gebot seiner letzten Kraft spielte -- und so spielte, wie man diese gigantische Rolle weder vor ihm noch nachher in Berlin wieder sah ... da fühlte er doch selber zu seinem tiefsten Schmerz, daß er sein Ideal von dieser Rolle nicht erreicht hatte -- nie mehr erreichen konnte ... Das brach seine Lebenskraft vollends und er sank auf's Krankenlager hin ... Aber noch einmal flackerte die alte Kunstliebe und Kunstbegeisterung in dem gebrochenen Körper auf -- so mächtig, daß sie auch dem müden Leibe noch für eine kurze Frist Kraft gab. Devrient wollte -- konnte wieder spielen. Am 1. Dezember 1832 schleppte er sich auf die Bühne -- und spielte den "Schewa", eine seiner Lieblingsrollen, wie nur Ludwig Devrient ihn spielte ... Wer einmal die zornigen, schrillen Fistel¬ töne Schewa's von Devrient gehört hat -- bei ihnen zusammengeschauert ist ... der wird mir Recht geben. Athemlos -- mit wehmüthigem, ernsten Schweigen folgte das volle Haus der erschütternden Leistung ... Der Vorhang fiel, und Ludwig Devrient, der Wiedererstandene, wurde stürmisch gerufen ... Er wankte vor und dankte mit zitternder Stimme und erloschenen Augen für diese beglückende Theilnahme und sprach von seiner Freude, wieder vor seinen Gönnern auf der Bühne zu stehen -- und von der Hoffnung auf ein neues, frisches Leben und Blühen und Wachsen seiner Kunst ... Aber er glaubte selber nicht an diese Worte -- an diese schöne Zukunft ... Mühsam schleppte er sich in die Coulissen zurück -- da brach er zusammen und die Thränen stürzten ihm aus
gebot ſeiner letzten Kraft ſpielte — und ſo ſpielte, wie man dieſe gigantiſche Rolle weder vor ihm noch nachher in Berlin wieder ſah … da fühlte er doch ſelber zu ſeinem tiefſten Schmerz, daß er ſein Ideal von dieſer Rolle nicht erreicht hatte — nie mehr erreichen konnte … Das brach ſeine Lebenskraft vollends und er ſank auf's Krankenlager hin … Aber noch einmal flackerte die alte Kunſtliebe und Kunſtbegeiſterung in dem gebrochenen Körper auf — ſo mächtig, daß ſie auch dem müden Leibe noch für eine kurze Friſt Kraft gab. Devrient wollte — konnte wieder ſpielen. Am 1. Dezember 1832 ſchleppte er ſich auf die Bühne — und ſpielte den »Schewa«, eine ſeiner Lieblingsrollen, wie nur Ludwig Devrient ihn ſpielte … Wer einmal die zornigen, ſchrillen Fiſtel¬ töne Schewa's von Devrient gehört hat — bei ihnen zuſammengeſchauert iſt … der wird mir Recht geben. Athemlos — mit wehmüthigem, ernſten Schweigen folgte das volle Haus der erſchütternden Leiſtung … Der Vorhang fiel, und Ludwig Devrient, der Wiedererſtandene, wurde ſtürmiſch gerufen … Er wankte vor und dankte mit zitternder Stimme und erloſchenen Augen für dieſe beglückende Theilnahme und ſprach von ſeiner Freude, wieder vor ſeinen Gönnern auf der Bühne zu ſtehen — und von der Hoffnung auf ein neues, friſches Leben und Blühen und Wachſen ſeiner Kunſt … Aber er glaubte ſelber nicht an dieſe Worte — an dieſe ſchöne Zukunft … Mühſam ſchleppte er ſich in die Couliſſen zurück — da brach er zuſammen und die Thränen ſtürzten ihm aus
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gebot ſeiner letzten Kraft ſpielte — und ſo ſpielte, wie
man dieſe gigantiſche Rolle weder vor ihm noch nachher
in Berlin wieder ſah … da fühlte er doch ſelber zu
ſeinem tiefſten Schmerz, daß er ſein Ideal von dieſer
Rolle nicht erreicht hatte — nie mehr erreichen konnte …
Das brach ſeine Lebenskraft vollends und er ſank auf's
Krankenlager hin … Aber noch einmal flackerte die alte
Kunſtliebe und Kunſtbegeiſterung in dem gebrochenen
Körper auf — ſo mächtig, daß ſie auch dem müden Leibe
noch für eine kurze Friſt Kraft gab. Devrient wollte —
konnte wieder ſpielen. Am 1. Dezember 1832 ſchleppte
er ſich auf die Bühne — und ſpielte den »Schewa«,
eine ſeiner Lieblingsrollen, wie nur Ludwig Devrient
ihn ſpielte … Wer einmal die zornigen, ſchrillen Fiſtel¬
töne Schewa's von Devrient gehört hat — bei ihnen
zuſammengeſchauert iſt … der wird mir Recht geben.
Athemlos — mit wehmüthigem, ernſten Schweigen folgte
das volle Haus der erſchütternden Leiſtung … Der
Vorhang fiel, und Ludwig Devrient, der Wiedererſtandene,
wurde ſtürmiſch gerufen … Er wankte vor und dankte
mit zitternder Stimme und erloſchenen Augen für dieſe
beglückende Theilnahme und ſprach von ſeiner Freude,
wieder vor ſeinen Gönnern auf der Bühne zu ſtehen —
und von der Hoffnung auf ein neues, friſches Leben und
Blühen und Wachſen ſeiner Kunſt … Aber er glaubte
ſelber nicht an dieſe Worte — an dieſe ſchöne Zukunft …
Mühſam ſchleppte er ſich in die Couliſſen zurück — da
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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