Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

um einen lebenden Atua zusammengezogenen Schülerkreis, dort
in abgeschlossener Einsamkeit wurden die gewonnenen Schluss-
resultate zu fernerer Verdichtung der nächsten Generation über-
geben, und so bei der dem Unbegrenzten entgegenstrebenden
Entwickelungsfähigkeit des Geistes zu beständig neuer Aus-
dehnung des Gefeder in der Denkspirale hinaufgedrängt
Indem Zeit und Gelegenheit gegeben war, höhere Alters-
stufen zu erreichen, konnten die diesen adäquaten Manifesta-
tionen zur Entfaltung gelangen, während sie (wie an sich
verständlich) mit jüngerer Lebensdauer abschliessenden Volks-
geistern versagt bleiben mussten.

Wenn solche in meditirender Beschaulichkeit gereifte
Früchte durch einen aus esoterischer Kaste (die sie mit dem
accumulirten Gemeingut vorangegangener Generationen er-
nährt hatte) hervortretenden Propheten dem Volke dann zum
allgemeinen Mitgenuss überlassen, wurde sein Name dankbar
mit den Schätzen der Religionslehren verknüpft, die von ihm
gespendet.

Das erste, was den Naturmenschen im Denken interessirt,
ist bei der Gebrechlichkeit des Körpers, für die daraus fol-
genden Leiden, die Ursache des Uebels auszufinden, und
deshalb entweder in den allgemein verbreiteten Reinigungs-
festen auszutreiben oder wie der (kühne) Zauber der Pampa
(statt gleich dem Fetizero durch nachgesuchte Vermittelung
Hülfe und Schonung zu erlangen) den Dämon Gualicho
im Ringkampf (combate con el demonio) zu besiegen, bis zum
Hörbarwerden der Voz chillona y dolorida como imitando
la de un espiritu, que ha sido vencido (s. Barbara), und die
(unter dem Gegensatz des bösen Sasabonsam zum Sofo oder
Priester bei den Odschi) dadurch eingeleitete Vorstellung
des Uebels findet dann weiter moralisch ihre Durchbildung.

Für die Herkunft der Dinge oder Schöpfung, wenn sie
überhaupt in die Gedanken kommt (da man eigentlich, weil
Niemand dabei gewesen, nichts davon wissen könne, nach
Ansicht der Californier), so bieten sich (von einem unbestimmten

um einen lebenden Atua zusammengezogenen Schülerkreis, dort
in abgeschlossener Einsamkeit wurden die gewonnenen Schluss-
resultate zu fernerer Verdichtung der nächsten Generation über-
geben, und so bei der dem Unbegrenzten entgegenstrebenden
Entwickelungsfähigkeit des Geistes zu beständig neuer Aus-
dehnung des Gefeder in der Denkspirale hinaufgedrängt
Indem Zeit und Gelegenheit gegeben war, höhere Alters-
stufen zu erreichen, konnten die diesen adäquaten Manifesta-
tionen zur Entfaltung gelangen, während sie (wie an sich
verständlich) mit jüngerer Lebensdauer abschliessenden Volks-
geistern versagt bleiben mussten.

Wenn solche in meditirender Beschaulichkeit gereifte
Früchte durch einen aus esoterischer Kaste (die sie mit dem
accumulirten Gemeingut vorangegangener Generationen er-
nährt hatte) hervortretenden Propheten dem Volke dann zum
allgemeinen Mitgenuss überlassen, wurde sein Name dankbar
mit den Schätzen der Religionslehren verknüpft, die von ihm
gespendet.

Das erste, was den Naturmenschen im Denken interessirt,
ist bei der Gebrechlichkeit des Körpers, für die daraus fol-
genden Leiden, die Ursache des Uebels auszufinden, und
deshalb entweder in den allgemein verbreiteten Reinigungs-
festen auszutreiben oder wie der (kühne) Zauber der Pampa
(statt gleich dem Fetizero durch nachgesuchte Vermittelung
Hülfe und Schonung zu erlangen) den Dämon Gualicho
im Ringkampf (combate con el demonio) zu besiegen, bis zum
Hörbarwerden der Voz chillona y dolorida como imitando
la de un espiritu, que ha sido vencido (s. Barbara), und die
(unter dem Gegensatz des bösen Sasabonsam zum Sofo oder
Priester bei den Odschi) dadurch eingeleitete Vorstellung
des Uebels findet dann weiter moralisch ihre Durchbildung.

