Dies Herz, das die frischen, sprudelnden Schrift¬ züge einst mit Jubel gelesen, hat ausgeschlagen ...
Eine alte Frau legt die vergilbten Briefblätter zu den trockenen -- aber immer noch lieb duftenden Blumen¬ blättern ihrer Erinnerungen ...
Berlin, den 10. Dezember 1824.
Der Strudel des geselligen Lebens hat uns seit einigen Wochen erfaßt und unaufhaltsam mit fortgerissen! Dankbar, gerührt von den Beweisen des Wohlwollens, vermochten wir es nicht, die vielen herzlichen Einladungen zurückzuweisen. Bälle, Konzerte -- in denen ich dekla¬ mirte -- Diners, Soupers, Familienfeste, sogar ein Maskenball wechselten in bunter und schnellster Reihen¬ folge ... Und was steht noch in Aussicht bis Mitte Dezember, wo meine unfreiwilligen Ferien zu Ende sind!
Wer hätte gedacht, lieber Louis, daß Eure kleine Komödiantin in dem kritisirenden, selbstbewußten, ge¬ lehrten Berlin Aufsehen erregen würde! Ungern von der grollenden Königstädter Direktion entlassen, -- von der königlichen Intendanz mit Freuden engagirt -- und -- und was die Mutter am Meisten freut -- im gesel¬ ligen Leben so ausgezeichnet und gesucht ... darf man da mit 17 Jahren nicht ein wenig übermüthig glücklich sein? Ja, mon frere, ich bin seit dem "Turnier zu Kronstein" das enfant gate der Berliner, -- mein succes außerhalb der Bühne übertrifft womöglich den bretternen noch. Die gute Mutter wird nicht müde zu wiederholen: "Lina, diese Epoche wird wohl die glücklichste
Dies Herz, das die friſchen, ſprudelnden Schrift¬ züge einſt mit Jubel geleſen, hat ausgeſchlagen …
Eine alte Frau legt die vergilbten Briefblätter zu den trockenen — aber immer noch lieb duftenden Blumen¬ blättern ihrer Erinnerungen …
Berlin, den 10. Dezember 1824.
Der Strudel des geſelligen Lebens hat uns ſeit einigen Wochen erfaßt und unaufhaltſam mit fortgeriſſen! Dankbar, gerührt von den Beweiſen des Wohlwollens, vermochten wir es nicht, die vielen herzlichen Einladungen zurückzuweiſen. Bälle, Konzerte — in denen ich dekla¬ mirte — Diners, Soupers, Familienfeſte, ſogar ein Maskenball wechſelten in bunter und ſchnellſter Reihen¬ folge … Und was ſteht noch in Ausſicht bis Mitte Dezember, wo meine unfreiwilligen Ferien zu Ende ſind!
Wer hätte gedacht, lieber Louis, daß Eure kleine Komödiantin in dem kritiſirenden, ſelbſtbewußten, ge¬ lehrten Berlin Aufſehen erregen würde! Ungern von der grollenden Königſtädter Direktion entlaſſen, — von der königlichen Intendanz mit Freuden engagirt — und — und was die Mutter am Meiſten freut — im geſel¬ ligen Leben ſo ausgezeichnet und geſucht … darf man da mit 17 Jahren nicht ein wenig übermüthig glücklich ſein? Ja, mon frère, ich bin ſeit dem »Turnier zu Kronſtein« das enfant gâté der Berliner, — mein succès außerhalb der Bühne übertrifft womöglich den bretternen noch. Die gute Mutter wird nicht müde zu wiederholen: »Lina, dieſe Epoche wird wohl die glücklichſte
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Dies Herz, das die friſchen, ſprudelnden Schrift¬
züge einſt mit Jubel geleſen, hat ausgeſchlagen …
Eine alte Frau legt die vergilbten Briefblätter zu
den trockenen — aber immer noch lieb duftenden Blumen¬
blättern ihrer Erinnerungen …
Berlin, den 10. Dezember 1824.
Der Strudel des geſelligen Lebens hat uns ſeit
einigen Wochen erfaßt und unaufhaltſam mit fortgeriſſen!
Dankbar, gerührt von den Beweiſen des Wohlwollens,
vermochten wir es nicht, die vielen herzlichen Einladungen
zurückzuweiſen. Bälle, Konzerte — in denen ich dekla¬
mirte — Diners, Soupers, Familienfeſte, ſogar ein
Maskenball wechſelten in bunter und ſchnellſter Reihen¬
folge … Und was ſteht noch in Ausſicht bis Mitte
Dezember, wo meine unfreiwilligen Ferien zu Ende ſind!
Wer hätte gedacht, lieber Louis, daß Eure kleine
Komödiantin in dem kritiſirenden, ſelbſtbewußten, ge¬
lehrten Berlin Aufſehen erregen würde! Ungern von
der grollenden Königſtädter Direktion entlaſſen, — von
der königlichen Intendanz mit Freuden engagirt — und
— und was die Mutter am Meiſten freut — im geſel¬
ligen Leben ſo ausgezeichnet und geſucht … darf man
da mit 17 Jahren nicht ein wenig übermüthig glücklich
ſein? Ja, mon frère, ich bin ſeit dem »Turnier zu
Kronſtein« das enfant gâté der Berliner, — mein
succès außerhalb der Bühne übertrifft womöglich den
bretternen noch. Die gute Mutter wird nicht müde zu
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/104>, abgerufen am 23.11.2024.
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