Romeo etc., und für den Namen, der Dein Selbst nicht ist, nimm Meines ganz --".
Ich fiel sogleich ein: "Ich nehme Dich beim Wort, Geliebte" ... (Wolff nachsprechend) -- und so spielten wir die Szene im Thiergarten, als wölbte sich Italiens Himmel über uns.
Das war der Sontag harmlos heiterste Zeit, wie sie später oft versicherte, und unvergeßlich blieb ihr wie mir ein Christabend in Ludolf's traulichem Hause.
Es wurde am Weihnachtsabende uns und einigen Stammgästen Christkindchen beschert. Unter Blumen hatte man kleine Geschenke versteckt, und unter Lachen und Scherzen wurden dieselben gesucht und gefunden. Als gegenseitig die niedlichen Sachen bewundert wurden, ertönte aus dem Nebensaale: "Kommt a Vögli gefloge, setzt si nieder auf mei Fuß!" ... "Ach, die Tyroler," riefen wir freudigst überrascht aus, und lauschten dem herzigen Gesange.
Der freundliche Wirth hatte die Alpensänger kommen lassen, was nicht leicht zu bewerkstelligen war, denn die angesehensten Familien Berlins wünschten ihren Gästen die Tyroler zu produziren, welche im Opernhause mit den einfachen Liedern gefallen hatten. Es waren vier Männer und eine Frau; sie trugen Volkslieder mit wahren Prachtstimmen vor. Nachdem sie: "Steh nur auf, steh nur auf, schöner Schweizerbu'" gesungen, nahm die Sontag die Tyrolerin an's Klavier, denn sie wollte hören, bis zu welcher schwindelnden Höhe die Stimme
Romeo ꝛc., und für den Namen, der Dein Selbſt nicht iſt, nimm Meines ganz —«.
Ich fiel ſogleich ein: »Ich nehme Dich beim Wort, Geliebte« … (Wolff nachſprechend) — und ſo ſpielten wir die Szene im Thiergarten, als wölbte ſich Italiens Himmel über uns.
Das war der Sontag harmlos heiterſte Zeit, wie ſie ſpäter oft verſicherte, und unvergeßlich blieb ihr wie mir ein Chriſtabend in Ludolf's traulichem Hauſe.
Es wurde am Weihnachtsabende uns und einigen Stammgäſten Chriſtkindchen beſchert. Unter Blumen hatte man kleine Geſchenke verſteckt, und unter Lachen und Scherzen wurden dieſelben geſucht und gefunden. Als gegenſeitig die niedlichen Sachen bewundert wurden, ertönte aus dem Nebenſaale: »Kommt a Vögli gefloge, ſetzt ſi nieder auf mei Fuß!« … »Ach, die Tyroler,« riefen wir freudigſt überraſcht aus, und lauſchten dem herzigen Geſange.
Der freundliche Wirth hatte die Alpenſänger kommen laſſen, was nicht leicht zu bewerkſtelligen war, denn die angeſehenſten Familien Berlins wünſchten ihren Gäſten die Tyroler zu produziren, welche im Opernhauſe mit den einfachen Liedern gefallen hatten. Es waren vier Männer und eine Frau; ſie trugen Volkslieder mit wahren Prachtſtimmen vor. Nachdem ſie: »Steh nur auf, ſteh nur auf, ſchöner Schweizerbu'« geſungen, nahm die Sontag die Tyrolerin an's Klavier, denn ſie wollte hören, bis zu welcher ſchwindelnden Höhe die Stimme
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Romeo ꝛc., und für den Namen, der Dein Selbſt nicht
iſt, nimm Meines ganz —«.
Ich fiel ſogleich ein: »Ich nehme Dich beim Wort,
Geliebte« … (Wolff nachſprechend) — und ſo ſpielten
wir die Szene im Thiergarten, als wölbte ſich Italiens
Himmel über uns.
Das war der Sontag harmlos heiterſte Zeit, wie
ſie ſpäter oft verſicherte, und unvergeßlich blieb ihr wie
mir ein Chriſtabend in Ludolf's traulichem Hauſe.
Es wurde am Weihnachtsabende uns und einigen
Stammgäſten Chriſtkindchen beſchert. Unter Blumen
hatte man kleine Geſchenke verſteckt, und unter Lachen
und Scherzen wurden dieſelben geſucht und gefunden.
Als gegenſeitig die niedlichen Sachen bewundert wurden,
ertönte aus dem Nebenſaale: »Kommt a Vögli gefloge,
ſetzt ſi nieder auf mei Fuß!« … »Ach, die Tyroler,«
riefen wir freudigſt überraſcht aus, und lauſchten dem
herzigen Geſange.
Der freundliche Wirth hatte die Alpenſänger
kommen laſſen, was nicht leicht zu bewerkſtelligen war,
denn die angeſehenſten Familien Berlins wünſchten ihren
Gäſten die Tyroler zu produziren, welche im Opernhauſe
mit den einfachen Liedern gefallen hatten. Es waren
vier Männer und eine Frau; ſie trugen Volkslieder mit
wahren Prachtſtimmen vor. Nachdem ſie: »Steh nur
auf, ſteh nur auf, ſchöner Schweizerbu'« geſungen, nahm
die Sontag die Tyrolerin an's Klavier, denn ſie wollte
hören, bis zu welcher ſchwindelnden Höhe die Stimme
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/172>, abgerufen am 22.11.2024.
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