Für die Herkunft der Dinge oder Schöpfung, wenn sie
überhaupt in die Gedanken kommt (da man eigentlich, weil
Niemand dabei gewesen, nichts davon wissen könne, nach
Ansicht der Californier), so bieten sich (von einem unbestimmten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0084" n="50"/>
um einen lebenden Atua zusammengezogenen Schülerkreis, dort<lb/>
in abgeschlossener Einsamkeit wurden die gewonnenen Schluss-<lb/>
resultate zu fernerer Verdichtung der nächsten Generation über-<lb/>
geben, und so bei der dem Unbegrenzten entgegenstrebenden<lb/>
Entwickelungsfähigkeit des Geistes zu beständig neuer Aus-<lb/>
dehnung des Gefeder in der Denkspirale hinaufgedrängt<lb/>
Indem Zeit und Gelegenheit gegeben war, höhere Alters-<lb/>
stufen zu erreichen, konnten die diesen adäquaten Manifesta-<lb/>
tionen zur Entfaltung gelangen, während sie (wie an sich<lb/>
verständlich) mit jüngerer Lebensdauer abschliessenden Volks-<lb/>
geistern versagt bleiben mussten.</p><lb/>
        <p>Wenn solche in meditirender Beschaulichkeit gereifte<lb/>
Früchte durch einen aus esoterischer Kaste (die sie mit dem<lb/>
accumulirten Gemeingut vorangegangener Generationen er-<lb/>
nährt hatte) hervortretenden Propheten dem Volke dann zum<lb/>
allgemeinen Mitgenuss überlassen, wurde sein Name dankbar<lb/>
mit den Schätzen der Religionslehren verknüpft, die von ihm<lb/>
gespendet.</p><lb/>
        <p>Das erste, was den Naturmenschen im Denken interessirt,<lb/>
ist bei der Gebrechlichkeit des Körpers, für die daraus fol-<lb/>
genden Leiden, die Ursache des Uebels auszufinden, und<lb/>
deshalb entweder in den allgemein verbreiteten Reinigungs-<lb/>
festen auszutreiben oder wie der (kühne) Zauber der Pampa<lb/>
(statt gleich dem Fetizero durch nachgesuchte Vermittelung<lb/>
Hülfe und Schonung zu erlangen) den Dämon Gualicho<lb/>
im Ringkampf (combate con el demonio) zu besiegen, bis zum<lb/>
Hörbarwerden der Voz chillona y dolorida como imitando<lb/>
la de un espiritu, que ha sido vencido (s. Barbara), und die<lb/>
(unter dem Gegensatz des bösen Sasabonsam zum Sofo oder<lb/>
Priester bei den Odschi) dadurch eingeleitete Vorstellung<lb/>
des Uebels findet dann weiter moralisch ihre Durchbildung.</p><lb/>
        <p>Für die Herkunft der Dinge oder Schöpfung, wenn sie<lb/>
überhaupt in die Gedanken kommt (da man eigentlich, weil<lb/>
Niemand dabei gewesen, nichts davon wissen könne, nach<lb/>
Ansicht der Californier), so bieten sich (von einem unbestimmten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0084] um einen lebenden Atua zusammengezogenen Schülerkreis, dort in abgeschlossener Einsamkeit wurden die gewonnenen Schluss- resultate zu fernerer Verdichtung der nächsten Generation über- geben, und so bei der dem Unbegrenzten entgegenstrebenden Entwickelungsfähigkeit des Geistes zu beständig neuer Aus- dehnung des Gefeder in der Denkspirale hinaufgedrängt Indem Zeit und Gelegenheit gegeben war, höhere Alters- stufen zu erreichen, konnten die diesen adäquaten Manifesta- tionen zur Entfaltung gelangen, während sie (wie an sich verständlich) mit jüngerer Lebensdauer abschliessenden Volks- geistern versagt bleiben mussten. Wenn solche in meditirender Beschaulichkeit gereifte Früchte durch einen aus esoterischer Kaste (die sie mit dem accumulirten Gemeingut vorangegangener Generationen er- nährt hatte) hervortretenden Propheten dem Volke dann zum allgemeinen Mitgenuss überlassen, wurde sein Name dankbar mit den Schätzen der Religionslehren verknüpft, die von ihm gespendet. Das erste, was den Naturmenschen im Denken interessirt, ist bei der Gebrechlichkeit des Körpers, für die daraus fol- genden Leiden, die Ursache des Uebels auszufinden, und deshalb entweder in den allgemein verbreiteten Reinigungs- festen auszutreiben oder wie der (kühne) Zauber der Pampa (statt gleich dem Fetizero durch nachgesuchte Vermittelung Hülfe und Schonung zu erlangen) den Dämon Gualicho im Ringkampf (combate con el demonio) zu besiegen, bis zum Hörbarwerden der Voz chillona y dolorida como imitando la de un espiritu, que ha sido vencido (s. Barbara), und die (unter dem Gegensatz des bösen Sasabonsam zum Sofo oder Priester bei den Odschi) dadurch eingeleitete Vorstellung des Uebels findet dann weiter moralisch ihre Durchbildung. Für die Herkunft der Dinge oder Schöpfung, wenn sie überhaupt in die Gedanken kommt (da man eigentlich, weil Niemand dabei gewesen, nichts davon wissen könne, nach Ansicht der Californier), so bieten sich (von einem unbestimmten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/84
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/84>, abgerufen am 22.11.2024.