Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

von Madame Stich in ihrer Wohnung gelassen zu haben,
und daß wir doch nicht so bald abermals anklopfen
könnten ... ließen sich zu unserer freudigsten Ueber¬
raschung -- Herr und Frau Stich ansagen. Auch Herr
Stich war eine angenehme Erscheinung und gab mit
Beifall und mit feinem Anstande Salonliebhaber im
Lustspiel. Beide zeigten sich so liebenswürdig, zuvor¬
kommend, sprachen so ohne alle Prätension angenehm,
geistreich, und schienen so heiter zu sein, so gegenseitig
herzlich ... daß ich schnell in das Urtheil Amalie
Wolff's einstimmte: nicht Schuld -- nur Unvorsichtig¬
keit sei Auguste Stich vorzuwerfen.

In Paris schien es Stichs sehr gefallen zu haben.
Sie rühmte das Spiel der Mlle. Mars, und freute sich,
die Glanzrolle derselben -- Madame Dorville, in Dela¬
vigne's "L'Ecole des Vieillards" -- nächstens in guter
Uebersetzung in Berlin spielen zu können. Sie waren
entzückt von ihrem Empfange bei Talma, und Herr Stich
erzählte mit Genugthuung, wie der große Mime ihnen
zu Ehren eine Soiree gegeben und hierzu die Elite der
Pariser Künstler und Schöngeister eingeladen hätte, um
die deutsche Künstlerin deklamiren zu hören. "Nicht wahr,
Auguste?" frug Stich liebevoll, "das war ein unverge߬
licher Abend! Du wurdest reichlich für Dein Herzklopfen
belohnt, als Alle bei Deinen Szenen aus Romeo und
Julie enthusiastisches Lob spendeten ..."

Madame Stich erröthete lieblich, und lächelnd, wobei
zwei Grübchen in den Wangen sie noch reizender erscheinen

von Madame Stich in ihrer Wohnung gelaſſen zu haben,
und daß wir doch nicht ſo bald abermals anklopfen
könnten … ließen ſich zu unſerer freudigſten Ueber¬
raſchung — Herr und Frau Stich anſagen. Auch Herr
Stich war eine angenehme Erſcheinung und gab mit
Beifall und mit feinem Anſtande Salonliebhaber im
Luſtſpiel. Beide zeigten ſich ſo liebenswürdig, zuvor¬
kommend, ſprachen ſo ohne alle Prätenſion angenehm,
geiſtreich, und ſchienen ſo heiter zu ſein, ſo gegenſeitig
herzlich … daß ich ſchnell in das Urtheil Amalie
Wolff's einſtimmte: nicht Schuld — nur Unvorſichtig¬
keit ſei Auguſte Stich vorzuwerfen.

In Paris ſchien es Stichs ſehr gefallen zu haben.
Sie rühmte das Spiel der Mlle. Mars, und freute ſich,
die Glanzrolle derſelben — Madame Dorville, in Dela¬
vigne's »L'École des Vieillards« — nächſtens in guter
Ueberſetzung in Berlin ſpielen zu können. Sie waren
entzückt von ihrem Empfange bei Talma, und Herr Stich
erzählte mit Genugthuung, wie der große Mime ihnen
zu Ehren eine Soirée gegeben und hierzu die Elite der
Pariſer Künſtler und Schöngeiſter eingeladen hätte, um
die deutſche Künſtlerin deklamiren zu hören. »Nicht wahr,
Auguſte?« frug Stich liebevoll, »das war ein unverge߬
licher Abend! Du wurdeſt reichlich für Dein Herzklopfen
belohnt, als Alle bei Deinen Szenen aus Romeo und
Julie enthuſiaſtiſches Lob ſpendeten …«

