in der molligen Wagenecke neben der Mutter, wenn draußen Dörfer und Wälder wie im Traum an uns vorüberflogen und der Postillon dazu den alten Dessauer oder das Mantellied so hübsch blies ...
Und was Alles erlebte man auf einer solchen lang¬ samen, wochenlangen Reise!
Anfangs März 1831 verließen wir Berlin, um gleich nach den Fasten in Petersburg einzutreffen. Zwei Tage und zwei Nächte fuhren wir, mit Ausnahme eines kleinen Haltepunktes in Elbing, ununterbrochen weiter, sobald nur neue Extrapostpferde vor unsern Wagen be¬ schafft werden konnten.
Von Königsberg bis Memel ging die Fahrt durch trostlose, öde Gegenden, zum Theil an der Meeresküste entlang. Es waren uns schaurige Begebenheiten von dem Versinken im Triebsande erzählt, -- aber wir fuhren ja mit preußischen Postillonen: also getrost vorwärts!
Memel machte durch die niedrigen Häuser, die drückende Stille, die in diesem Orte herrschte, auf mich einen traurigen Eindruck.
Und dann ging's auf die russische Grenze und das entsetzlichste aller Mauthhäuser zu ...
O, das hatte ich noch im allerfrischesten Andenken, obgleich ich es seit drei Jahren nicht gesehen. Dafür hatten die Herren Russen trefflich gesorgt, daß ich sie und ihr Zollwesen sobald nicht wieder vergaß.
Es war auf meiner Gastspielreise 1828, auch im März, als ich Memel verließ und der russischen Grenze
Erinnerungen etc. 12
in der molligen Wagenecke neben der Mutter, wenn draußen Dörfer und Wälder wie im Traum an uns vorüberflogen und der Poſtillon dazu den alten Deſſauer oder das Mantellied ſo hübſch blies …
Und was Alles erlebte man auf einer ſolchen lang¬ ſamen, wochenlangen Reiſe!
Anfangs März 1831 verließen wir Berlin, um gleich nach den Faſten in Petersburg einzutreffen. Zwei Tage und zwei Nächte fuhren wir, mit Ausnahme eines kleinen Haltepunktes in Elbing, ununterbrochen weiter, ſobald nur neue Extrapoſtpferde vor unſern Wagen be¬ ſchafft werden konnten.
Von Königsberg bis Memel ging die Fahrt durch troſtloſe, öde Gegenden, zum Theil an der Meeresküſte entlang. Es waren uns ſchaurige Begebenheiten von dem Verſinken im Triebſande erzählt, — aber wir fuhren ja mit preußiſchen Poſtillonen: alſo getroſt vorwärts!
Memel machte durch die niedrigen Häuſer, die drückende Stille, die in dieſem Orte herrſchte, auf mich einen traurigen Eindruck.
Und dann ging's auf die ruſſiſche Grenze und das entſetzlichſte aller Mauthhäuſer zu …
O, das hatte ich noch im allerfriſcheſten Andenken, obgleich ich es ſeit drei Jahren nicht geſehen. Dafür hatten die Herren Ruſſen trefflich geſorgt, daß ich ſie und ihr Zollweſen ſobald nicht wieder vergaß.
Es war auf meiner Gaſtſpielreiſe 1828, auch im März, als ich Memel verließ und der ruſſiſchen Grenze
Erinnerungen ꝛc. 12
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in der molligen Wagenecke neben der Mutter, wenn
draußen Dörfer und Wälder wie im Traum an uns
vorüberflogen und der Poſtillon dazu den alten Deſſauer
oder das Mantellied ſo hübſch blies …
Und was Alles erlebte man auf einer ſolchen lang¬
ſamen, wochenlangen Reiſe!
Anfangs März 1831 verließen wir Berlin, um
gleich nach den Faſten in Petersburg einzutreffen. Zwei
Tage und zwei Nächte fuhren wir, mit Ausnahme eines
kleinen Haltepunktes in Elbing, ununterbrochen weiter,
ſobald nur neue Extrapoſtpferde vor unſern Wagen be¬
ſchafft werden konnten.
Von Königsberg bis Memel ging die Fahrt durch
troſtloſe, öde Gegenden, zum Theil an der Meeresküſte
entlang. Es waren uns ſchaurige Begebenheiten von
dem Verſinken im Triebſande erzählt, — aber wir fuhren
ja mit preußiſchen Poſtillonen: alſo getroſt vorwärts!
Memel machte durch die niedrigen Häuſer, die
drückende Stille, die in dieſem Orte herrſchte, auf mich
einen traurigen Eindruck.
Und dann ging's auf die ruſſiſche Grenze und das
entſetzlichſte aller Mauthhäuſer zu …
O, das hatte ich noch im allerfriſcheſten Andenken,
obgleich ich es ſeit drei Jahren nicht geſehen. Dafür
hatten die Herren Ruſſen trefflich geſorgt, daß ich ſie
und ihr Zollweſen ſobald nicht wieder vergaß.
Es war auf meiner Gaſtſpielreiſe 1828, auch im
März, als ich Memel verließ und der ruſſiſchen Grenze
Erinnerungen ꝛc. 12
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/205>, abgerufen am 25.11.2024.
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