die Bühne betrat, in den folgenden Jahren noch einmal mit glänzendem Erfolge in Petersburg und dann in Wien gastirte. In Wien befiel ihn 1836 die alte Schwer¬ muth wieder -- und so heftig, daß er sich pensioniren lassen mußte. Mit seiner Pension von 1400 Thalern ging er erst nach Weimar und dann zu seinen Töchtern nach Manheim. Obgleich er hier in den angenehmsten geselligen und glücklichsten Familienverhältnissen lebte, so -- gab er sich doch bei einem neuen Ausbruch unbesieg¬ barer Melancholie 1840 selber den Tod.
Ich bin noch heute der Ansicht, daß Krüger -- der liebenswürdige, bescheidene Künstler -- ein Opfer des in Petersburg zu plötzlich, zu berauschend über ihn ausge¬ schütteten Ruhms und Goldregens geworden ist. Einen ähnlichen Erfolg hatte er -- ja hat selbst Ludwig De¬ vrient nie auf seinen Gastspielen erlebt.
Stets soll Krüger auch mit Dankbarkeit, mit Ent¬ zücken der Petersburger Epoche gedacht haben. Diese Er¬ innerung beseligte ihn bis wenige Tage vor seinem Tode.
Wir haben uns nie wiedergesehen -- aber ich be¬ wahre noch heute treu und pietätvoll sein "Vergißmein¬ nicht!" ... und wie ich seiner gedenke, erzählten diese Zeilen.
Welch' ein Lebenskontrast, wenn ich jetzt hier noch eines anderen deutschen Kollegen gedenke, mit dem ich in Petersburg in Berührung gekommen bin!
Im Januar 1834 herrschte in der Czarenstadt eine Kälte, wie man sich seit Jahren nicht zu erinnern wußte.
die Bühne betrat, in den folgenden Jahren noch einmal mit glänzendem Erfolge in Petersburg und dann in Wien gaſtirte. In Wien befiel ihn 1836 die alte Schwer¬ muth wieder — und ſo heftig, daß er ſich penſioniren laſſen mußte. Mit ſeiner Penſion von 1400 Thalern ging er erſt nach Weimar und dann zu ſeinen Töchtern nach Manheim. Obgleich er hier in den angenehmſten geſelligen und glücklichſten Familienverhältniſſen lebte, ſo — gab er ſich doch bei einem neuen Ausbruch unbeſieg¬ barer Melancholie 1840 ſelber den Tod.
Ich bin noch heute der Anſicht, daß Krüger — der liebenswürdige, beſcheidene Künſtler — ein Opfer des in Petersburg zu plötzlich, zu berauſchend über ihn ausge¬ ſchütteten Ruhms und Goldregens geworden iſt. Einen ähnlichen Erfolg hatte er — ja hat ſelbſt Ludwig De¬ vrient nie auf ſeinen Gaſtſpielen erlebt.
Stets ſoll Krüger auch mit Dankbarkeit, mit Ent¬ zücken der Petersburger Epoche gedacht haben. Dieſe Er¬ innerung beſeligte ihn bis wenige Tage vor ſeinem Tode.
Wir haben uns nie wiedergeſehen — aber ich be¬ wahre noch heute treu und pietätvoll ſein »Vergißmein¬ nicht!« … und wie ich ſeiner gedenke, erzählten dieſe Zeilen.
Welch' ein Lebenskontraſt, wenn ich jetzt hier noch eines anderen deutſchen Kollegen gedenke, mit dem ich in Petersburg in Berührung gekommen bin!
Im Januar 1834 herrſchte in der Czarenſtadt eine Kälte, wie man ſich ſeit Jahren nicht zu erinnern wußte.
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die Bühne betrat, in den folgenden Jahren noch einmal
mit glänzendem Erfolge in Petersburg und dann in
Wien gaſtirte. In Wien befiel ihn 1836 die alte Schwer¬
muth wieder — und ſo heftig, daß er ſich penſioniren
laſſen mußte. Mit ſeiner Penſion von 1400 Thalern
ging er erſt nach Weimar und dann zu ſeinen Töchtern
nach Manheim. Obgleich er hier in den angenehmſten
geſelligen und glücklichſten Familienverhältniſſen lebte, ſo
— gab er ſich doch bei einem neuen Ausbruch unbeſieg¬
barer Melancholie 1840 ſelber den Tod.
Ich bin noch heute der Anſicht, daß Krüger — der
liebenswürdige, beſcheidene Künſtler — ein Opfer des in
Petersburg zu plötzlich, zu berauſchend über ihn ausge¬
ſchütteten Ruhms und Goldregens geworden iſt. Einen
ähnlichen Erfolg hatte er — ja hat ſelbſt Ludwig De¬
vrient nie auf ſeinen Gaſtſpielen erlebt.
Stets ſoll Krüger auch mit Dankbarkeit, mit Ent¬
zücken der Petersburger Epoche gedacht haben. Dieſe Er¬
innerung beſeligte ihn bis wenige Tage vor ſeinem Tode.
Wir haben uns nie wiedergeſehen — aber ich be¬
wahre noch heute treu und pietätvoll ſein »Vergißmein¬
nicht!« … und wie ich ſeiner gedenke, erzählten dieſe
Zeilen.
Welch' ein Lebenskontraſt, wenn ich jetzt hier noch
eines anderen deutſchen Kollegen gedenke, mit dem ich
in Petersburg in Berührung gekommen bin!
Im Januar 1834 herrſchte in der Czarenſtadt eine
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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