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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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heute Abend in vier -- fünf -- sechs funkelnagelneuen
Toiletten -- direkt per Kurier aus Paris bezogen --
präsentiren ... Und ich -- der Kritiker, soll dann stets
all' diese Kleiderpracht in meinen Rezensionen aufzählen
und haarklein beschreiben und "kritisiren", -- sonst finden
die guten Wiener meine Kritiken ledern und langweilig ...
Wundern Sie sich also nicht, meine Damen, wenn Sie
die Kritiken über das alte herrliche Burgtheater nächstens
von dem berühmten Bär, dem "göttlichsten" Damen¬
schneider Wiens, oder von Madame Rosa, unserer
"genialsten" Pariser Modistin unterzeichnet finden ..."

So bitter hatte ich unsern sonst so milden, liebens¬
würdigen Witthauer noch nie reden hören ... Und plötzlich
ging mir ein trübes Licht auf: seine tiefe Schwermuth
hatte nicht ihren Sitz im Magen, nicht im Herzen ...
nein: in der Mode-Epidemie des Burgtheaters!

"Ah! dann verstehe ich es auch, warum die herrliche
Julie Rettich das Burgtheater verließ und nach Dresden
ging ... und warum man die edle Tragödin gehen ließ. --
O, Mutter", fügte ich tragi-komisch hinzu, "wie wird
Deiner Lina es ergehen mit ihren armen Fähnchen, die
keine Ahnung haben von Paris!"

"Wenn Sie mit Karoline Müller nicht in der Toilette
rivalisiren, -- so fallen Sie durch", sagte Witthauer
melancholisch, "ja, Sie können Gott und den Wienern
danken, wenn Sie nicht ausgepfiffen werden ..."

"Und keine Rettung -- keine?" klagte ich mit den
Tönen einer Iphigenie.

heute Abend in vier — fünf — ſechs funkelnagelneuen
Toiletten — direkt per Kurier aus Paris bezogen —
präſentiren … Und ich — der Kritiker, ſoll dann ſtets
all' dieſe Kleiderpracht in meinen Rezenſionen aufzählen
und haarklein beſchreiben und »kritiſiren«, — ſonſt finden
die guten Wiener meine Kritiken ledern und langweilig …
Wundern Sie ſich alſo nicht, meine Damen, wenn Sie
die Kritiken über das alte herrliche Burgtheater nächſtens
von dem berühmten Bär, dem »göttlichſten« Damen¬
ſchneider Wiens, oder von Madame Roſa, unſerer
»genialſten« Pariſer Modiſtin unterzeichnet finden …«

So bitter hatte ich unſern ſonſt ſo milden, liebens¬
würdigen Witthauer noch nie reden hören … Und plötzlich
ging mir ein trübes Licht auf: ſeine tiefe Schwermuth
hatte nicht ihren Sitz im Magen, nicht im Herzen …
nein: in der Mode-Epidemie des Burgtheaters!

»Ah! dann verſtehe ich es auch, warum die herrliche
Julie Rettich das Burgtheater verließ und nach Dresden
ging … und warum man die edle Tragödin gehen ließ. —
O, Mutter«, fügte ich tragi-komiſch hinzu, »wie wird
Deiner Lina es ergehen mit ihren armen Fähnchen, die
keine Ahnung haben von Paris!«

»Wenn Sie mit Karoline Müller nicht in der Toilette
rivaliſiren, — ſo fallen Sie durch«, ſagte Witthauer
melancholiſch, »ja, Sie können Gott und den Wienern
danken, wenn Sie nicht ausgepfiffen werden …«

»Und keine Rettung — keine?« klagte ich mit den
Tönen einer Iphigenie.

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[262/0290] heute Abend in vier — fünf — ſechs funkelnagelneuen Toiletten — direkt per Kurier aus Paris bezogen — präſentiren … Und ich — der Kritiker, ſoll dann ſtets all' dieſe Kleiderpracht in meinen Rezenſionen aufzählen und haarklein beſchreiben und »kritiſiren«, — ſonſt finden die guten Wiener meine Kritiken ledern und langweilig … Wundern Sie ſich alſo nicht, meine Damen, wenn Sie die Kritiken über das alte herrliche Burgtheater nächſtens von dem berühmten Bär, dem »göttlichſten« Damen¬ ſchneider Wiens, oder von Madame Roſa, unſerer »genialſten« Pariſer Modiſtin unterzeichnet finden …« So bitter hatte ich unſern ſonſt ſo milden, liebens¬ würdigen Witthauer noch nie reden hören … Und plötzlich ging mir ein trübes Licht auf: ſeine tiefe Schwermuth hatte nicht ihren Sitz im Magen, nicht im Herzen … nein: in der Mode-Epidemie des Burgtheaters! »Ah! dann verſtehe ich es auch, warum die herrliche Julie Rettich das Burgtheater verließ und nach Dresden ging … und warum man die edle Tragödin gehen ließ. — O, Mutter«, fügte ich tragi-komiſch hinzu, »wie wird Deiner Lina es ergehen mit ihren armen Fähnchen, die keine Ahnung haben von Paris!« »Wenn Sie mit Karoline Müller nicht in der Toilette rivaliſiren, — ſo fallen Sie durch«, ſagte Witthauer melancholiſch, »ja, Sie können Gott und den Wienern danken, wenn Sie nicht ausgepfiffen werden …« »Und keine Rettung — keine?« klagte ich mit den Tönen einer Iphigenie.

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/290>, abgerufen am 25.11.2024.