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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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Die Erntegötter bleiben die wichtigsten, und die Angst des
Verhungerns macht fromm*), selbst wildeste Völker, die sonst ihre
Götter, wie die Naga u. a. m., bedrohen**) mögen, zu demüthigem
Betteln treibend oder Büssungen in allen Continenten. Wenn unter
den Preussen die Priester bei Missernten die Vermittlung Ausch-
weit's anriefen, bekannte und beklagte das Volk reuig seine Sün-
den. Hier haben die meteorologischen Wechsel in den Jahreszeiten
die Möglichkeit eines Wechsels, also auch zum Guten, genugsam
bewiesen, während der Hinblick auf den unerbittlichen Tod, trotz
seiner Schrecken des Unbekannten, gleichgültiger lässt, da die
Deiwes Walditoyes genannten Göttinnen dem Menschen sein Todten-
hemd weben, im Gang des mechanischen Naturganzens fortwebend
zum Ende, und hier nur mit übernatürlicher***) Offenbarungskraft
eingegriffen werden könnte, wie um die Hand der Parzen abzu-
halten, den Lebensfaden zu durchschneiden.

In bestimmten Adelsfamilien erbt die Pflicht zur Opferstellung
beim Tode königlicher Familienglieder auf den Carolinen (wie bei
den Chibcha). Die Nachkommen der sieben Rishi zerfallen in ver-
schiedene Gotra (bei den Brahmanen) und das Heirathen geschieht
zwischen verschiedenen Gotra desselben Stammes+), weil sonst das
Pinda oder Ahnenopfer nicht gebracht werden kann. Nach Be-
seitigung des Königthums++), blieb dem Basileus die Priesterliche

*) Beim Opfermahl (am Erntefest des Swantowit) "galt es für fromm, die
Nüchternheit zu verletzen und für ein Unrecht sie zu bewahren" (s. Schwenck),
und so überall unter Verknüpfung orgiastischer Ceremonien mit Geheimgebräuchen
der Ackerbaugötter.
**) Wie die Abor heilige Bäume abhauen, um die Rückgabe geraubter
Kleider zu erzwingen, so schälten die Preussen (s. Lasicz) von ihren heiligen
Bäumen die Rinde ab, um sich für den Tod von Gänsen und Hühnern zu rächen.
***) Heinrich VI. (von England) verlangte von den Priestern, die Brod
und Wein in Christi Leib und Blut zu verwandeln vermöchten, auch unedles
Metall in Gold zu verwandeln, während der Geldnoth, da dies ihnen doch noch
leichter sein müsse (J. R. Wagner). Am Himmel pflegen die Heiligen mehr zu
vermögen als auf der Erde. Der Prophet, der den Mond zertheilt, hatte dem
Berg doch nachzugeben.
+) Unter den Clan der Gond (mit der königlichen Familie aus den Raj
Gonds von Chanda in 4 Clans) the worshippers of seven deities may intermarry
with those who worship five and four deities, but the worshippers of six,
five, four deities being regarded as one, may not intermarry (s. Sterring). Die
Clan der Naik oder Dhurwe Gonds wurden nach der Zahl der verehrten Götter
unterschieden (7, 6, 5, 4) und so bei Mexicaner (nach den Grabbeigaben).
Frau und Mann opfern getrennt (auf den Carolinen).
++) Nach Aristoteles beruhte das heroische Königthum auf dem Volkswillen,
wogegen ek de Dios basilees (bei Callimachus). Der Interrex berieth sich mit
dem Senat über den vom Volk zu erwählenden König (in Rom). Beim Losen
für die Beamten wurde (nach Plato) die Wahl der Gottheit überlassen. Pa-
tricii, quum sine curuli magistratu respublica esset, coire et interregem creavere

Die Erntegötter bleiben die wichtigsten, und die Angst des
Verhungerns macht fromm*), selbst wildeste Völker, die sonst ihre
Götter, wie die Naga u. a. m., bedrohen**) mögen, zu demüthigem
Betteln treibend oder Büssungen in allen Continenten. Wenn unter
den Preussen die Priester bei Missernten die Vermittlung Ausch-
weit’s anriefen, bekannte und beklagte das Volk reuig seine Sün-
den. Hier haben die meteorologischen Wechsel in den Jahreszeiten
die Möglichkeit eines Wechsels, also auch zum Guten, genugsam
bewiesen, während der Hinblick auf den unerbittlichen Tod, trotz
seiner Schrecken des Unbekannten, gleichgültiger lässt, da die
Deiwes Walditoyes genannten Göttinnen dem Menschen sein Todten-
hemd weben, im Gang des mechanischen Naturganzens fortwebend
zum Ende, und hier nur mit übernatürlicher***) Offenbarungskraft
eingegriffen werden könnte, wie um die Hand der Parzen abzu-
halten, den Lebensfaden zu durchschneiden.

