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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Boden erreicht -- ich darf halb ohnmächtig die Augen
schließen, die Arme niederfallen lassen und den Kopf an
den Stuhl lehnen ... und Egmont darf rutschen --
rutschen . . Welch eine Seligkeit in diesem "dürfen!"

Rebenstein nannte mich später gern seine freundlichste
und tapferste Stütze.

Und dennoch sollte ich als "Philosophie" noch größere
Angst ausstehen. Hofrath Esperstedt sagte mir späterhin:
"Als gerechte Strafe dafür, daß Sie die Ehre so wenig
zu schätzen wissen, eine philosophische Nase zu haben und
mit ihr in Rafaels herrlichem Wandgemälde figuriren
zu dürfen. O, wenn ich solche Nase hätte -- ich gäbe
mit Hochgenuß zehn von meiner Sorte dafür hin ..."

Das berühmte Bild war mit echt künstlerischem
Geschmack und großer Pracht arrangirt. Eine goldene
Wand nahm die ganze Bühne ein. In dieser Wand be¬
fanden sich vier medaillonförmige Ausschnitte für die
lebenden Bilder, zwei hoch oben und zwei unten. Mlle.
Kleist, eine schöne Tänzerin, und ich sollten in der
Belle-Etage "Musik und Philosophie sitzen," während
Mad. Unzelmann, als Göttin der Gerechtigkeit, mit der
duftigen Poesie glücklich Parterre wohnten. Ja, wie
haben wir Hochgestellten, Himmlischen an jenem Abende
das solide Parterre beneidet!

Hinter den Himmelsfenstern des oberen Stockwerkes
waren winzige Sitze angebracht, lange schmale Treppen
führten hinauf. Fröhlich stieg die Philosophie hinan
und setzte sich auf ihr Präsentirtellerchen. Meister Gropius

Boden erreicht — ich darf halb ohnmächtig die Augen
ſchließen, die Arme niederfallen laſſen und den Kopf an
den Stuhl lehnen … und Egmont darf rutſchen —
rutſchen . . Welch eine Seligkeit in dieſem »dürfen!«

Rebenſtein nannte mich ſpäter gern ſeine freundlichſte
und tapferſte Stütze.

Und dennoch ſollte ich als »Philoſophie« noch größere
Angſt ausſtehen. Hofrath Esperſtedt ſagte mir ſpäterhin:
»Als gerechte Strafe dafür, daß Sie die Ehre ſo wenig
zu ſchätzen wiſſen, eine philoſophiſche Naſe zu haben und
mit ihr in Rafaels herrlichem Wandgemälde figuriren
zu dürfen. O, wenn ich ſolche Naſe hätte — ich gäbe
mit Hochgenuß zehn von meiner Sorte dafür hin …«

Das berühmte Bild war mit echt künſtleriſchem
Geſchmack und großer Pracht arrangirt. Eine goldene
Wand nahm die ganze Bühne ein. In dieſer Wand be¬
fanden ſich vier medaillonförmige Ausſchnitte für die
lebenden Bilder, zwei hoch oben und zwei unten. Mlle.
Kleiſt, eine ſchöne Tänzerin, und ich ſollten in der
Belle-Etage »Muſik und Philoſophie ſitzen,« während
Mad. Unzelmann, als Göttin der Gerechtigkeit, mit der
duftigen Poeſie glücklich Parterre wohnten. Ja, wie
haben wir Hochgeſtellten, Himmliſchen an jenem Abende
das ſolide Parterre beneidet!

Hinter den Himmelsfenſtern des oberen Stockwerkes
waren winzige Sitze angebracht, lange ſchmale Treppen
führten hinauf. Fröhlich ſtieg die Philoſophie hinan
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[138/0166] Boden erreicht — ich darf halb ohnmächtig die Augen ſchließen, die Arme niederfallen laſſen und den Kopf an den Stuhl lehnen … und Egmont darf rutſchen — rutſchen . . Welch eine Seligkeit in dieſem »dürfen!« Rebenſtein nannte mich ſpäter gern ſeine freundlichſte und tapferſte Stütze. Und dennoch ſollte ich als »Philoſophie« noch größere Angſt ausſtehen. Hofrath Esperſtedt ſagte mir ſpäterhin: »Als gerechte Strafe dafür, daß Sie die Ehre ſo wenig zu ſchätzen wiſſen, eine philoſophiſche Naſe zu haben und mit ihr in Rafaels herrlichem Wandgemälde figuriren zu dürfen. O, wenn ich ſolche Naſe hätte — ich gäbe mit Hochgenuß zehn von meiner Sorte dafür hin …« Das berühmte Bild war mit echt künſtleriſchem Geſchmack und großer Pracht arrangirt. Eine goldene Wand nahm die ganze Bühne ein. In dieſer Wand be¬ fanden ſich vier medaillonförmige Ausſchnitte für die lebenden Bilder, zwei hoch oben und zwei unten. Mlle. Kleiſt, eine ſchöne Tänzerin, und ich ſollten in der Belle-Etage »Muſik und Philoſophie ſitzen,« während Mad. Unzelmann, als Göttin der Gerechtigkeit, mit der duftigen Poeſie glücklich Parterre wohnten. Ja, wie haben wir Hochgeſtellten, Himmliſchen an jenem Abende das ſolide Parterre beneidet! Hinter den Himmelsfenſtern des oberen Stockwerkes waren winzige Sitze angebracht, lange ſchmale Treppen führten hinauf. Fröhlich ſtieg die Philoſophie hinan und ſetzte ſich auf ihr Präſentirtellerchen. Meiſter Gropius

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/166>, abgerufen am 25.11.2024.