Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Allgemeinen mochten, gleich den Oromatua in Tahiti,
die aus eigener Verwandtschaft vertrauten Hausgötter im
Hause selbst besorgt werden, Zeus auch als ktesios, der
Mehrer der Habe, oder als Herkeios (und ephestios), als
teleios dann, unter den deoi teleioi (als Ehegötter), da-
neben selbstverständlich der anspruchslose Hermes Strophaios
hinter der Thürangel*), aber in wichtigeren Fällen mochte
es der Hausvater gerathen finden, Einen der thuoskooi herbei-
zuziehen, wenn er sich nicht mit demjenigen der manteis
begnügen wollte, der der Eingeweideschau wegen für die
Opfer doch erforderlich war. Für den Tempelcult bedurfte
es dann des iereus, wofür unter den areteres (Beter) Sach-
kenner zu finden waren, um dem jedesmaligen Insassen des
Naos genehm zu sein (und im Adyton oder Megaron der
Cella zugelassen zu werden).

Hier konnte neben den gewöhnlichen Reinigungen (vivo
flumine**), um (beim Gebet) puras ad caelum tollere manus,
dann auch die mit den Vorrechten der Asyle (wie der Athene
Alea in Tegea, in Phlius, Kalauria u. s. w.) verknüpften
geübt werden, soweit sie in der Blutschuld***) gefordert
wurden, oder, da diese manchmal erst den schwarzen Künsten
der psukhagogoi+ (s. Pausanias) weichen wollte, jedenfalls die

*) Cardea, Limentinus, Limentina, Forculus u. s. w. (in Rom).
**) Weshalb sich Nähe der Flüsse naheliegend empfahl. Delubra veteres
dicebant templa fontes habentia (Isid.).
***) Zur Reinigung lässt Kirke (bei Apolloder) am Halse des Mörders
das Opferblut herabfliessen, und nach Abwaschung (mit dem entfernt fort-
zutragenden Wasser) werden Sühnemittel (meiliktra) verbrannt, unter
Ausgiessen von nephalia, und Anrufung des Zeus Katharsios oder Meilichios
als phuxios) gegen die Erinnyen.
+ Nachdem Pausanias sich an Zeus Phyxius zur Befreiung von der
Blutschuld gewandt, begab er sich zu den Geisterbeschwörern von Phigalia
(in Arkadien). Ehe sich für die Griechen die Erinnyen zu Eumeniden
gemildert, mochte es ihnen obliegen, (in den ethnologisch überall be-
kannten Künsten) die dem Mörder aufhockende Seele seines Schlachtopfers
fortzuführen, da die aus Hass oder Liebe verfolgenden Seelen sich gern

Im Allgemeinen mochten, gleich den Oromatua in Tahiti,
die aus eigener Verwandtschaft vertrauten Hausgötter im
Hause selbst besorgt werden, Zeus auch als κτησιος, der
Mehrer der Habe, oder als Herkeios (und ἐφέστιος), als
τἔλειος dann, unter den δεοί τἔλειοι (als Ehegötter), da-
neben selbstverständlich der anspruchslose Hermes Strophaios
hinter der Thürangel*), aber in wichtigeren Fällen mochte
es der Hausvater gerathen finden, Einen der ϑυοσκόοι herbei-
zuziehen, wenn er sich nicht mit demjenigen der μάντεις
begnügen wollte, der der Eingeweideschau wegen für die
Opfer doch erforderlich war. Für den Tempelcult bedurfte
es dann des ίερευς, wofür unter den ἀρητῆρες (Beter) Sach-
kenner zu finden waren, um dem jedesmaligen Insassen des
Naos genehm zu sein (und im Adyton oder Megaron der
Cella zugelassen zu werden).

