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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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zurück, -- und auf sein abermaliges: "Wo bist Du
denn?" -- konnte ich, vor Alteration zitternd und fast
weinend, kaum erwidern: "Auf einer schönen grünen
Wiese, wo Alles bunt und voller Blumen ist ...

"Können Sie es mir verdenken, Herr Direktor, daß
mir das Käthchen seitdem verleidet ist?"

Dann erst brachte der vor meiner frohen Aufregung
fast erstarrte Helmersen einen Brief der Frau Krüger an
die Mutter zum Vorschein. Sie las folgende Stelle vor:
"Sie, theure Freundin, sind schon heimisch in der stolzen
Czarenstadt. Stehen Sie Krüger mit gütigem Rath bei,
und Karoline bitte ich herzlich, etwas von ihrem Froh¬
sinn auf ihren Gevatter, der seit einiger Zeit von quä¬
lenden Grübeleien und Schwermuth bedrückt ist, zu über¬
tragen. Ich und bewährte Freunde drängten Krüger
zu dieser Reise, in der Hoffnung, sie werde ihn zerstreuen
und erfrischen. Mäßige Anerkennung seiner Leistungen,
so viel Gewinn, um die Kosten zu decken -- das ist
Alles, was Krüger erwartet und was ihm gut thun
würde ..."

"An den rührend bescheidenen Ansprüchen erkenne
ich unsern Freund," rief ich ergriffen, -- "und doch
ist Krüger ein wahrer, edler Künstler! Nur Geduld,
Herr Gevatter -- glänzend soll sich Alles gestalten, in
jeder Einsicht, nicht wahr, Herr Direktor?"

Der nickte etwas automatenhaft.

"Krüger soll mit uns zu Mittag essen, Lina," sagte
die Mutter, "damit er sich in den unheimlichen Hotels

zurück, — und auf ſein abermaliges: »Wo biſt Du
denn?« — konnte ich, vor Alteration zitternd und faſt
weinend, kaum erwidern: »Auf einer ſchönen grünen
Wieſe, wo Alles bunt und voller Blumen iſt …

»Können Sie es mir verdenken, Herr Direktor, daß
mir das Käthchen ſeitdem verleidet iſt?«

Dann erſt brachte der vor meiner frohen Aufregung
faſt erſtarrte Helmerſen einen Brief der Frau Krüger an
die Mutter zum Vorſchein. Sie las folgende Stelle vor:
»Sie, theure Freundin, ſind ſchon heimiſch in der ſtolzen
Czarenſtadt. Stehen Sie Krüger mit gütigem Rath bei,
und Karoline bitte ich herzlich, etwas von ihrem Froh¬
ſinn auf ihren Gevatter, der ſeit einiger Zeit von quä¬
lenden Grübeleien und Schwermuth bedrückt iſt, zu über¬
tragen. Ich und bewährte Freunde drängten Krüger
zu dieſer Reiſe, in der Hoffnung, ſie werde ihn zerſtreuen
und erfriſchen. Mäßige Anerkennung ſeiner Leiſtungen,
ſo viel Gewinn, um die Koſten zu decken — das iſt
Alles, was Krüger erwartet und was ihm gut thun
würde …«

»An den rührend beſcheidenen Anſprüchen erkenne
ich unſern Freund,« rief ich ergriffen, — »und doch
iſt Krüger ein wahrer, edler Künſtler! Nur Geduld,
Herr Gevatter — glänzend ſoll ſich Alles geſtalten, in
jeder Einſicht, nicht wahr, Herr Direktor?«

Der nickte etwas automatenhaft.

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die Mutter, »damit er ſich in den unheimlichen Hotels

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[219/0247] zurück, — und auf ſein abermaliges: »Wo biſt Du denn?« — konnte ich, vor Alteration zitternd und faſt weinend, kaum erwidern: »Auf einer ſchönen grünen Wieſe, wo Alles bunt und voller Blumen iſt … »Können Sie es mir verdenken, Herr Direktor, daß mir das Käthchen ſeitdem verleidet iſt?« Dann erſt brachte der vor meiner frohen Aufregung faſt erſtarrte Helmerſen einen Brief der Frau Krüger an die Mutter zum Vorſchein. Sie las folgende Stelle vor: »Sie, theure Freundin, ſind ſchon heimiſch in der ſtolzen Czarenſtadt. Stehen Sie Krüger mit gütigem Rath bei, und Karoline bitte ich herzlich, etwas von ihrem Froh¬ ſinn auf ihren Gevatter, der ſeit einiger Zeit von quä¬ lenden Grübeleien und Schwermuth bedrückt iſt, zu über¬ tragen. Ich und bewährte Freunde drängten Krüger zu dieſer Reiſe, in der Hoffnung, ſie werde ihn zerſtreuen und erfriſchen. Mäßige Anerkennung ſeiner Leiſtungen, ſo viel Gewinn, um die Koſten zu decken — das iſt Alles, was Krüger erwartet und was ihm gut thun würde …« »An den rührend beſcheidenen Anſprüchen erkenne ich unſern Freund,« rief ich ergriffen, — »und doch iſt Krüger ein wahrer, edler Künſtler! Nur Geduld, Herr Gevatter — glänzend ſoll ſich Alles geſtalten, in jeder Einſicht, nicht wahr, Herr Direktor?« Der nickte etwas automatenhaft. »Krüger ſoll mit uns zu Mittag eſſen, Lina,« ſagte die Mutter, »damit er ſich in den unheimlichen Hotels

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/247>, abgerufen am 22.11.2024.