lende Sonne Indiens in die dunkle Hütte und beleuchtet den Paria mit seiner Geliebten ... Beide todt!
"Ophelie im Hamlet," las ich weiter von meiner Liste ..."Nun, die "Ophelia" mag in Gnaden passiren, die erfordert kein übermenschliches Studium. Hat doch Tieck schon gesagt: "Ob Ophelia ihre Wahnsinnsßenen lieblich mit Blumen geschmückt oder grausenerregend mit schwarzem Schleier und Strohkranz spielt -- Beifall ertönt stets ..." Und in den ersten Akten hat noch keine, selbst die gefeiertste Künstlerin, Lorbern gepflückt ... Herr Direktor, ist Ihnen etwa klar geworden, was Shakespeare meint, wenn er Ophelia sprechen läßt: "Die Eule ist eines Bäckers Tochter? ..."
"Gott bewahre mich in allen Gnaden," entsetzte sich Helmersen ...
"Rrrrr! Eine andere Rolle: Bertha! -- Ahn¬ frau! ... Ah! willkommen traute Erinnerung meines kindlichen Entsetzens! Wie gefiel dieses so bitter getadelte Trauerspiel in Karlsruhe, als Mad. Neumann, kaum achtzehn Jahre alt, die Bertha spielte! Die berühmtesten Gastspielerinnen in Karlsruhe, selbst Frl. Pfeiffer aus München (später Mad. Birch), vermochten nicht die holde Amalie Neumann zu verdunkeln ... Bei Charlotte Pfeiffer störte besonders die kolossale Gestalt, ihr unschöner Kopf, ihr tiefes, mächtiges Organ -- so bei der weichen, ele¬ gischen Stelle:
Wohin seid ihr, gold'ne Tage, Wohin bist du, Feenland!
lende Sonne Indiens in die dunkle Hütte und beleuchtet den Paria mit ſeiner Geliebten … Beide todt!
»Ophelie im Hamlet,« las ich weiter von meiner Liſte …»Nun, die »Ophelia« mag in Gnaden paſſiren, die erfordert kein übermenſchliches Studium. Hat doch Tieck ſchon geſagt: »Ob Ophelia ihre Wahnſinnsſzenen lieblich mit Blumen geſchmückt oder grauſenerregend mit ſchwarzem Schleier und Strohkranz ſpielt — Beifall ertönt ſtets …« Und in den erſten Akten hat noch keine, ſelbſt die gefeiertſte Künſtlerin, Lorbern gepflückt … Herr Direktor, iſt Ihnen etwa klar geworden, was Shakeſpeare meint, wenn er Ophelia ſprechen läßt: »Die Eule iſt eines Bäckers Tochter? …«
»Gott bewahre mich in allen Gnaden,« entſetzte ſich Helmerſen …
»Rrrrr! Eine andere Rolle: Bertha! — Ahn¬ frau! … Ah! willkommen traute Erinnerung meines kindlichen Entſetzens! Wie gefiel dieſes ſo bitter getadelte Trauerſpiel in Karlsruhe, als Mad. Neumann, kaum achtzehn Jahre alt, die Bertha ſpielte! Die berühmteſten Gaſtſpielerinnen in Karlsruhe, ſelbſt Frl. Pfeiffer aus München (ſpäter Mad. Birch), vermochten nicht die holde Amalie Neumann zu verdunkeln … Bei Charlotte Pfeiffer ſtörte beſonders die koloſſale Geſtalt, ihr unſchöner Kopf, ihr tiefes, mächtiges Organ — ſo bei der weichen, ele¬ giſchen Stelle:
Wohin ſeid ihr, gold'ne Tage, Wohin biſt du, Feenland!
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lende Sonne Indiens in die dunkle Hütte und beleuchtet
den Paria mit ſeiner Geliebten … Beide todt!
»Ophelie im Hamlet,« las ich weiter von meiner
Liſte …»Nun, die »Ophelia« mag in Gnaden paſſiren,
die erfordert kein übermenſchliches Studium. Hat doch
Tieck ſchon geſagt: »Ob Ophelia ihre Wahnſinnsſzenen
lieblich mit Blumen geſchmückt oder grauſenerregend mit
ſchwarzem Schleier und Strohkranz ſpielt — Beifall
ertönt ſtets …« Und in den erſten Akten hat noch keine,
ſelbſt die gefeiertſte Künſtlerin, Lorbern gepflückt …
Herr Direktor, iſt Ihnen etwa klar geworden, was
Shakeſpeare meint, wenn er Ophelia ſprechen läßt: »Die
Eule iſt eines Bäckers Tochter? …«
»Gott bewahre mich in allen Gnaden,« entſetzte ſich
Helmerſen …
»Rrrrr! Eine andere Rolle: Bertha! — Ahn¬
frau! … Ah! willkommen traute Erinnerung meines
kindlichen Entſetzens! Wie gefiel dieſes ſo bitter getadelte
Trauerſpiel in Karlsruhe, als Mad. Neumann, kaum
achtzehn Jahre alt, die Bertha ſpielte! Die berühmteſten
Gaſtſpielerinnen in Karlsruhe, ſelbſt Frl. Pfeiffer aus
München (ſpäter Mad. Birch), vermochten nicht die holde
Amalie Neumann zu verdunkeln … Bei Charlotte Pfeiffer
ſtörte beſonders die koloſſale Geſtalt, ihr unſchöner Kopf,
ihr tiefes, mächtiges Organ — ſo bei der weichen, ele¬
giſchen Stelle:
Wohin ſeid ihr, gold'ne Tage,
Wohin biſt du, Feenland!
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/249>, abgerufen am 25.11.2024.
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