In bestimmten Adelsfamilien erbt die Pflicht zur Opferstellung
beim Tode königlicher Familienglieder auf den Carolinen (wie bei
den Chibcha). Die Nachkommen der sieben Rishi zerfallen in ver-
schiedene Gotra (bei den Brahmanen) und das Heirathen geschieht
zwischen verschiedenen Gotra desselben Stammes†), weil sonst das
Pinda oder Ahnenopfer nicht gebracht werden kann. Nach Be-
seitigung des Königthums††), blieb dem Basileus die Priesterliche

*) Beim Opfermahl (am Erntefest des Swantowit) „galt es für fromm, die
Nüchternheit zu verletzen und für ein Unrecht sie zu bewahren“ (s. Schwenck),
und so überall unter Verknüpfung orgiastischer Ceremonien mit Geheimgebräuchen
der Ackerbaugötter.
**) Wie die Abor heilige Bäume abhauen, um die Rückgabe geraubter
Kleider zu erzwingen, so schälten die Preussen (s. Lasicz) von ihren heiligen
Bäumen die Rinde ab, um sich für den Tod von Gänsen und Hühnern zu rächen.
***) Heinrich VI. (von England) verlangte von den Priestern, die Brod
und Wein in Christi Leib und Blut zu verwandeln vermöchten, auch unedles
Metall in Gold zu verwandeln, während der Geldnoth, da dies ihnen doch noch
leichter sein müsse (J. R. Wagner). Am Himmel pflegen die Heiligen mehr zu
vermögen als auf der Erde. Der Prophet, der den Mond zertheilt, hatte dem
Berg doch nachzugeben.
†) Unter den Clan der Gond (mit der königlichen Familie aus den Raj
Gonds von Chanda in 4 Clans) the worshippers of seven deities may intermarry
with those who worship five and four deities, but the worshippers of six,
five, four deities being regarded as one, may not intermarry (s. Sterring). Die
Clan der Naik oder Dhurwe Gonds wurden nach der Zahl der verehrten Götter
unterschieden (7, 6, 5, 4) und so bei Mexicaner (nach den Grabbeigaben).
Frau und Mann opfern getrennt (auf den Carolinen).
††) Nach Aristoteles beruhte das heroische Königthum auf dem Volkswillen,
wogegen ἐκ δε Διός βασιλῆες (bei Callimachus). Der Interrex berieth sich mit
dem Senat über den vom Volk zu erwählenden König (in Rom). Beim Losen
für die Beamten wurde (nach Plato) die Wahl der Gottheit überlassen. Pa-
tricii, quum sine curuli magistratu respublica esset, coire et interregem creavere
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[152/0186] Die Erntegötter bleiben die wichtigsten, und die Angst des Verhungerns macht fromm *), selbst wildeste Völker, die sonst ihre Götter, wie die Naga u. a. m., bedrohen **) mögen, zu demüthigem Betteln treibend oder Büssungen in allen Continenten. Wenn unter den Preussen die Priester bei Missernten die Vermittlung Ausch- weit’s anriefen, bekannte und beklagte das Volk reuig seine Sün- den. Hier haben die meteorologischen Wechsel in den Jahreszeiten die Möglichkeit eines Wechsels, also auch zum Guten, genugsam bewiesen, während der Hinblick auf den unerbittlichen Tod, trotz seiner Schrecken des Unbekannten, gleichgültiger lässt, da die Deiwes Walditoyes genannten Göttinnen dem Menschen sein Todten- hemd weben, im Gang des mechanischen Naturganzens fortwebend zum Ende, und hier nur mit übernatürlicher ***) Offenbarungskraft eingegriffen werden könnte, wie um die Hand der Parzen abzu- halten, den Lebensfaden zu durchschneiden. In bestimmten Adelsfamilien erbt die Pflicht zur Opferstellung beim Tode königlicher Familienglieder auf den Carolinen (wie bei den Chibcha). Die Nachkommen der sieben Rishi zerfallen in ver- schiedene Gotra (bei den Brahmanen) und das Heirathen geschieht zwischen verschiedenen Gotra desselben Stammes †), weil sonst das Pinda oder Ahnenopfer nicht gebracht werden kann. Nach Be- seitigung des Königthums ††), blieb dem Basileus die Priesterliche *) Beim Opfermahl (am Erntefest des Swantowit) „galt es für fromm, die Nüchternheit zu verletzen und für ein Unrecht sie zu bewahren“ (s. Schwenck), und so überall unter Verknüpfung orgiastischer Ceremonien mit Geheimgebräuchen der Ackerbaugötter. **) Wie die Abor heilige Bäume abhauen, um die Rückgabe geraubter Kleider zu erzwingen, so schälten die Preussen (s. Lasicz) von ihren heiligen Bäumen die Rinde ab, um sich für den Tod von Gänsen und Hühnern zu rächen. ***) Heinrich VI. (von England) verlangte von den Priestern, die Brod und Wein in Christi Leib und Blut zu verwandeln vermöchten, auch unedles Metall in Gold zu verwandeln, während der Geldnoth, da dies ihnen doch noch leichter sein müsse (J. R. Wagner). Am Himmel pflegen die Heiligen mehr zu vermögen als auf der Erde. Der Prophet, der den Mond zertheilt, hatte dem Berg doch nachzugeben. †) Unter den Clan der Gond (mit der königlichen Familie aus den Raj Gonds von Chanda in 4 Clans) the worshippers of seven deities may intermarry with those who worship five and four deities, but the worshippers of six, five, four deities being regarded as one, may not intermarry (s. Sterring). Die Clan der Naik oder Dhurwe Gonds wurden nach der Zahl der verehrten Götter unterschieden (7, 6, 5, 4) und so bei Mexicaner (nach den Grabbeigaben). Frau und Mann opfern getrennt (auf den Carolinen). ††) Nach Aristoteles beruhte das heroische Königthum auf dem Volkswillen, wogegen ἐκ δε Διός βασιλῆες (bei Callimachus). Der Interrex berieth sich mit dem Senat über den vom Volk zu erwählenden König (in Rom). Beim Losen für die Beamten wurde (nach Plato) die Wahl der Gottheit überlassen. Pa- tricii, quum sine curuli magistratu respublica esset, coire et interregem creavere

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/186>, abgerufen am 28.11.2024.