einblies: Wenn Du in diesem Augenblick niesen müßtest ... ! da fing die ganze bretterne Welt an, sich um mich zu drehen -- die Lampen huschten wie wahnsinnige Stern¬ schnuppen durch einander -- der Stein der Weisen auf meiner Stirn schwoll zum Chimborasso auf und wackelte, wie der Narr im Rochus Pumpernickel auf seiner Tonne und ich hörte sogar des Narren schneidende Stimme: "Rührt mich nicht an, ich bin von Glas ... oder ich falle auf die Nase der Philosophie nieder und in Scherben zerbricht der ganze Plunder ..." Und dann, wie im tiefen Traume war's mir, als riefe eine andere leise ängstliche Stimme: "Geschwind den Vorhang nieder -- die Philo¬ sophie wird ohnmächtig! -- Weiter hörte, sah ich nichts! Ich kam erst wieder zum Bewußtsein unten auf der Bühne. Gropius war die Treppe zu mir hinaufgesprungen und hatte mich nach dem Fallen des Vorhanges in seinen Armen aufgefangen und hinabgetragen. Auch die "Musik" sagte mir kläglich, daß sie keine Secunde länger hätte stillsitzen können, ohne von Schwindel ergriffen zu wer¬ den. Wir beide bestanden darauf, daß bei den üblichen Wiederholungen der Bilder im Schauspielhause unsere luftigen Sitze kleine Rückenlehnen erhielten.
Wenn nach der Vorstellung im Palais und dem Souper, -- das auch für die mitwirkenden Künstler in einem Nebensaale splendid servirt wurde, -- die hohen Herrschaften tanzten, sah es der König gern, daß die beschäftigt gewesenen Damen vom Theater dem glänzenden Feste zuschauten. Da munterte der König freundlich
einblies: Wenn Du in dieſem Augenblick nieſen müßteſt … ! da fing die ganze bretterne Welt an, ſich um mich zu drehen — die Lampen huſchten wie wahnſinnige Stern¬ ſchnuppen durch einander — der Stein der Weiſen auf meiner Stirn ſchwoll zum Chimboraſſo auf und wackelte, wie der Narr im Rochus Pumpernickel auf ſeiner Tonne und ich hörte ſogar des Narren ſchneidende Stimme: »Rührt mich nicht an, ich bin von Glas … oder ich falle auf die Naſe der Philoſophie nieder und in Scherben zerbricht der ganze Plunder …« Und dann, wie im tiefen Traume war's mir, als riefe eine andere leiſe ängſtliche Stimme: »Geſchwind den Vorhang nieder — die Philo¬ ſophie wird ohnmächtig! — Weiter hörte, ſah ich nichts! Ich kam erſt wieder zum Bewußtſein unten auf der Bühne. Gropius war die Treppe zu mir hinaufgeſprungen und hatte mich nach dem Fallen des Vorhanges in ſeinen Armen aufgefangen und hinabgetragen. Auch die »Muſik« ſagte mir kläglich, daß ſie keine Secunde länger hätte ſtillſitzen können, ohne von Schwindel ergriffen zu wer¬ den. Wir beide beſtanden darauf, daß bei den üblichen Wiederholungen der Bilder im Schauſpielhauſe unſere luftigen Sitze kleine Rückenlehnen erhielten.
