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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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wieder etwas Hübsches, Lustiges, Halsbrechendes losließe,
das sie dann in den Kaffeehäusern oder den Nachbarn mit
Wichtigkeit als ein Erlebnis weiter erzählen könnten ...

Graf Sandor, einer der reichsten, altadeligen Fami¬
lien Ungarns angehörend, hatte den prächtigsten Marstall
in Wien. Täglich zeigte er sich auf einem andern wunder¬
schönen, wildfeurigen Pferde, die er alle daheim auf den
weiten ungarischen Steppen -- er selber in dem male¬
rischen, flatternden Mantel eines Pferdehirten -- zuge¬
ritten und gebändigt hatte. Nicht selten ritt er im Prater
die wildesten Renner ohne Sattel, Zaum und Steigbügel
... und nur die Eingeweihten wußten, daß er sie an
einem kaum sichtbaren seidenen Schnürchen lenkte. Das
war gar nichts Seltenes, daß der Reitergraf über einen
dahin rollenden Fiaker, über eine Hökerin mit sammt
ihrem hochgethürmten Töpferkram plötzlich hinwegsprengte
und dann den Erschrockenen eine Handvoll Gulden hin¬
warf -- als Schmerzensgeld für den kleinen Schreck,
denn Schaden richtete er nie an. Auch seine Wetten
bildeten das Tagesgespräch und füllten die Spalten der
Zeitungen. So gewann er einst eine Wette: die Treppen
in ein drittes Stockwerk hinaufzureiten, und dort oben
auf schmalem Balkon sein Pferd zu wenden -- auf den
Hinterfüßen, die Vorderfüße hoch in der Luft!

Von dem Exerzirplatze am Fuße der Bastei zu
Ofen sprengte er oft plötzlich die steilen Treppen des
Schloßberges hinan nach dem Schloß seiner Väter ...
und dann sahen die Soldaten mit Jubel Chef und

wieder etwas Hübſches, Luſtiges, Halsbrechendes losließe,
das ſie dann in den Kaffeehäuſern oder den Nachbarn mit
Wichtigkeit als ein Erlebnis weiter erzählen könnten …

Graf Sandor, einer der reichſten, altadeligen Fami¬
lien Ungarns angehörend, hatte den prächtigſten Marſtall
in Wien. Täglich zeigte er ſich auf einem andern wunder¬
ſchönen, wildfeurigen Pferde, die er alle daheim auf den
weiten ungariſchen Steppen — er ſelber in dem male¬
riſchen, flatternden Mantel eines Pferdehirten — zuge¬
ritten und gebändigt hatte. Nicht ſelten ritt er im Prater
die wildeſten Renner ohne Sattel, Zaum und Steigbügel
… und nur die Eingeweihten wußten, daß er ſie an
einem kaum ſichtbaren ſeidenen Schnürchen lenkte. Das
war gar nichts Seltenes, daß der Reitergraf über einen
dahin rollenden Fiaker, über eine Hökerin mit ſammt
ihrem hochgethürmten Töpferkram plötzlich hinwegſprengte
und dann den Erſchrockenen eine Handvoll Gulden hin¬
warf — als Schmerzensgeld für den kleinen Schreck,
denn Schaden richtete er nie an. Auch ſeine Wetten
bildeten das Tagesgeſpräch und füllten die Spalten der
Zeitungen. So gewann er einſt eine Wette: die Treppen
in ein drittes Stockwerk hinaufzureiten, und dort oben
auf ſchmalem Balkon ſein Pferd zu wenden — auf den
Hinterfüßen, die Vorderfüße hoch in der Luft!

Von dem Exerzirplatze am Fuße der Baſtei zu
Ofen ſprengte er oft plötzlich die ſteilen Treppen des
Schloßberges hinan nach dem Schloß ſeiner Väter …
und dann ſahen die Soldaten mit Jubel Chef und

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[265/0293] wieder etwas Hübſches, Luſtiges, Halsbrechendes losließe, das ſie dann in den Kaffeehäuſern oder den Nachbarn mit Wichtigkeit als ein Erlebnis weiter erzählen könnten … Graf Sandor, einer der reichſten, altadeligen Fami¬ lien Ungarns angehörend, hatte den prächtigſten Marſtall in Wien. Täglich zeigte er ſich auf einem andern wunder¬ ſchönen, wildfeurigen Pferde, die er alle daheim auf den weiten ungariſchen Steppen — er ſelber in dem male¬ riſchen, flatternden Mantel eines Pferdehirten — zuge¬ ritten und gebändigt hatte. Nicht ſelten ritt er im Prater die wildeſten Renner ohne Sattel, Zaum und Steigbügel … und nur die Eingeweihten wußten, daß er ſie an einem kaum ſichtbaren ſeidenen Schnürchen lenkte. Das war gar nichts Seltenes, daß der Reitergraf über einen dahin rollenden Fiaker, über eine Hökerin mit ſammt ihrem hochgethürmten Töpferkram plötzlich hinwegſprengte und dann den Erſchrockenen eine Handvoll Gulden hin¬ warf — als Schmerzensgeld für den kleinen Schreck, denn Schaden richtete er nie an. Auch ſeine Wetten bildeten das Tagesgeſpräch und füllten die Spalten der Zeitungen. So gewann er einſt eine Wette: die Treppen in ein drittes Stockwerk hinaufzureiten, und dort oben auf ſchmalem Balkon ſein Pferd zu wenden — auf den Hinterfüßen, die Vorderfüße hoch in der Luft! Von dem Exerzirplatze am Fuße der Baſtei zu Ofen ſprengte er oft plötzlich die ſteilen Treppen des Schloßberges hinan nach dem Schloß ſeiner Väter … und dann ſahen die Soldaten mit Jubel Chef und

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/293>, abgerufen am 22.11.2024.