Devrient in's Zimmer. Ernst und blaß, doch mit mil¬ den Zügen stand er vor mir und sagte in bezaubernd anmuthiger Weise freundliche Worte seinen Freunden, -- dann mir, der jungen Kollegin, Wohlwollendes, Er¬ muthigendes! Devrient war schwarz gekleidet, fein, elegant, er sprach leise, einfach, -- aber wie zur Unter¬ haltung gezwungen, -- bis er später bei Tische lebhafter wurde. Sein schwarzes, voll gelocktes Haar, die mar¬ morweiße Stirn, die kühnen Augenbrauen mußten schon frappiren; aber die magnetisch anziehenden dunklen Augen, welche bald wie Lorenz Kindlein blickten, so gut, so fromm -- bald aufblitzend von Geist und Leben, -- fesselten mich unwiderstehlich. Der hübsch geformte Mund, den selbst beim Lächeln Wehmuth umzitterte, das eigen Traumartige, Zerstreute in seinem ganzen Wesen rührten mich tief. Ich fühlte die innigste Sympathie mit dem bescheidenen, sich so anspruchslos zeigenden Mann, der es gar nicht zu wissen scheint, daß er der größte Mime seines Jahrhunderts ist! Ich hätte ihm Angenehmes, Beglückendes sagen mögen -- denn ich fühlte den edlen, neidlosen Charakter des seltenen Künstlers heraus -- und die Gewißheit, bald mit Devrient spielen zu können, beseligte mich wahrhaft; die Chikanen der Aktionäre, -- die Rolle der Gräfin Elsbeth -- -- ja selbst der geliebte blinde Theaterschimmel -- Alles ist verschmerzt!
Herr Kapellmeister Schneider und seine sanfte, ge¬ müthliche Gattin sind uns auch schon sehr lieb geworden. Es muß einem behaglich zu Muthe sein bei diesem bie¬
Erinnerungen etc. 6
Devrient in's Zimmer. Ernſt und blaß, doch mit mil¬ den Zügen ſtand er vor mir und ſagte in bezaubernd anmuthiger Weiſe freundliche Worte ſeinen Freunden, — dann mir, der jungen Kollegin, Wohlwollendes, Er¬ muthigendes! Devrient war ſchwarz gekleidet, fein, elegant, er ſprach leiſe, einfach, — aber wie zur Unter¬ haltung gezwungen, — bis er ſpäter bei Tiſche lebhafter wurde. Sein ſchwarzes, voll gelocktes Haar, die mar¬ morweiße Stirn, die kühnen Augenbrauen mußten ſchon frappiren; aber die magnetiſch anziehenden dunklen Augen, welche bald wie Lorenz Kindlein blickten, ſo gut, ſo fromm — bald aufblitzend von Geiſt und Leben, — feſſelten mich unwiderſtehlich. Der hübſch geformte Mund, den ſelbſt beim Lächeln Wehmuth umzitterte, das eigen Traumartige, Zerſtreute in ſeinem ganzen Weſen rührten mich tief. Ich fühlte die innigſte Sympathie mit dem beſcheidenen, ſich ſo anſpruchslos zeigenden Mann, der es gar nicht zu wiſſen ſcheint, daß er der größte Mime ſeines Jahrhunderts iſt! Ich hätte ihm Angenehmes, Beglückendes ſagen mögen — denn ich fühlte den edlen, neidloſen Charakter des ſeltenen Künſtlers heraus — und die Gewißheit, bald mit Devrient ſpielen zu können, beſeligte mich wahrhaft; die Chikanen der Aktionäre, — die Rolle der Gräfin Elsbeth — — ja ſelbſt der geliebte blinde Theaterſchimmel — Alles iſt verſchmerzt!
Herr Kapellmeiſter Schneider und ſeine ſanfte, ge¬ müthliche Gattin ſind uns auch ſchon ſehr lieb geworden. Es muß einem behaglich zu Muthe ſein bei dieſem bie¬
Erinnerungen ꝛc. 6
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Devrient in's Zimmer. Ernſt und blaß, doch mit mil¬
den Zügen ſtand er vor mir und ſagte in bezaubernd
anmuthiger Weiſe freundliche Worte ſeinen Freunden,
— dann mir, der jungen Kollegin, Wohlwollendes, Er¬
muthigendes! Devrient war ſchwarz gekleidet, fein,
elegant, er ſprach leiſe, einfach, — aber wie zur Unter¬
haltung gezwungen, — bis er ſpäter bei Tiſche lebhafter
wurde. Sein ſchwarzes, voll gelocktes Haar, die mar¬
morweiße Stirn, die kühnen Augenbrauen mußten ſchon
frappiren; aber die magnetiſch anziehenden dunklen Augen,
welche bald wie Lorenz Kindlein blickten, ſo gut, ſo
fromm — bald aufblitzend von Geiſt und Leben, —
feſſelten mich unwiderſtehlich. Der hübſch geformte Mund,
den ſelbſt beim Lächeln Wehmuth umzitterte, das eigen
Traumartige, Zerſtreute in ſeinem ganzen Weſen rührten
mich tief. Ich fühlte die innigſte Sympathie mit dem
beſcheidenen, ſich ſo anſpruchslos zeigenden Mann, der
es gar nicht zu wiſſen ſcheint, daß er der größte Mime
ſeines Jahrhunderts iſt! Ich hätte ihm Angenehmes,
Beglückendes ſagen mögen — denn ich fühlte den edlen,
neidloſen Charakter des ſeltenen Künſtlers heraus —
und die Gewißheit, bald mit Devrient ſpielen zu können,
beſeligte mich wahrhaft; die Chikanen der Aktionäre, —
die Rolle der Gräfin Elsbeth — — ja ſelbſt der geliebte
blinde Theaterſchimmel — Alles iſt verſchmerzt!
Herr Kapellmeiſter Schneider und ſeine ſanfte, ge¬
müthliche Gattin ſind uns auch ſchon ſehr lieb geworden.
Es muß einem behaglich zu Muthe ſein bei dieſem bie¬
Erinnerungen ꝛc. 6
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/109>, abgerufen am 25.11.2024.
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