Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.überhaupt bei dem königlichen Institut das Recht der Ich hatte Berlin wie eine zweite Heimat lieb Jede Vorstellung war für mich ein Abschiednehmen ... überhaupt bei dem königlichen Inſtitut das Recht der Ich hatte Berlin wie eine zweite Heimat lieb Jede Vorſtellung war für mich ein Abſchiednehmen … <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0185" n="157"/> überhaupt bei dem königlichen Inſtitut das Recht der<lb/> Anciennetät vorwaltete. Für das Ganze ſicher vorzüg¬<lb/> lich, iſt dieſe pietätvolle Einrichtung für das Ent¬<lb/> falten junger, aufſtrebender Talente im höchſten Grade<lb/> hemmend.</p><lb/> <p>Ich hatte Berlin wie eine zweite Heimat lieb<lb/> gewonnen und es ſchmerzte mich tief, aus dem herrlichen<lb/> Künſtlerkreiſe ſcheiden zu müſſen! — Mit welch' weh¬<lb/> müthigem Entzücken ſpielte ich mit den liebenswürdigen<lb/> Kollegen, als nach meiner Rückkehr aus St. Petersburg<lb/> mein Scheiden von Berlin feſtſtand!</p><lb/> <p>Jede Vorſtellung war für mich ein Abſchiednehmen …<lb/> Unvergeßlich bleibt mir eine der letzten: Raupach's<lb/> »Ritterwort«. Ich trat zuerſt als Page auf — dann<lb/> als die Dame des Ritterherzens in weißem Atlas, eine<lb/> faſt tragiſche Rolle. Und wie mit ſo ganz eigenen<lb/> wehmüthigen Gefühlen ſpielten wir Alle in dieſem Stück!<lb/> Hatte doch Raupach die Hauptrolle: einen Ritter, der<lb/> ein Gelübde gethan, nicht zu ſprechen … für Pius<lb/> Alexander Wolff geſchrieben, als deſſen Halsleiden ihm<lb/> das Sprechen auf der Bühne unmöglich machte … Aber<lb/> auch für das pantomimiſche Durchführen der ſchweren<lb/> Rolle fehlte dem großen Künſtler ſchon damals die<lb/> phyſiſche Kraft … Mit Zartſinn wurde das Stück<lb/> zurückgelegt — bis nach Wolff's Tode. Dann gab<lb/> Rebenſtein, dieſe echt ritterliche Geſtalt, den ſtummen<lb/> Helden … bis auch er bald darauf für immer ver¬<lb/> ſtummte …</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [157/0185]
überhaupt bei dem königlichen Inſtitut das Recht der
Anciennetät vorwaltete. Für das Ganze ſicher vorzüg¬
lich, iſt dieſe pietätvolle Einrichtung für das Ent¬
falten junger, aufſtrebender Talente im höchſten Grade
hemmend.
Ich hatte Berlin wie eine zweite Heimat lieb
gewonnen und es ſchmerzte mich tief, aus dem herrlichen
Künſtlerkreiſe ſcheiden zu müſſen! — Mit welch' weh¬
müthigem Entzücken ſpielte ich mit den liebenswürdigen
Kollegen, als nach meiner Rückkehr aus St. Petersburg
mein Scheiden von Berlin feſtſtand!
Jede Vorſtellung war für mich ein Abſchiednehmen …
Unvergeßlich bleibt mir eine der letzten: Raupach's
»Ritterwort«. Ich trat zuerſt als Page auf — dann
als die Dame des Ritterherzens in weißem Atlas, eine
faſt tragiſche Rolle. Und wie mit ſo ganz eigenen
wehmüthigen Gefühlen ſpielten wir Alle in dieſem Stück!
Hatte doch Raupach die Hauptrolle: einen Ritter, der
ein Gelübde gethan, nicht zu ſprechen … für Pius
Alexander Wolff geſchrieben, als deſſen Halsleiden ihm
das Sprechen auf der Bühne unmöglich machte … Aber
auch für das pantomimiſche Durchführen der ſchweren
Rolle fehlte dem großen Künſtler ſchon damals die
phyſiſche Kraft … Mit Zartſinn wurde das Stück
zurückgelegt — bis nach Wolff's Tode. Dann gab
Rebenſtein, dieſe echt ritterliche Geſtalt, den ſtummen
Helden … bis auch er bald darauf für immer ver¬
ſtummte …
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