girten Konzert mitzuwirken. Ja wir! Madame Grün¬ baum, die berühmte Tochter des Wiener Volkskomponisten Wenzel Müller, die Gattin des Tenoristen Grünbaum, die als Hofsängerin von der großen Oper in Wien hier gastirt und mit Recht den Namen "die deutsche Catalani" führt, eine fein gebildete, liebenswürdige Dame, und?! -- Moscheles -- der geniale Virtuos -- die Mutter und ich.
Karl Blum hatte Moscheles einige Tage vor dem Konzert uns vorgestellt. Wir wußten kaum, was mehr für ihn einnahm: -- das eminente Talent, oder sein bescheiden natürliches und doch so würdevolles Benehmen. In Moscheles' Augen würde Zelter auch gern blicken, denn sein sanftes Gemüth, seine reine Künstlerseele spiegeln sich unverhohlen darin. Ich sollte vor ihm spielen, aber ich wagte es nicht. Er verstand es jedoch so prächtig, mir Muth einzureden, und ließ nicht nach, bis ich ein vierhändiges Rondo mit ihm ausführte -- Rondo Turc von Czerny. Wahrscheinlich opferte er sich der Mutter zu Liebe, denn die hat ihn schon ganz in ihr Herz ge¬ schlossen und schwärmt für Moscheles.
Blum hatte für einen bequemen Wagen gesorgt, und recht vergnügt begannen wir auf der Landstraße zu plaudern, -- als Moscheles, plötzlich die Augen schließend, todtenblaß zurücksank und stöhnte: "wie wird mir -- mein Kopf, mein Kopf!" Du kannst Dir unsern Schrecken vorstellen, wir ließen halten und riefen nach Karl Blum, der einige Schritte voraus fuhr. -- Das Gesicht des
girten Konzert mitzuwirken. Ja wir! Madame Grün¬ baum, die berühmte Tochter des Wiener Volkskomponiſten Wenzel Müller, die Gattin des Tenoriſten Grünbaum, die als Hofſängerin von der großen Oper in Wien hier gaſtirt und mit Recht den Namen »die deutſche Catalani« führt, eine fein gebildete, liebenswürdige Dame, und?! — Moſcheles — der geniale Virtuos — die Mutter und ich.
Karl Blum hatte Moſcheles einige Tage vor dem Konzert uns vorgeſtellt. Wir wußten kaum, was mehr für ihn einnahm: — das eminente Talent, oder ſein beſcheiden natürliches und doch ſo würdevolles Benehmen. In Moſcheles' Augen würde Zelter auch gern blicken, denn ſein ſanftes Gemüth, ſeine reine Künſtlerſeele ſpiegeln ſich unverhohlen darin. Ich ſollte vor ihm ſpielen, aber ich wagte es nicht. Er verſtand es jedoch ſo prächtig, mir Muth einzureden, und ließ nicht nach, bis ich ein vierhändiges Rondo mit ihm ausführte — Rondo Turc von Czerny. Wahrſcheinlich opferte er ſich der Mutter zu Liebe, denn die hat ihn ſchon ganz in ihr Herz ge¬ ſchloſſen und ſchwärmt für Moſcheles.
