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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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schönen Tags den verdienstvollen, aber ziemlich kurz an¬
gebundenen Direktor Schreyvogel sans facons in Un¬
gnaden "fortgejagt" und den Verfasser von "Hans Sachs"
und "Garrick in Bristol" zu dessen Nachfolger ernannt
hatte, sprach er ziemlich ungenirt -- ja unvorsichtig,
und schob alle Verwaltungs- und Direktionssünden des
Burgtheaters dem Herrn Grafen lachend in die Oberst¬
kämmererschuhe. Ich weiß nicht, ob es Deinhardstein's
Ernst war, daß er selber die stiefmütterliche Behandlung
des Trauerspiels mir gegenüber bedauerte, oder ob er
glaubte, sich mir -- die ich mit Begeisterung von der
klassischen Berliner Zeit sprach -- dadurch im günstigsten
Lichte zu zeigen.

Den Intendanten mußte ich in Schönbrunn auf¬
suchen. Wie war ich enttäuscht von dieser berühmten --
jetzt so öden, traurigen, vernachlässigten kaiserlichen
Sommerresidenz -- -- und der Graf Czernin erschreckte
mich förmlich beim ersten Anblick. Ich hatte an einen
stattlichen, liebenswürdigen und geistvollen Grafen Brühl
gedacht, der mir von Berlin her unvergeßlich als Inten¬
dant war -- -- und fand ein uraltes, vertrocknetes
Männchen mit tausend Runzeln in dem winzigen Gesicht¬
chen, erloschenen, fast blöden Augen -- und geschminkt
und geputzt wie ein französischer Marquis des ancien
regime
. Damit harmonirte auch sein ganzes Auftreten
und sein -- künstlerisches Urtheil.

Ebenso ungenirt, wie Deinhardstein sich gegen
die Fremde über seinen Chef ausgesprochen hatte,

18 *

ſchönen Tags den verdienſtvollen, aber ziemlich kurz an¬
gebundenen Direktor Schreyvogel sans façons in Un¬
gnaden »fortgejagt« und den Verfaſſer von »Hans Sachs«
und »Garrick in Briſtol« zu deſſen Nachfolger ernannt
hatte, ſprach er ziemlich ungenirt — ja unvorſichtig,
und ſchob alle Verwaltungs- und Direktionsſünden des
Burgtheaters dem Herrn Grafen lachend in die Oberſt¬
kämmererſchuhe. Ich weiß nicht, ob es Deinhardſtein's
Ernſt war, daß er ſelber die ſtiefmütterliche Behandlung
des Trauerſpiels mir gegenüber bedauerte, oder ob er
glaubte, ſich mir — die ich mit Begeiſterung von der
klaſſiſchen Berliner Zeit ſprach — dadurch im günſtigſten
Lichte zu zeigen.

Den Intendanten mußte ich in Schönbrunn auf¬
ſuchen. Wie war ich enttäuſcht von dieſer berühmten —
jetzt ſo öden, traurigen, vernachläſſigten kaiſerlichen
Sommerreſidenz — — und der Graf Czernin erſchreckte
mich förmlich beim erſten Anblick. Ich hatte an einen
ſtattlichen, liebenswürdigen und geiſtvollen Grafen Brühl
gedacht, der mir von Berlin her unvergeßlich als Inten¬
dant war — — und fand ein uraltes, vertrocknetes
Männchen mit tauſend Runzeln in dem winzigen Geſicht¬
chen, erloſchenen, faſt blöden Augen — und geſchminkt
und geputzt wie ein franzöſiſcher Marquis des ancien
régime
. Damit harmonirte auch ſein ganzes Auftreten
und ſein — künſtleriſches Urtheil.

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die Fremde über ſeinen Chef ausgeſprochen hatte,

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[275/0303] ſchönen Tags den verdienſtvollen, aber ziemlich kurz an¬ gebundenen Direktor Schreyvogel sans façons in Un¬ gnaden »fortgejagt« und den Verfaſſer von »Hans Sachs« und »Garrick in Briſtol« zu deſſen Nachfolger ernannt hatte, ſprach er ziemlich ungenirt — ja unvorſichtig, und ſchob alle Verwaltungs- und Direktionsſünden des Burgtheaters dem Herrn Grafen lachend in die Oberſt¬ kämmererſchuhe. Ich weiß nicht, ob es Deinhardſtein's Ernſt war, daß er ſelber die ſtiefmütterliche Behandlung des Trauerſpiels mir gegenüber bedauerte, oder ob er glaubte, ſich mir — die ich mit Begeiſterung von der klaſſiſchen Berliner Zeit ſprach — dadurch im günſtigſten Lichte zu zeigen. Den Intendanten mußte ich in Schönbrunn auf¬ ſuchen. Wie war ich enttäuſcht von dieſer berühmten — jetzt ſo öden, traurigen, vernachläſſigten kaiſerlichen Sommerreſidenz — — und der Graf Czernin erſchreckte mich förmlich beim erſten Anblick. Ich hatte an einen ſtattlichen, liebenswürdigen und geiſtvollen Grafen Brühl gedacht, der mir von Berlin her unvergeßlich als Inten¬ dant war — — und fand ein uraltes, vertrocknetes Männchen mit tauſend Runzeln in dem winzigen Geſicht¬ chen, erloſchenen, faſt blöden Augen — und geſchminkt und geputzt wie ein franzöſiſcher Marquis des ancien régime. Damit harmonirte auch ſein ganzes Auftreten und ſein — künſtleriſches Urtheil. Ebenſo ungenirt, wie Deinhardſtein ſich gegen die Fremde über ſeinen Chef ausgeſprochen hatte, 18 *

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/303>, abgerufen am 25.11.2024.