Hier konnte neben den gewöhnlichen Reinigungen (vivo
flumine**), um (beim Gebet) puras ad caelum tollere manus,
dann auch die mit den Vorrechten der Asyle (wie der Athene
Alea in Tegea, in Phlius, Kalauria u. s. w.) verknüpften
geübt werden, soweit sie in der Blutschuld***) gefordert
wurden, oder, da diese manchmal erst den schwarzen Künsten
der ψυχαγωγοί (s. Pausanias) weichen wollte, jedenfalls die

*) Cardea, Limentinus, Limentina, Forculus u. s. w. (in Rom).
**) Weshalb sich Nähe der Flüsse naheliegend empfahl. Delubra veteres
dicebant templa fontes habentia (Isid.).
***) Zur Reinigung lässt Kirke (bei Apolloder) am Halse des Mörders
das Opferblut herabfliessen, und nach Abwaschung (mit dem entfernt fort-
zutragenden Wasser) werden Sühnemittel (μειλικτρα) verbrannt, unter
Ausgiessen von νηφαλία, und Anrufung des Zeus Katharsios oder Meilichios
als φυξιος) gegen die Erinnyen.
Nachdem Pausanias sich an Zeus Phyxius zur Befreiung von der
Blutschuld gewandt, begab er sich zu den Geisterbeschwörern von Phigalia
(in Arkadien). Ehe sich für die Griechen die Erinnyen zu Eumeniden
gemildert, mochte es ihnen obliegen, (in den ethnologisch überall be-
kannten Künsten) die dem Mörder aufhockende Seele seines Schlachtopfers
fortzuführen, da die aus Hass oder Liebe verfolgenden Seelen sich gern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0098" n="64"/>
        <p>Im Allgemeinen mochten, gleich den Oromatua in Tahiti,<lb/>
die aus eigener Verwandtschaft vertrauten Hausgötter im<lb/>
Hause selbst besorgt werden, Zeus auch als &#x03BA;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2;, der<lb/>
Mehrer der Habe, oder als Herkeios (und &#x1F10;&#x03C6;&#x03AD;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2;), als<lb/>
&#x03C4;&#x1F14;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2; dann, unter den &#x03B4;&#x03B5;&#x03BF;&#x03AF; &#x03C4;&#x1F14;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BF;&#x03B9; (als Ehegötter), da-<lb/>
neben selbstverständlich der anspruchslose Hermes Strophaios<lb/>
hinter der Thürangel<note place="foot" n="*)">Cardea, Limentinus, Limentina, Forculus u. s. w. (in Rom).</note>, aber in wichtigeren Fällen mochte<lb/>
es der Hausvater gerathen finden, Einen der &#x03D1;&#x03C5;&#x03BF;&#x03C3;&#x03BA;&#x03CC;&#x03BF;&#x03B9; herbei-<lb/>
zuziehen, wenn er sich nicht mit demjenigen der &#x03BC;&#x03AC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C2;<lb/>
begnügen wollte, der der Eingeweideschau wegen für die<lb/>
Opfer doch erforderlich war. Für den Tempelcult bedurfte<lb/>
es dann des &#x03AF;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B5;&#x03C5;&#x03C2;, wofür unter den &#x1F00;&#x03C1;&#x03B7;&#x03C4;&#x1FC6;&#x03C1;&#x03B5;&#x03C2; (Beter) Sach-<lb/>
kenner zu finden waren, um dem jedesmaligen Insassen des<lb/>
Naos genehm zu sein (und im Adyton oder Megaron der<lb/>
Cella zugelassen zu werden).</p><lb/>
        <p>Hier konnte neben den gewöhnlichen Reinigungen (vivo<lb/>
flumine<note place="foot" n="**)">Weshalb sich Nähe der Flüsse naheliegend empfahl. Delubra veteres<lb/>
dicebant templa fontes habentia (Isid.).</note>, um (beim Gebet) puras ad caelum tollere manus,<lb/>
dann auch die mit den Vorrechten der Asyle (wie der Athene<lb/>
Alea in Tegea, in Phlius, Kalauria u. s. w.) verknüpften<lb/>
geübt werden, soweit sie in der Blutschuld<note place="foot" n="***)">Zur Reinigung lässt Kirke (bei Apolloder) am Halse des Mörders<lb/>
das Opferblut herabfliessen, und nach Abwaschung (mit dem entfernt fort-<lb/>
zutragenden Wasser) werden Sühnemittel (&#x03BC;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BA;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B1;) verbrannt, unter<lb/>
Ausgiessen von &#x03BD;&#x03B7;&#x03C6;&#x03B1;&#x03BB;&#x03AF;&#x03B1;, und Anrufung des Zeus Katharsios oder Meilichios<lb/>
als &#x03C6;&#x03C5;&#x03BE;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2;) gegen die Erinnyen.</note> gefordert<lb/>
wurden, oder, da diese manchmal erst den schwarzen Künsten<lb/>
der &#x03C8;&#x03C5;&#x03C7;&#x03B1;&#x03B3;&#x03C9;&#x03B3;&#x03BF;&#x03AF;<note xml:id="seg2pn_9_1" next="#seg2pn_9_2" place="foot" n="&#x2020;">Nachdem Pausanias sich an Zeus Phyxius zur Befreiung von der<lb/>
Blutschuld gewandt, begab er sich zu den Geisterbeschwörern von Phigalia<lb/>
(in Arkadien). Ehe sich für die Griechen die Erinnyen zu Eumeniden<lb/>
gemildert, mochte es ihnen obliegen, (in den ethnologisch überall be-<lb/>
kannten Künsten) die dem Mörder aufhockende Seele seines Schlachtopfers<lb/>
fortzuführen, da die aus Hass oder Liebe verfolgenden Seelen sich gern</note> (s. Pausanias) weichen wollte, jedenfalls die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0098] Im Allgemeinen mochten, gleich den Oromatua in Tahiti, die aus eigener Verwandtschaft vertrauten Hausgötter im Hause selbst besorgt werden, Zeus auch als κτησιος, der Mehrer der Habe, oder als Herkeios (und ἐφέστιος), als τἔλειος dann, unter den δεοί τἔλειοι (als Ehegötter), da- neben selbstverständlich der anspruchslose Hermes Strophaios hinter der Thürangel *), aber in wichtigeren Fällen mochte es der Hausvater gerathen finden, Einen der ϑυοσκόοι herbei- zuziehen, wenn er sich nicht mit demjenigen der μάντεις begnügen wollte, der der Eingeweideschau wegen für die Opfer doch erforderlich war. Für den Tempelcult bedurfte es dann des ίερευς, wofür unter den ἀρητῆρες (Beter) Sach- kenner zu finden waren, um dem jedesmaligen Insassen des Naos genehm zu sein (und im Adyton oder Megaron der Cella zugelassen zu werden). Hier konnte neben den gewöhnlichen Reinigungen (vivo flumine **), um (beim Gebet) puras ad caelum tollere manus, dann auch die mit den Vorrechten der Asyle (wie der Athene Alea in Tegea, in Phlius, Kalauria u. s. w.) verknüpften geübt werden, soweit sie in der Blutschuld ***) gefordert wurden, oder, da diese manchmal erst den schwarzen Künsten der ψυχαγωγοί † (s. Pausanias) weichen wollte, jedenfalls die *) Cardea, Limentinus, Limentina, Forculus u. s. w. (in Rom). **) Weshalb sich Nähe der Flüsse naheliegend empfahl. Delubra veteres dicebant templa fontes habentia (Isid.). ***) Zur Reinigung lässt Kirke (bei Apolloder) am Halse des Mörders das Opferblut herabfliessen, und nach Abwaschung (mit dem entfernt fort- zutragenden Wasser) werden Sühnemittel (μειλικτρα) verbrannt, unter Ausgiessen von νηφαλία, und Anrufung des Zeus Katharsios oder Meilichios als φυξιος) gegen die Erinnyen. † Nachdem Pausanias sich an Zeus Phyxius zur Befreiung von der Blutschuld gewandt, begab er sich zu den Geisterbeschwörern von Phigalia (in Arkadien). Ehe sich für die Griechen die Erinnyen zu Eumeniden gemildert, mochte es ihnen obliegen, (in den ethnologisch überall be- kannten Künsten) die dem Mörder aufhockende Seele seines Schlachtopfers fortzuführen, da die aus Hass oder Liebe verfolgenden Seelen sich gern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/98
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/98>, abgerufen am 25.11.2024.