Blum hatte für einen bequemen Wagen geſorgt, und recht vergnügt begannen wir auf der Landſtraße zu plaudern, — als Moſcheles, plötzlich die Augen ſchließend, todtenblaß zurückſank und ſtöhnte: »wie wird mir — mein Kopf, mein Kopf!« Du kannſt Dir unſern Schrecken vorſtellen, wir ließen halten und riefen nach Karl Blum, der einige Schritte voraus fuhr. — Das Geſicht des
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0124"n="96"/>
girten Konzert mitzuwirken. Ja <hirendition="#g">wir</hi>! Madame Grün¬<lb/>
baum, die berühmte Tochter des Wiener Volkskomponiſten<lb/>
Wenzel Müller, die Gattin des Tenoriſten Grünbaum,<lb/>
die als Hofſängerin von der großen Oper in Wien hier<lb/>
gaſtirt und mit Recht den Namen »die deutſche Catalani«<lb/>
führt, eine fein gebildete, liebenswürdige Dame, und?!<lb/>—<hirendition="#g">Moſcheles</hi>— der geniale Virtuos — die Mutter<lb/>
und ich.</p><lb/><p>Karl Blum hatte Moſcheles einige Tage vor dem<lb/>
Konzert uns vorgeſtellt. Wir wußten kaum, was mehr<lb/>
für ihn einnahm: — das eminente Talent, oder ſein<lb/>
beſcheiden natürliches und doch ſo würdevolles Benehmen.<lb/>
In Moſcheles' Augen würde Zelter auch gern blicken,<lb/>
denn ſein ſanftes Gemüth, ſeine reine Künſtlerſeele ſpiegeln<lb/>ſich unverhohlen darin. Ich ſollte vor ihm ſpielen, aber<lb/>
ich wagte es nicht. Er verſtand es jedoch ſo prächtig,<lb/>
mir Muth einzureden, und ließ nicht nach, bis ich ein<lb/>
vierhändiges Rondo mit ihm ausführte — Rondo Turc<lb/>
von Czerny. Wahrſcheinlich opferte er ſich der Mutter<lb/>
zu Liebe, denn die hat ihn ſchon ganz in ihr Herz ge¬<lb/>ſchloſſen und ſchwärmt für Moſcheles.</p><lb/><p>Blum hatte für einen bequemen Wagen geſorgt, und<lb/>
recht vergnügt begannen wir auf der Landſtraße zu<lb/>
plaudern, — als Moſcheles, plötzlich die Augen ſchließend,<lb/>
todtenblaß zurückſank und ſtöhnte: »wie wird mir —<lb/>
mein Kopf, mein Kopf!« Du kannſt Dir unſern Schrecken<lb/>
vorſtellen, wir ließen halten und riefen nach Karl Blum,<lb/>
der einige Schritte voraus fuhr. — Das Geſicht des<lb/></p></div></body></text></TEI>
[96/0124]
girten Konzert mitzuwirken. Ja wir! Madame Grün¬
baum, die berühmte Tochter des Wiener Volkskomponiſten
Wenzel Müller, die Gattin des Tenoriſten Grünbaum,
die als Hofſängerin von der großen Oper in Wien hier
gaſtirt und mit Recht den Namen »die deutſche Catalani«
führt, eine fein gebildete, liebenswürdige Dame, und?!
— Moſcheles — der geniale Virtuos — die Mutter
und ich.
Karl Blum hatte Moſcheles einige Tage vor dem
Konzert uns vorgeſtellt. Wir wußten kaum, was mehr
für ihn einnahm: — das eminente Talent, oder ſein
beſcheiden natürliches und doch ſo würdevolles Benehmen.
In Moſcheles' Augen würde Zelter auch gern blicken,
denn ſein ſanftes Gemüth, ſeine reine Künſtlerſeele ſpiegeln
ſich unverhohlen darin. Ich ſollte vor ihm ſpielen, aber
ich wagte es nicht. Er verſtand es jedoch ſo prächtig,
mir Muth einzureden, und ließ nicht nach, bis ich ein
vierhändiges Rondo mit ihm ausführte — Rondo Turc
von Czerny. Wahrſcheinlich opferte er ſich der Mutter
zu Liebe, denn die hat ihn ſchon ganz in ihr Herz ge¬
ſchloſſen und ſchwärmt für Moſcheles.
Blum hatte für einen bequemen Wagen geſorgt, und
recht vergnügt begannen wir auf der Landſtraße zu
plaudern, — als Moſcheles, plötzlich die Augen ſchließend,
todtenblaß zurückſank und ſtöhnte: »wie wird mir —
mein Kopf, mein Kopf!« Du kannſt Dir unſern Schrecken
vorſtellen, wir ließen halten und riefen nach Karl Blum,
der einige Schritte voraus fuhr. — Das Geſicht des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/124>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.