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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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dafür angerufenen Kitsche-manitu, wärend der Matchi-manitu
durch einen Schlussstein in der Erde festgehalten wird, bis
sich jeder mit dem unter Zuckungen ausgebrochenen Bösen
(in Muschelform) gereinigt hat.

Wie meist bei der Aufnahme in die Geheimorden findet
oft auch bei der Pubertätsweihe (in den Quimbe Loango's
und im Belli-Paro, wie bei den Alfuren Ceram's u. s. w.)
eine regenerirende Wiedergeburt statt und auch qualvolle
Prüfungen fehlen nicht, weder bei Mandan noch in Australien.
Daraus, je nach der Ertragungsfähigkeit, ergeben sich Stufen-
grade (vom Waubeno an), wie bei Mithra's Löwen,
Raben u. s. w.

Die von den Brahmanen durch das Tragen der Janeo
bekundete Wiedergeburt (in Australien die Reinigung bis
auf die Eingeweide ausdehnend) wurde bei den Eskimo durch
das Verschlungenwerden im Seeungeheuer erreicht, das den
prophetischen Jonas dann wieder ausspie.

Wenn bei den Dacota (s. Pond) das prophetische Be-
wusstsein erwacht, fluthet, von den vier Winden getragen,
die beflügelte Seele bei den verschiedenen Naturbeseelungen
umher, ihre Geheimnisse zu lernen, und besitzt dann die
Fähigkeit, sich viermal, zur Offenbarung der erworbenen
Kräfte, einzukörpern, um dann (gleichsam nach Verbrauch
derselben) in ein Nirwana*) zu verschwinden**).

Indem der Mensch um sich herum die Schöpfung
walten sieht, in Entfaltung von Kräften, welche die seinen

*) Leaving thought and spirit behind, divesting itself of personality
and individual consicousness the soul by an ecstatic elevation of being might
enter into actual unification or contact (aplosis, aphe) with God and
become absorbed in the Infinite Intelligence, from which it emanated
(s. Rendall) nach Porphyrius, als Schüler des Ammonius Sacas (mit Hin-
deutungen auf Sacamuni).
**) In wirklichem Sein (des Ding an sich), für irdische Begriffe, im
Gegensatz zu der diese täuschenden Maya. Das Eins in dem kosmos
noetos geht durch nous in die Seele über, wogegen die Materie, jedes wirk-
lichen Sein's beraubt, nur in Negationen aufzufassen ist (bei Plotinus).

dafür angerufenen Kitsche-manitu, wärend der Matchi-manitu
durch einen Schlussstein in der Erde festgehalten wird, bis
sich jeder mit dem unter Zuckungen ausgebrochenen Bösen
(in Muschelform) gereinigt hat.

Wie meist bei der Aufnahme in die Geheimorden findet
oft auch bei der Pubertätsweihe (in den Quimbe Loango’s
und im Belli-Paro, wie bei den Alfuren Ceram’s u. s. w.)
eine regenerirende Wiedergeburt statt und auch qualvolle
Prüfungen fehlen nicht, weder bei Mandan noch in Australien.
Daraus, je nach der Ertragungsfähigkeit, ergeben sich Stufen-
grade (vom Waubeno an), wie bei Mithra’s Löwen,
Raben u. s. w.

Die von den Brahmanen durch das Tragen der Janeo
bekundete Wiedergeburt (in Australien die Reinigung bis
auf die Eingeweide ausdehnend) wurde bei den Eskimo durch
das Verschlungenwerden im Seeungeheuer erreicht, das den
prophetischen Jonas dann wieder ausspie.

Wenn bei den Dacota (s. Pond) das prophetische Be-
wusstsein erwacht, fluthet, von den vier Winden getragen,
die beflügelte Seele bei den verschiedenen Naturbeseelungen
umher, ihre Geheimnisse zu lernen, und besitzt dann die
Fähigkeit, sich viermal, zur Offenbarung der erworbenen
Kräfte, einzukörpern, um dann (gleichsam nach Verbrauch
derselben) in ein Nirwana*) zu verschwinden**).

Indem der Mensch um sich herum die Schöpfung
walten sieht, in Entfaltung von Kräften, welche die seinen

*) Leaving thought and spirit behind, divesting itself of personality
and individual consicousness the soul by an ecstatic elevation of being might
enter into actual unification or contact (ἅπλωσις, ἀφή) with God and
become absorbed in the Infinite Intelligence, from which it emanated
(s. Rendall) nach Porphyrius, als Schüler des Ammonius Sacas (mit Hin-
deutungen auf Sacamuni).
**) In wirklichem Sein (des Ding an sich), für irdische Begriffe, im
Gegensatz zu der diese täuschenden Maya. Das Eins in dem κόσμος
νοητός geht durch νοῦς in die Seele über, wogegen die Materie, jedes wirk-
lichen Sein’s beraubt, nur in Negationen aufzufassen ist (bei Plotinus).
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[44/0078] dafür angerufenen Kitsche-manitu, wärend der Matchi-manitu durch einen Schlussstein in der Erde festgehalten wird, bis sich jeder mit dem unter Zuckungen ausgebrochenen Bösen (in Muschelform) gereinigt hat. Wie meist bei der Aufnahme in die Geheimorden findet oft auch bei der Pubertätsweihe (in den Quimbe Loango’s und im Belli-Paro, wie bei den Alfuren Ceram’s u. s. w.) eine regenerirende Wiedergeburt statt und auch qualvolle Prüfungen fehlen nicht, weder bei Mandan noch in Australien. Daraus, je nach der Ertragungsfähigkeit, ergeben sich Stufen- grade (vom Waubeno an), wie bei Mithra’s Löwen, Raben u. s. w. Die von den Brahmanen durch das Tragen der Janeo bekundete Wiedergeburt (in Australien die Reinigung bis auf die Eingeweide ausdehnend) wurde bei den Eskimo durch das Verschlungenwerden im Seeungeheuer erreicht, das den prophetischen Jonas dann wieder ausspie. Wenn bei den Dacota (s. Pond) das prophetische Be- wusstsein erwacht, fluthet, von den vier Winden getragen, die beflügelte Seele bei den verschiedenen Naturbeseelungen umher, ihre Geheimnisse zu lernen, und besitzt dann die Fähigkeit, sich viermal, zur Offenbarung der erworbenen Kräfte, einzukörpern, um dann (gleichsam nach Verbrauch derselben) in ein Nirwana *) zu verschwinden **). Indem der Mensch um sich herum die Schöpfung walten sieht, in Entfaltung von Kräften, welche die seinen *) Leaving thought and spirit behind, divesting itself of personality and individual consicousness the soul by an ecstatic elevation of being might enter into actual unification or contact (ἅπλωσις, ἀφή) with God and become absorbed in the Infinite Intelligence, from which it emanated (s. Rendall) nach Porphyrius, als Schüler des Ammonius Sacas (mit Hin- deutungen auf Sacamuni). **) In wirklichem Sein (des Ding an sich), für irdische Begriffe, im Gegensatz zu der diese täuschenden Maya. Das Eins in dem κόσμος νοητός geht durch νοῦς in die Seele über, wogegen die Materie, jedes wirk- lichen Sein’s beraubt, nur in Negationen aufzufassen ist (bei Plotinus).

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/78>, abgerufen am 22.11.2024.