtadt – der unglückliche König von Rom, der Sohn Napoleon's und Marie Louiſens von Oeſtreich, der nun auch ſchon ſeit zwei Jahren in der kaiſerlichen Gruft bei den Kapuzinern in Wien von ſeinen Königs¬ träumen und Erdenſchmerzen ausruhte — als Knabe ſeinen Großvater einſt fragte: »Warum haſt Du denn meinen lieben Papa auf die häßliche Felſeninſel geſchickt, daß ich ihn gar nicht ſehen kann?« — da antwortete ihm Kaiſer Franz ſehr ruhig: »Weil dein Papa nit gut 'than hat — und wenn Du nit gut thuſt, kommſt auch nach St. Helena!«
Als aber der Knabe ihn mit ſeinen großen, ſchönen, traurigen Augen anſah und ernſthaft ſagte: »Gro߬ papa, ſag' mir, wie ich's mach', ich will auch nit gut thun — daß ich zu meinem Papa komme, der hat mich doch viel lieber gehabt, als ihr Alle …« Da ging dem guten Franz doch die Weisheit aus — und er ſagte ehrlich: »Da frag' Dei Mutter, die weiß das, wie's g'macht wird — die will halt auch nit gut thun!«
Ich ſchrieb damals von Baden aus an meinen Bruder:
»Der Thronerbe (der ſpätere Kaiſer Ferdinand I.) iſt unſchön. Seine kleine plumpe Geſtalt mit dem großen
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Doch der Kaiſer hatte auf alle Bitten und Vor¬
ſtellungen nur die eine Antwort: »Machen's was Sie
wollen — aber mei Faſſerl laß i nit aufſchlag'n!«
Der gute Franz hatte überhaupt ſeine eigene Art,
ſich aus der Affaire zu ziehen. Als der kleine Herzog
von Reichſtadt – der unglückliche König von Rom, der
Sohn Napoleon's und Marie Louiſens von Oeſtreich,
der nun auch ſchon ſeit zwei Jahren in der kaiſerlichen
Gruft bei den Kapuzinern in Wien von ſeinen Königs¬
träumen und Erdenſchmerzen ausruhte — als Knabe
ſeinen Großvater einſt fragte: »Warum haſt Du denn
meinen lieben Papa auf die häßliche Felſeninſel geſchickt,
daß ich ihn gar nicht ſehen kann?« — da antwortete
ihm Kaiſer Franz ſehr ruhig: »Weil dein Papa nit gut
'than hat — und wenn Du nit gut thuſt, kommſt auch
nach St. Helena!«
Als aber der Knabe ihn mit ſeinen großen, ſchönen,
traurigen Augen anſah und ernſthaft ſagte: »Gro߬
papa, ſag' mir, wie ich's mach', ich will auch nit gut
thun — daß ich zu meinem Papa komme, der hat mich
doch viel lieber gehabt, als ihr Alle …« Da ging dem
guten Franz doch die Weisheit aus — und er ſagte
ehrlich: »Da frag' Dei Mutter, die weiß das, wie's
g'macht wird — die will halt auch nit gut thun!«
Ich ſchrieb damals von Baden aus an meinen
Bruder:
»Der Thronerbe (der ſpätere Kaiſer Ferdinand I.)
iſt unſchön. Seine kleine plumpe Geſtalt mit dem großen
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/323>, abgerufen am 22.11.2024.
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