Madame Stich erröthete lieblich, und lächelnd, wobei
zwei Grübchen in den Wangen ſie noch reizender erſcheinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="167"/>
von Madame Stich in ihrer Wohnung gela&#x017F;&#x017F;en zu haben,<lb/>
und daß wir doch nicht &#x017F;o bald abermals anklopfen<lb/>
könnten  &#x2026; ließen &#x017F;ich zu un&#x017F;erer freudig&#x017F;ten Ueber¬<lb/>
ra&#x017F;chung &#x2014; Herr und Frau Stich an&#x017F;agen. Auch Herr<lb/>
Stich war eine angenehme Er&#x017F;cheinung und gab mit<lb/>
Beifall und mit feinem An&#x017F;tande Salonliebhaber im<lb/>
Lu&#x017F;t&#x017F;piel. Beide zeigten &#x017F;ich &#x017F;o liebenswürdig, zuvor¬<lb/>
kommend, &#x017F;prachen &#x017F;o ohne alle Präten&#x017F;ion angenehm,<lb/>
gei&#x017F;treich, und &#x017F;chienen &#x017F;o heiter zu &#x017F;ein, &#x017F;o gegen&#x017F;eitig<lb/>
herzlich  &#x2026; daß ich &#x017F;chnell in das Urtheil Amalie<lb/>
Wolff's ein&#x017F;timmte: nicht Schuld &#x2014; nur Unvor&#x017F;ichtig¬<lb/>
keit &#x017F;ei Augu&#x017F;te Stich vorzuwerfen.</p><lb/>
        <p>In Paris &#x017F;chien es Stichs &#x017F;ehr gefallen zu haben.<lb/>
Sie rühmte das Spiel der Mlle. Mars, und freute &#x017F;ich,<lb/>
die Glanzrolle der&#x017F;elben &#x2014; Madame Dorville, in Dela¬<lb/>
vigne's <hi rendition="#aq">»L'École des Vieillards</hi>« &#x2014; näch&#x017F;tens in guter<lb/>
Ueber&#x017F;etzung in Berlin &#x017F;pielen zu können. Sie waren<lb/>
entzückt von ihrem Empfange bei Talma, und Herr Stich<lb/>
erzählte mit Genugthuung, wie der große Mime ihnen<lb/>
zu Ehren eine Soir<hi rendition="#fr">é</hi>e gegeben und hierzu die Elite der<lb/>
Pari&#x017F;er Kün&#x017F;tler und Schöngei&#x017F;ter eingeladen hätte, um<lb/>
die deut&#x017F;che Kün&#x017F;tlerin deklamiren zu hören. »Nicht wahr,<lb/>
Augu&#x017F;te?« frug Stich liebevoll, »das war ein unverge߬<lb/>
licher Abend! Du wurde&#x017F;t reichlich für Dein Herzklopfen<lb/>
belohnt, als Alle bei Deinen Szenen aus Romeo und<lb/>
Julie enthu&#x017F;ia&#x017F;ti&#x017F;ches Lob &#x017F;pendeten &#x2026;«</p><lb/>
        <p>Madame Stich erröthete lieblich, und lächelnd, wobei<lb/>
zwei Grübchen in den Wangen &#x017F;ie noch reizender er&#x017F;cheinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0195] von Madame Stich in ihrer Wohnung gelaſſen zu haben, und daß wir doch nicht ſo bald abermals anklopfen könnten … ließen ſich zu unſerer freudigſten Ueber¬ raſchung — Herr und Frau Stich anſagen. Auch Herr Stich war eine angenehme Erſcheinung und gab mit Beifall und mit feinem Anſtande Salonliebhaber im Luſtſpiel. Beide zeigten ſich ſo liebenswürdig, zuvor¬ kommend, ſprachen ſo ohne alle Prätenſion angenehm, geiſtreich, und ſchienen ſo heiter zu ſein, ſo gegenſeitig herzlich … daß ich ſchnell in das Urtheil Amalie Wolff's einſtimmte: nicht Schuld — nur Unvorſichtig¬ keit ſei Auguſte Stich vorzuwerfen. In Paris ſchien es Stichs ſehr gefallen zu haben. Sie rühmte das Spiel der Mlle. Mars, und freute ſich, die Glanzrolle derſelben — Madame Dorville, in Dela¬ vigne's »L'École des Vieillards« — nächſtens in guter Ueberſetzung in Berlin ſpielen zu können. Sie waren entzückt von ihrem Empfange bei Talma, und Herr Stich erzählte mit Genugthuung, wie der große Mime ihnen zu Ehren eine Soirée gegeben und hierzu die Elite der Pariſer Künſtler und Schöngeiſter eingeladen hätte, um die deutſche Künſtlerin deklamiren zu hören. »Nicht wahr, Auguſte?« frug Stich liebevoll, »das war ein unverge߬ licher Abend! Du wurdeſt reichlich für Dein Herzklopfen belohnt, als Alle bei Deinen Szenen aus Romeo und Julie enthuſiaſtiſches Lob ſpendeten …« Madame Stich erröthete lieblich, und lächelnd, wobei zwei Grübchen in den Wangen ſie noch reizender erſcheinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/195
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/195>, abgerufen am 25.11.2024.