Wenn nach der Vorſtellung im Palais und dem Souper, — das auch für die mitwirkenden Künſtler in einem Nebenſaale ſplendid ſervirt wurde, — die hohen Herrſchaften tanzten, ſah es der König gern, daß die beſchäftigt geweſenen Damen vom Theater dem glänzenden Feſte zuſchauten. Da munterte der König freundlich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0168"n="140"/>
einblies: Wenn Du in dieſem Augenblick nieſen müßteſt … !<lb/>
da fing die ganze bretterne Welt an, ſich um mich zu<lb/>
drehen — die Lampen huſchten wie wahnſinnige Stern¬<lb/>ſchnuppen durch einander — der Stein der Weiſen auf<lb/>
meiner Stirn ſchwoll zum Chimboraſſo auf und wackelte,<lb/>
wie der Narr im Rochus Pumpernickel auf ſeiner Tonne<lb/>
und ich hörte ſogar des Narren ſchneidende Stimme:<lb/>
»Rührt mich nicht an, ich bin von Glas … oder ich falle<lb/>
auf die Naſe der Philoſophie nieder und in Scherben<lb/>
zerbricht der ganze Plunder …« Und dann, wie im tiefen<lb/>
Traume war's mir, als riefe eine andere leiſe ängſtliche<lb/>
Stimme: »Geſchwind den Vorhang nieder — die Philo¬<lb/>ſophie wird ohnmächtig! — Weiter hörte, ſah ich nichts!<lb/>
Ich kam erſt wieder zum Bewußtſein unten auf der<lb/>
Bühne. Gropius war die Treppe zu mir hinaufgeſprungen<lb/>
und hatte mich nach dem Fallen des Vorhanges in ſeinen<lb/>
Armen aufgefangen und hinabgetragen. Auch die »Muſik«<lb/>ſagte mir kläglich, daß ſie keine Secunde länger hätte<lb/>ſtillſitzen können, ohne von Schwindel ergriffen zu wer¬<lb/>
den. Wir beide beſtanden darauf, daß bei den üblichen<lb/>
Wiederholungen der Bilder im Schauſpielhauſe unſere<lb/>
luftigen Sitze kleine Rückenlehnen erhielten.</p><lb/><p>Wenn nach der Vorſtellung im Palais und dem<lb/>
Souper, — das auch für die mitwirkenden Künſtler in<lb/>
einem Nebenſaale ſplendid ſervirt wurde, — die hohen<lb/>
Herrſchaften tanzten, ſah es der König gern, daß die<lb/>
beſchäftigt geweſenen Damen vom Theater dem glänzenden<lb/>
Feſte zuſchauten. Da munterte der König freundlich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[140/0168]
einblies: Wenn Du in dieſem Augenblick nieſen müßteſt … !
da fing die ganze bretterne Welt an, ſich um mich zu
drehen — die Lampen huſchten wie wahnſinnige Stern¬
ſchnuppen durch einander — der Stein der Weiſen auf
meiner Stirn ſchwoll zum Chimboraſſo auf und wackelte,
wie der Narr im Rochus Pumpernickel auf ſeiner Tonne
und ich hörte ſogar des Narren ſchneidende Stimme:
»Rührt mich nicht an, ich bin von Glas … oder ich falle
auf die Naſe der Philoſophie nieder und in Scherben
zerbricht der ganze Plunder …« Und dann, wie im tiefen
Traume war's mir, als riefe eine andere leiſe ängſtliche
Stimme: »Geſchwind den Vorhang nieder — die Philo¬
ſophie wird ohnmächtig! — Weiter hörte, ſah ich nichts!
Ich kam erſt wieder zum Bewußtſein unten auf der
Bühne. Gropius war die Treppe zu mir hinaufgeſprungen
und hatte mich nach dem Fallen des Vorhanges in ſeinen
Armen aufgefangen und hinabgetragen. Auch die »Muſik«
ſagte mir kläglich, daß ſie keine Secunde länger hätte
ſtillſitzen können, ohne von Schwindel ergriffen zu wer¬
den. Wir beide beſtanden darauf, daß bei den üblichen
Wiederholungen der Bilder im Schauſpielhauſe unſere
luftigen Sitze kleine Rückenlehnen erhielten.
Wenn nach der Vorſtellung im Palais und dem
Souper, — das auch für die mitwirkenden Künſtler in
einem Nebenſaale ſplendid ſervirt wurde, — die hohen
Herrſchaften tanzten, ſah es der König gern, daß die
beſchäftigt geweſenen Damen vom Theater dem glänzenden
Feſte zuſchauten. Da munterte der König freundlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/168>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.