freundlich Trost zusprechend, als müsse er mich verstehen. Er dankte mit Blicken, als wollten sie sagen: "Glück und Segen mit Dir, Fremde! Das erste Wesen, das sich meiner annahm!"
Die Juden eskortirten uns, freundlich nickend, an den Wagen, die Beamten grüßten sogar, und der Bauer schwenkte seine Mütze, wahrscheinlich glückliche Reise wünschend. Der Sekretär hatte sich von allen Altera¬ tionen etwas erholt, versprach dem Konsul Bericht zu erstatten, und wir suchten durch ein Geschenk in klingender Münze ihm einigermaßen die angstvolle Stunde zu ver¬ süßen ...
Diese Erfahrung hatte uns vorsorglicher gemacht. Mit den gewichtigsten Papieren von der russischen Ge¬ sandtschaft in Berlin ausgerüstet, überwanden wir das entsetzliche Mauthaus zu Polangen diesmal sehr leicht. Vergebens sah ich mich nach meinem alten Bauer um ... Er war nirgends zu sehen. Vielleicht war er inzwischen auch schon gestorben ...
Und weiter ging's der Düna zu -- mit dem ersten russischen Postillon. Es war ein blutjunger, bildhübscher Junge, geschmeidig und übermüthig wild wie eine Katze. In einen langen, mit Schafpelz besetzten Kittel gehüllt, der um die schlanke Taille von einem Ledergürtel gehalten wurde, auf dem Zottelkopf mit den blanken, wilden Augen eine Bärenmütze -- so stand er bald auf der Deichsel, bald sprang er ab und lief schreiend und peitschen¬ knallend neben den Pferden her, die doch gar keines
freundlich Troſt zuſprechend, als müſſe er mich verſtehen. Er dankte mit Blicken, als wollten ſie ſagen: »Glück und Segen mit Dir, Fremde! Das erſte Weſen, das ſich meiner annahm!«
Die Juden eskortirten uns, freundlich nickend, an den Wagen, die Beamten grüßten ſogar, und der Bauer ſchwenkte ſeine Mütze, wahrſcheinlich glückliche Reiſe wünſchend. Der Sekretär hatte ſich von allen Altera¬ tionen etwas erholt, verſprach dem Konſul Bericht zu erſtatten, und wir ſuchten durch ein Geſchenk in klingender Münze ihm einigermaßen die angſtvolle Stunde zu ver¬ ſüßen …
Dieſe Erfahrung hatte uns vorſorglicher gemacht. Mit den gewichtigſten Papieren von der ruſſiſchen Ge¬ ſandtſchaft in Berlin ausgerüſtet, überwanden wir das entſetzliche Mauthaus zu Polangen diesmal ſehr leicht. Vergebens ſah ich mich nach meinem alten Bauer um … Er war nirgends zu ſehen. Vielleicht war er inzwiſchen auch ſchon geſtorben …
Und weiter ging's der Düna zu — mit dem erſten ruſſiſchen Poſtillon. Es war ein blutjunger, bildhübſcher Junge, geſchmeidig und übermüthig wild wie eine Katze. In einen langen, mit Schafpelz beſetzten Kittel gehüllt, der um die ſchlanke Taille von einem Ledergürtel gehalten wurde, auf dem Zottelkopf mit den blanken, wilden Augen eine Bärenmütze — ſo ſtand er bald auf der Deichſel, bald ſprang er ab und lief ſchreiend und peitſchen¬ knallend neben den Pferden her, die doch gar keines
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freundlich Troſt zuſprechend, als müſſe er mich verſtehen.
Er dankte mit Blicken, als wollten ſie ſagen: »Glück
und Segen mit Dir, Fremde! Das erſte Weſen, das
ſich meiner annahm!«
Die Juden eskortirten uns, freundlich nickend, an
den Wagen, die Beamten grüßten ſogar, und der Bauer
ſchwenkte ſeine Mütze, wahrſcheinlich glückliche Reiſe
wünſchend. Der Sekretär hatte ſich von allen Altera¬
tionen etwas erholt, verſprach dem Konſul Bericht zu
erſtatten, und wir ſuchten durch ein Geſchenk in klingender
Münze ihm einigermaßen die angſtvolle Stunde zu ver¬
ſüßen …
Dieſe Erfahrung hatte uns vorſorglicher gemacht.
Mit den gewichtigſten Papieren von der ruſſiſchen Ge¬
ſandtſchaft in Berlin ausgerüſtet, überwanden wir das
entſetzliche Mauthaus zu Polangen diesmal ſehr leicht.
Vergebens ſah ich mich nach meinem alten Bauer um …
Er war nirgends zu ſehen. Vielleicht war er inzwiſchen
auch ſchon geſtorben …
Und weiter ging's der Düna zu — mit dem erſten
ruſſiſchen Poſtillon. Es war ein blutjunger, bildhübſcher
Junge, geſchmeidig und übermüthig wild wie eine Katze.
In einen langen, mit Schafpelz beſetzten Kittel gehüllt,
der um die ſchlanke Taille von einem Ledergürtel gehalten
wurde, auf dem Zottelkopf mit den blanken, wilden
Augen eine Bärenmütze — ſo ſtand er bald auf der
Deichſel, bald ſprang er ab und lief ſchreiend und peitſchen¬
knallend neben den Pferden her, die doch gar keines
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/210>, abgerufen am 23.11.2024.
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