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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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den Khond, oder sonst patriarchalisch). Auch ist die unter
den vorwaltenden Theorien als Grundstock der ganzen Entwick-
lung untergelegte Familie für solche Betrachtung in Wegfall
zu kommen, da so lange, wie in der Mehrzahl der Paradig-
men eine exogame Ehe herrscht, so lange es sich um Ge-
schwister (in den Cognaten) handelt, (während die Gebrüder
im agnatischen Mannesstamm zur Geltung kämen) die Familie
noch nicht existirt*), und wenn weiterhin Mann und Frau ver-
schiedenen Gentes angehören (und so für die Kinder das
Neffenrecht folgt, oft in gynocratischen Weiterergebnissen),
kann sich eine Familie, klärlich genug, eben noch nicht
zusammenschliessen, und eher mag sie sogar ausserdem in
Geschlechtsklassen (wie bei den Kamilaroi) auseinanderfallen,
(also eine Art Anticipation der Geschlechter, in Wortbedeutung).

Unser heutiger Begriff der Familie (seit Singuli singulas
familias incipiunt habere
) ist natürlich ein fest umschriebener
und bestimmt erfasster, weil eben (mit den heutigen Hilfs-
mitteln logischen Denkens) aus dem heute bei uns factisch
Vorliegendem abstrahirt (und so innerhalb des Gesellschafts-
ganzen an dem zukommenden Platz localisirt). Als dem-
gemäss aus den Factoren herausgerechnetes Product, muss
hier deshalb die Probe richtig zutreffen, nicht jedoch, wenn
diese anderswo angelegt wird, etwa bei der römischen Fa-
milia
(mit Zurückgehen auf oscisches famel) oder der im oikos
begriffenen Familie der Griechen, (neben dem in fictitiver
Adoption herausgebildeten Clan), von fremden Fernen gar
nicht zu reden.

Wir haben allerdings die schematischen Formen von
Familie und Stamm vor uns, die wir uns auseinander ent-
standen denken können, weil sie sich ineinander zerlegen
lassen, aber eine thatsächliche Einheit tritt erst in der Sippe

*) Das alt-italische Haus kann gar nicht für sich alleinstehend gedacht
werden, weil es auf rechter Ehe beruht, und noch weniger sich fortpflanzen,
ohne mit andern Häusern in einer weiteren sacralen Gemeinschaft zu stehen
(s. Nissen). So überall in verschiedenen Continenten.

den Khond, oder sonst patriarchalisch). Auch ist die unter
den vorwaltenden Theorien als Grundstock der ganzen Entwick-
lung untergelegte Familie für solche Betrachtung in Wegfall
zu kommen, da so lange, wie in der Mehrzahl der Paradig-
men eine exogame Ehe herrscht, so lange es sich um Ge-
schwister (in den Cognaten) handelt, (während die Gebrüder
im agnatischen Mannesstamm zur Geltung kämen) die Familie
noch nicht existirt*), und wenn weiterhin Mann und Frau ver-
schiedenen Gentes angehören (und so für die Kinder das
Neffenrecht folgt, oft in gynocratischen Weiterergebnissen),
kann sich eine Familie, klärlich genug, eben noch nicht
zusammenschliessen, und eher mag sie sogar ausserdem in
Geschlechtsklassen (wie bei den Kamilaroi) auseinanderfallen,
(also eine Art Anticipation der Geschlechter, in Wortbedeutung).

Unser heutiger Begriff der Familie (seit Singuli singulas
familias incipiunt habere
) ist natürlich ein fest umschriebener
und bestimmt erfasster, weil eben (mit den heutigen Hilfs-
mitteln logischen Denkens) aus dem heute bei uns factisch
Vorliegendem abstrahirt (und so innerhalb des Gesellschafts-
ganzen an dem zukommenden Platz localisirt). Als dem-
gemäss aus den Factoren herausgerechnetes Product, muss
hier deshalb die Probe richtig zutreffen, nicht jedoch, wenn
diese anderswo angelegt wird, etwa bei der römischen Fa-
milia
(mit Zurückgehen auf oscisches famel) oder der im οἷκος
begriffenen Familie der Griechen, (neben dem in fictitiver
Adoption herausgebildeten Clan), von fremden Fernen gar
nicht zu reden.

Wir haben allerdings die schematischen Formen von
Familie und Stamm vor uns, die wir uns auseinander ent-
standen denken können, weil sie sich ineinander zerlegen
lassen, aber eine thatsächliche Einheit tritt erst in der Sippe

*) Das alt-italische Haus kann gar nicht für sich alleinstehend gedacht
werden, weil es auf rechter Ehe beruht, und noch weniger sich fortpflanzen,
ohne mit andern Häusern in einer weiteren sacralen Gemeinschaft zu stehen
(s. Nissen). So überall in verschiedenen Continenten.
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[21/0055] den Khond, oder sonst patriarchalisch). Auch ist die unter den vorwaltenden Theorien als Grundstock der ganzen Entwick- lung untergelegte Familie für solche Betrachtung in Wegfall zu kommen, da so lange, wie in der Mehrzahl der Paradig- men eine exogame Ehe herrscht, so lange es sich um Ge- schwister (in den Cognaten) handelt, (während die Gebrüder im agnatischen Mannesstamm zur Geltung kämen) die Familie noch nicht existirt *), und wenn weiterhin Mann und Frau ver- schiedenen Gentes angehören (und so für die Kinder das Neffenrecht folgt, oft in gynocratischen Weiterergebnissen), kann sich eine Familie, klärlich genug, eben noch nicht zusammenschliessen, und eher mag sie sogar ausserdem in Geschlechtsklassen (wie bei den Kamilaroi) auseinanderfallen, (also eine Art Anticipation der Geschlechter, in Wortbedeutung). Unser heutiger Begriff der Familie (seit Singuli singulas familias incipiunt habere) ist natürlich ein fest umschriebener und bestimmt erfasster, weil eben (mit den heutigen Hilfs- mitteln logischen Denkens) aus dem heute bei uns factisch Vorliegendem abstrahirt (und so innerhalb des Gesellschafts- ganzen an dem zukommenden Platz localisirt). Als dem- gemäss aus den Factoren herausgerechnetes Product, muss hier deshalb die Probe richtig zutreffen, nicht jedoch, wenn diese anderswo angelegt wird, etwa bei der römischen Fa- milia (mit Zurückgehen auf oscisches famel) oder der im οἷκος begriffenen Familie der Griechen, (neben dem in fictitiver Adoption herausgebildeten Clan), von fremden Fernen gar nicht zu reden. Wir haben allerdings die schematischen Formen von Familie und Stamm vor uns, die wir uns auseinander ent- standen denken können, weil sie sich ineinander zerlegen lassen, aber eine thatsächliche Einheit tritt erst in der Sippe *) Das alt-italische Haus kann gar nicht für sich alleinstehend gedacht werden, weil es auf rechter Ehe beruht, und noch weniger sich fortpflanzen, ohne mit andern Häusern in einer weiteren sacralen Gemeinschaft zu stehen (s. Nissen). So überall in verschiedenen Continenten.

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/55>, abgerufen am 25.11.2024.