Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

"Was sagt er?" frug ich.

"Nitschewo soll ausdrücken: es hat nichts zu be¬
deuten," wurde mir erklärt.

Ich trat etwas erregt auf den Harmlosen zu:
"Mein lieber Herr Nitschewo, wenn ich diesen Abend
bemerken sollte, daß Sie bei der Feuerßene nicht auf¬
passen, so gehe ich nicht auf die Brücke, und mit nichts,
d. h. ohne Käthchen, fällt dann die Säule herab. Sie
müssen sich dann verantworten. Empfehlen Sie aber
ihren Maschinisten Vorsicht an, so daß ich mich der Säule
anvertrauen kann, dann erhalten Sie na-wodka!"
(Trinkgeld zu Schnaps). Das leuchtete dem Nitschewo
ein und charmant gelangte ich von der brennenden Brücke,
sanft mit der Säule hinabsinkend, in die Arme meines
Wetter von Strahl.


Die gedrückte Stimmung von Riga fand ich auch
in Petersburg wieder -- nur in erhöhter Weise. Alle
Gardetruppen waren in den unglückseligen Polenkrieg
gezogen. Viele Familien waren in Angst um ihre Lieben.
Kaiser und Volk, Deutsche und alle anderen in Peters¬
burg so zahlreich vertretenen Nationalitäten sehnten sich
nach dem Ende dieses unseligen Feldzugs.

Die Siegesnachrichten langten so spärlich an, --
und von der Festung wollten die Freudenschüsse die Ein¬
nahme Warschau's immer noch nicht verkünden. Es ist
russische Sitte: jeden Erfolg der Armee durch die Kanonen

»Was ſagt er?« frug ich.

»Nitschewo ſoll ausdrücken: es hat nichts zu be¬
deuten,« wurde mir erklärt.

Ich trat etwas erregt auf den Harmloſen zu:
»Mein lieber Herr Nitschewo, wenn ich dieſen Abend
bemerken ſollte, daß Sie bei der Feuerſzene nicht auf¬
paſſen, ſo gehe ich nicht auf die Brücke, und mit nichts,
d. h. ohne Käthchen, fällt dann die Säule herab. Sie
müſſen ſich dann verantworten. Empfehlen Sie aber
ihren Maſchiniſten Vorſicht an, ſo daß ich mich der Säule
anvertrauen kann, dann erhalten Sie na-wodka
(Trinkgeld zu Schnaps). Das leuchtete dem Nitschewo
ein und charmant gelangte ich von der brennenden Brücke,
ſanft mit der Säule hinabſinkend, in die Arme meines
Wetter von Strahl.


Die gedrückte Stimmung von Riga fand ich auch
in Petersburg wieder — nur in erhöhter Weiſe. Alle
Gardetruppen waren in den unglückſeligen Polenkrieg
gezogen. Viele Familien waren in Angſt um ihre Lieben.
Kaiſer und Volk, Deutſche und alle anderen in Peters¬
burg ſo zahlreich vertretenen Nationalitäten ſehnten ſich
nach dem Ende dieſes unſeligen Feldzugs.

Die Siegesnachrichten langten ſo ſpärlich an, —
und von der Feſtung wollten die Freudenſchüſſe die Ein¬
nahme Warſchau's immer noch nicht verkünden. Es iſt
ruſſiſche Sitte: jeden Erfolg der Armee durch die Kanonen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0231" n="203"/>
        <p>»Was &#x017F;agt er?« frug ich.</p><lb/>
        <p>»<hi rendition="#aq">Nitschewo</hi> &#x017F;oll ausdrücken: es hat nichts zu be¬<lb/>
deuten,« wurde mir erklärt.</p><lb/>
        <p>Ich trat etwas erregt auf den Harmlo&#x017F;en zu:<lb/>
»Mein lieber Herr <hi rendition="#aq">Nitschewo</hi>, wenn ich die&#x017F;en Abend<lb/>
bemerken &#x017F;ollte, daß Sie bei der Feuer&#x017F;zene nicht auf¬<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o gehe ich nicht auf die Brücke, und mit nichts,<lb/>
d. h. ohne Käthchen, fällt dann die Säule herab. Sie<lb/>&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich dann verantworten. Empfehlen Sie aber<lb/>
ihren Ma&#x017F;chini&#x017F;ten Vor&#x017F;icht an, &#x017F;o daß ich mich der Säule<lb/>
anvertrauen kann, dann erhalten Sie <hi rendition="#aq">na-wodka</hi><lb/>
(Trinkgeld zu Schnaps). Das leuchtete dem <hi rendition="#aq">Nitschewo</hi><lb/>
ein und charmant gelangte ich von der brennenden Brücke,<lb/>
&#x017F;anft mit der Säule hinab&#x017F;inkend, in die Arme meines<lb/>
Wetter von Strahl.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Die gedrückte Stimmung von Riga fand ich auch<lb/>
in Petersburg wieder &#x2014; nur in erhöhter Wei&#x017F;e. Alle<lb/>
Gardetruppen waren in den unglück&#x017F;eligen Polenkrieg<lb/>
gezogen. Viele Familien waren in Ang&#x017F;t um ihre Lieben.<lb/>
Kai&#x017F;er und Volk, Deut&#x017F;che und alle anderen in Peters¬<lb/>
burg &#x017F;o zahlreich vertretenen Nationalitäten &#x017F;ehnten &#x017F;ich<lb/>
nach dem Ende die&#x017F;es un&#x017F;eligen Feldzugs.</p><lb/>
        <p>Die Siegesnachrichten langten &#x017F;o &#x017F;pärlich an, &#x2014;<lb/>
und von der Fe&#x017F;tung wollten die Freuden&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e die Ein¬<lb/>
nahme War&#x017F;chau's immer noch nicht verkünden. Es i&#x017F;t<lb/>
ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Sitte: jeden Erfolg der Armee durch die Kanonen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0231] »Was ſagt er?« frug ich. »Nitschewo ſoll ausdrücken: es hat nichts zu be¬ deuten,« wurde mir erklärt. Ich trat etwas erregt auf den Harmloſen zu: »Mein lieber Herr Nitschewo, wenn ich dieſen Abend bemerken ſollte, daß Sie bei der Feuerſzene nicht auf¬ paſſen, ſo gehe ich nicht auf die Brücke, und mit nichts, d. h. ohne Käthchen, fällt dann die Säule herab. Sie müſſen ſich dann verantworten. Empfehlen Sie aber ihren Maſchiniſten Vorſicht an, ſo daß ich mich der Säule anvertrauen kann, dann erhalten Sie na-wodka!« (Trinkgeld zu Schnaps). Das leuchtete dem Nitschewo ein und charmant gelangte ich von der brennenden Brücke, ſanft mit der Säule hinabſinkend, in die Arme meines Wetter von Strahl. Die gedrückte Stimmung von Riga fand ich auch in Petersburg wieder — nur in erhöhter Weiſe. Alle Gardetruppen waren in den unglückſeligen Polenkrieg gezogen. Viele Familien waren in Angſt um ihre Lieben. Kaiſer und Volk, Deutſche und alle anderen in Peters¬ burg ſo zahlreich vertretenen Nationalitäten ſehnten ſich nach dem Ende dieſes unſeligen Feldzugs. Die Siegesnachrichten langten ſo ſpärlich an, — und von der Feſtung wollten die Freudenſchüſſe die Ein¬ nahme Warſchau's immer noch nicht verkünden. Es iſt ruſſiſche Sitte: jeden Erfolg der Armee durch die Kanonen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/231
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/231>, abgerufen am 22.11.2024.