Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.der Festung zu annonciren. Die in dem Polenfeldzuge Plötzlich verbreitete sich überdies noch das Gerücht: Die Theater wurden wenig besucht, mehr aus trüber Da besuchte uns eines Tages unser lieber Nachbar, der Feſtung zu annonciren. Die in dem Polenfeldzuge Plötzlich verbreitete ſich überdies noch das Gerücht: Die Theater wurden wenig beſucht, mehr aus trüber Da beſuchte uns eines Tages unſer lieber Nachbar, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="204"/> der Feſtung zu annonciren. Die in dem Polenfeldzuge<lb/> ſo oft getäuſchte Erwartung der Siegesnachrichten lähmte<lb/> jeden geſelligen Aufſchwung; die ſtolze Czarenſtadt ſchien<lb/> wie in dumpfe Trauer verſunken, alles Leben ſchien da¬<lb/> raus entflohen zu ſein.</p><lb/> <p>Plötzlich verbreitete ſich überdies noch das Gerücht:<lb/> die Cholera iſt ausgebrochen! Daß ſie in Riga wüthete,<lb/> war längſt bekannt. Und dann ſahen wir mit Grauſen<lb/> große grünangeſtrichene Wagen langſam von verſtört und<lb/> ängſtlich blickenden Kutſchern durch die Straßen fahren.<lb/> Wimmern, Stöhnen wurde von näher Vorbeigehenden<lb/> aus den Wagen vernommen. Man ſuchte die Bevölke¬<lb/> rung über die tägliche Zunahme dieſes fremdartigen An¬<lb/> blicks durch die ſanitätsſtatiſtiſche Auskunft zu beruhigen:<lb/> die gegenwärtige Jahreszeit liefere immer die meiſten<lb/> Kranken in die Spitäler … Aber Niemand glaubte<lb/> an dieſen Grund des ſtarken Krankentransportes.</p><lb/> <p>Die Theater wurden wenig beſucht, mehr aus trüber<lb/> Stimmung, als aus Furcht vor der Cholera.</p><lb/> <p>Da beſuchte uns eines Tages unſer lieber Nachbar,<lb/> der deutſche Paſtor Muralt. Er begrüßte uns unge¬<lb/> wöhnlich ernſt, beinahe feierlich. Dann ſagte er: »Ich<lb/> halte es für meine Pflicht, Ihnen mitzutheilen, daß die<lb/> Cholera hier längſt ausgebrochen iſt. Die Regierung<lb/> kann es nicht länger verheimlichen. Nicht nur die unteren<lb/> Schichten der Bevölkerung werden hingerafft — die<lb/> Seuche klopft bei allen Ständen an. Ich komme ſo<lb/> eben vom Sterbebett eines theuren Freundes. Haben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [204/0232]
der Feſtung zu annonciren. Die in dem Polenfeldzuge
ſo oft getäuſchte Erwartung der Siegesnachrichten lähmte
jeden geſelligen Aufſchwung; die ſtolze Czarenſtadt ſchien
wie in dumpfe Trauer verſunken, alles Leben ſchien da¬
raus entflohen zu ſein.
Plötzlich verbreitete ſich überdies noch das Gerücht:
die Cholera iſt ausgebrochen! Daß ſie in Riga wüthete,
war längſt bekannt. Und dann ſahen wir mit Grauſen
große grünangeſtrichene Wagen langſam von verſtört und
ängſtlich blickenden Kutſchern durch die Straßen fahren.
Wimmern, Stöhnen wurde von näher Vorbeigehenden
aus den Wagen vernommen. Man ſuchte die Bevölke¬
rung über die tägliche Zunahme dieſes fremdartigen An¬
blicks durch die ſanitätsſtatiſtiſche Auskunft zu beruhigen:
die gegenwärtige Jahreszeit liefere immer die meiſten
Kranken in die Spitäler … Aber Niemand glaubte
an dieſen Grund des ſtarken Krankentransportes.
Die Theater wurden wenig beſucht, mehr aus trüber
Stimmung, als aus Furcht vor der Cholera.
Da beſuchte uns eines Tages unſer lieber Nachbar,
der deutſche Paſtor Muralt. Er begrüßte uns unge¬
wöhnlich ernſt, beinahe feierlich. Dann ſagte er: »Ich
halte es für meine Pflicht, Ihnen mitzutheilen, daß die
Cholera hier längſt ausgebrochen iſt. Die Regierung
kann es nicht länger verheimlichen. Nicht nur die unteren
Schichten der Bevölkerung werden hingerafft — die
Seuche klopft bei allen Ständen an. Ich komme ſo
eben vom Sterbebett eines theuren Freundes. Haben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |