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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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Jünglinge wurden herumgedreht, bis zur Ohnmacht (unter
Abschneiden des linken Kleinfinger's) und dann um die
Arche des "Big Canoe" geschleppt (wohin der heilige Vogel*)
den Zweig gebracht). Nach Beendigung der Riten folgte
das Fest unter dem Vorsitz der Rah-to-co-puk-chee (the
governing woman) mit geschlechtlichen Orgien (s. Catlin).

Aus den Vorstellungen der Unreinigkeit folgt die Aus-
treibung des Uebels in den durchgehenden Jahresfesten, die
sich dann als der geeignete Beginn heilbringender Ceremonien
erweisen, und sich somit auch nahe mit der im Aufwachsen
der Generationen herantretenden Jünglingsweihe der Knaben
verknüpfen.

Der Jezer hara oder (böse) Sinnestrieb entsteht im
Leibe bereits vor der Geburt (nach Bereschith rabba), wo-
gegen die Seele sich erst nach der Geburt vereinigt. Die
eine Niere räth dem Menschen zum Guten, die andere zum
Bösen (nach Nedarim). Ahriman hat die gesammte Welt
mit seinem Gifte durchdrungen (von dem der Buddhist sich
deshalb abwendet, seit es der Blauhalsige für die Brahmanen
nicht überzuschlucken vermochte), auch den Himmel zum Ein-
dringen durchbohrend (bei Shahristani), wie die Asuren in
den Himmel einbrachen (im Kampf mit den Deva).

Die allgemeinen Reinigungsfeste verknüpfen sich, wie
im mexicanischen Lustrum (des 52 jährigen Cyclus) mit
der Feuerlöschung, so bei Enagismata der Sintier in der,
Hephästos beim Himmesfall aufnehmenden Insel Lemnos, wo-
hin das neue Feuer aus dem auch von Todten (die in Rhenia
begraben wurden) gereinigten Delos gebracht wurden, der
durch den Schlag des Dreizack aus dem Meere aufgestiegen
und dann von Zeus (als Zufluchtsort Latona's) befestigten

*) Indra bringt als Falke (im Rigveda) das Soma, und die weisse
Haoma gewährt (im Bundehesh) das ewige Leben. Odhin (als Adler)
raubt den unsterblichen Göttertrank (der Amrita oder Ambrosia). Bei den
(dem Seelenherr Vielona beim Leichenfest opfernden) Polen führt Nyas
(Herr der Seelen) die (zu Gnesen in Vögel verwandelte) Seelen in's Jenseits.

Jünglinge wurden herumgedreht, bis zur Ohnmacht (unter
Abschneiden des linken Kleinfinger’s) und dann um die
Arche des „Big Canoe“ geschleppt (wohin der heilige Vogel*)
den Zweig gebracht). Nach Beendigung der Riten folgte
das Fest unter dem Vorsitz der Rah-to-co-puk-chee (the
governing woman) mit geschlechtlichen Orgien (s. Catlin).

Aus den Vorstellungen der Unreinigkeit folgt die Aus-
treibung des Uebels in den durchgehenden Jahresfesten, die
sich dann als der geeignete Beginn heilbringender Ceremonien
erweisen, und sich somit auch nahe mit der im Aufwachsen
der Generationen herantretenden Jünglingsweihe der Knaben
verknüpfen.

Der Jezer hara oder (böse) Sinnestrieb entsteht im
Leibe bereits vor der Geburt (nach Bereschith rabba), wo-
gegen die Seele sich erst nach der Geburt vereinigt. Die
eine Niere räth dem Menschen zum Guten, die andere zum
Bösen (nach Nedarim). Ahriman hat die gesammte Welt
mit seinem Gifte durchdrungen (von dem der Buddhist sich
deshalb abwendet, seit es der Blauhalsige für die Brahmanen
nicht überzuschlucken vermochte), auch den Himmel zum Ein-
dringen durchbohrend (bei Shahristani), wie die Asuren in
den Himmel einbrachen (im Kampf mit den Deva).

Die allgemeinen Reinigungsfeste verknüpfen sich, wie
im mexicanischen Lustrum (des 52 jährigen Cyclus) mit
der Feuerlöschung, so bei Enagismata der Sintier in der,
Hephästos beim Himmesfall aufnehmenden Insel Lemnos, wo-
hin das neue Feuer aus dem auch von Todten (die in Rhenia
begraben wurden) gereinigten Delos gebracht wurden, der
durch den Schlag des Dreizack aus dem Meere aufgestiegen
und dann von Zeus (als Zufluchtsort Latona’s) befestigten

*) Indra bringt als Falke (im Rigveda) das Soma, und die weisse
Haoma gewährt (im Bundehesh) das ewige Leben. Odhin (als Adler)
raubt den unsterblichen Göttertrank (der Amrita oder Ambrosia). Bei den
(dem Seelenherr Vielona beim Leichenfest opfernden) Polen führt Nyas
(Herr der Seelen) die (zu Gnesen in Vögel verwandelte) Seelen in’s Jenseits.
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[55/0089] Jünglinge wurden herumgedreht, bis zur Ohnmacht (unter Abschneiden des linken Kleinfinger’s) und dann um die Arche des „Big Canoe“ geschleppt (wohin der heilige Vogel *) den Zweig gebracht). Nach Beendigung der Riten folgte das Fest unter dem Vorsitz der Rah-to-co-puk-chee (the governing woman) mit geschlechtlichen Orgien (s. Catlin). Aus den Vorstellungen der Unreinigkeit folgt die Aus- treibung des Uebels in den durchgehenden Jahresfesten, die sich dann als der geeignete Beginn heilbringender Ceremonien erweisen, und sich somit auch nahe mit der im Aufwachsen der Generationen herantretenden Jünglingsweihe der Knaben verknüpfen. Der Jezer hara oder (böse) Sinnestrieb entsteht im Leibe bereits vor der Geburt (nach Bereschith rabba), wo- gegen die Seele sich erst nach der Geburt vereinigt. Die eine Niere räth dem Menschen zum Guten, die andere zum Bösen (nach Nedarim). Ahriman hat die gesammte Welt mit seinem Gifte durchdrungen (von dem der Buddhist sich deshalb abwendet, seit es der Blauhalsige für die Brahmanen nicht überzuschlucken vermochte), auch den Himmel zum Ein- dringen durchbohrend (bei Shahristani), wie die Asuren in den Himmel einbrachen (im Kampf mit den Deva). Die allgemeinen Reinigungsfeste verknüpfen sich, wie im mexicanischen Lustrum (des 52 jährigen Cyclus) mit der Feuerlöschung, so bei Enagismata der Sintier in der, Hephästos beim Himmesfall aufnehmenden Insel Lemnos, wo- hin das neue Feuer aus dem auch von Todten (die in Rhenia begraben wurden) gereinigten Delos gebracht wurden, der durch den Schlag des Dreizack aus dem Meere aufgestiegen und dann von Zeus (als Zufluchtsort Latona’s) befestigten *) Indra bringt als Falke (im Rigveda) das Soma, und die weisse Haoma gewährt (im Bundehesh) das ewige Leben. Odhin (als Adler) raubt den unsterblichen Göttertrank (der Amrita oder Ambrosia). Bei den (dem Seelenherr Vielona beim Leichenfest opfernden) Polen führt Nyas (Herr der Seelen) die (zu Gnesen in Vögel verwandelte) Seelen in’s Jenseits.

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/89>, abgerufen am 25.11.2024.