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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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Lucerer unter Senat, comitia curiata und rex. In der claudischen
Gens (unter Appius Claudius aus Regili nach Rom gekommen)
war die Familie der Claudier patricisch, nicht jedoch die Familie
der Marcelli. Die Gens Cornelia begriff die Scipionen, die Lentulus,
die Cossus und die Sylla. Die Claudier, von den Sabinern zuziehend,
erhielten ihr Familiengrab auf dem Capitol. Der von Maroboduus
nach Rom gesandte Kopf des Varus wurde vom Kaiser in das Grab
der Gens beigesetzt. Zu Cicero's Zeit trat an Stelle des gemein-
samen Grabes der Gens das Familiengrab.

Die dem genos aufliegende Blutrache wurde (zu Orestes Zeit)
über die Phratrie erweitert (bei Aeschylus). Das durch Draco
auf die gens des Getödteten beschränkte Recht der Strafe wurde
von Solon auf die Bürger übertragen, um das allgemeine Interesse
zur Geltung zu bringen, und ebenso wurde die Freiheit des Indi-
viduum gefördert, indem Solon das Recht des Testaments verlieh,
während bis dahin Eigenthum in der Gens gemeinsam vererbt war.
In Rom hatte der pater*) familias das jus vitae necisque mit
dem Recht auf alles Eigenthum (und als libripens oder emptor
familiae übernahm der Erbe alle Rechte und Pflichten des Testator),
aber das Castrense peculium wurde später von der patria potestas
abgeschieden, und ähnlich gewährte das Recht des Krieges den
Plebejern Güter von den Eroberungen, obwohl ihnen der ager
romanus versagt war, ausserhalb welches Grenzen die Secession

animales (s. Servius). Auf ältester Darstellung der Trinität (in der Basilica
S. Felice zu Nola) fand sich Gott Vater zwischen dem Sohn als Lamm und
dem heiligen Geist, als Taube (400 p. d.). Das Kloster Schönthal wurde an
der Stelle gebaut, wo die Madonna auf einem von Löwen und Lamm gezogenen
Wagen zum Himmel fuhr (s. Schwab), während für Aphrodite Tauben angespannt
werden. Aus des heiligen Procopius' Scheiterhaufen flog eine Taube zum Himmel.
Der Ochs ist (nach Gaume) das Symbol "der himmlischen Ackersleute", der
(persische) Urstier (als Ackerbaustier auch in China geschätzt) trägt (Siwa's)
göttliches Zeichen (wie Apis auf der Stirn) und bei Demeter's Festen wurden
Stierkämpfe abgehalten. Taurii appellabantur ludi in honorem deorum inferorum
facti (equi circum metus currunt).
*) La divinite interieure (estia despoina oder Lar familiaris) est au-dessus
du pere lui-meme. The Roman family (s. Mackenzie) was a collection of in-
dividuals recognising the power of a single chief. Whoever was under this
power was within the family, and this applied to all persons brought under
power by adoption. Whoever was freed from this power by emancipation or
change of status, though he might be a child or descendant of the common
ancestor, ceased to belong to the family (in der Verwandtschaft als Agnaten unter
der väterlichen Gewalt). Bei den Griechen trat im Alter der Vater vor dem
Sohn zurück (wie Laertes vor Ulysses), aber in Rom galt die Patria potestas
unbedingt im Privatgesetz, obwohl vom jus publicum (zum Besten der Staats-
gewalt) abgeschnitten. The family (als "the type of an archaic society") is not
exactly the family as understood by a modern (s. Morgan), oder unter den
Naturvölkern.
10*

Lucerer unter Senat, comitia curiata und rex. In der claudischen
Gens (unter Appius Claudius aus Regili nach Rom gekommen)
war die Familie der Claudier patricisch, nicht jedoch die Familie
der Marcelli. Die Gens Cornelia begriff die Scipionen, die Lentulus,
die Cossus und die Sylla. Die Claudier, von den Sabinern zuziehend,
erhielten ihr Familiengrab auf dem Capitol. Der von Maroboduus
nach Rom gesandte Kopf des Varus wurde vom Kaiser in das Grab
der Gens beigesetzt. Zu Cicero’s Zeit trat an Stelle des gemein-
samen Grabes der Gens das Familiengrab.

Die dem γενος aufliegende Blutrache wurde (zu Orestes Zeit)
über die Phratrie erweitert (bei Aeschylus). Das durch Draco
auf die gens des Getödteten beschränkte Recht der Strafe wurde
von Solon auf die Bürger übertragen, um das allgemeine Interesse
zur Geltung zu bringen, und ebenso wurde die Freiheit des Indi-
viduum gefördert, indem Solon das Recht des Testaments verlieh,
während bis dahin Eigenthum in der Gens gemeinsam vererbt war.
In Rom hatte der pater*) familias das jus vitae necisque mit
dem Recht auf alles Eigenthum (und als libripens oder emptor
familiae übernahm der Erbe alle Rechte und Pflichten des Testator),
aber das Castrense peculium wurde später von der patria potestas
abgeschieden, und ähnlich gewährte das Recht des Krieges den
Plebejern Güter von den Eroberungen, obwohl ihnen der ager
romanus versagt war, ausserhalb welches Grenzen die Secession

animales (s. Servius). Auf ältester Darstellung der Trinität (in der Basilica
S. Felice zu Nola) fand sich Gott Vater zwischen dem Sohn als Lamm und
dem heiligen Geist, als Taube (400 p. d.). Das Kloster Schönthal wurde an
der Stelle gebaut, wo die Madonna auf einem von Löwen und Lamm gezogenen
Wagen zum Himmel fuhr (s. Schwab), während für Aphrodite Tauben angespannt
werden. Aus des heiligen Procopius’ Scheiterhaufen flog eine Taube zum Himmel.
Der Ochs ist (nach Gaume) das Symbol „der himmlischen Ackersleute“, der
(persische) Urstier (als Ackerbaustier auch in China geschätzt) trägt (Siwa’s)
göttliches Zeichen (wie Apis auf der Stirn) und bei Demeter’s Festen wurden
Stierkämpfe abgehalten. Taurii appellabantur ludi in honorem deorum inferorum
facti (equi circum metus currunt).
*) La divinité intérieure (ἑστία δέσποινα oder Lar familiaris) est au-dessus
du père lui-même. The Roman family (s. Mackenzie) was a collection of in-
dividuals recognising the power of a single chief. Whoever was under this
power was within the family, and this applied to all persons brought under
power by adoption. Whoever was freed from this power by emancipation or
change of status, though he might be a child or descendant of the common
ancestor, ceased to belong to the family (in der Verwandtschaft als Agnaten unter
der väterlichen Gewalt). Bei den Griechen trat im Alter der Vater vor dem
Sohn zurück (wie Laertes vor Ulysses), aber in Rom galt die Patria potestas
unbedingt im Privatgesetz, obwohl vom jus publicum (zum Besten der Staats-
gewalt) abgeschnitten. The family (als „the type of an archaic society“) is not
exactly the family as understood by a modern (s. Morgan), oder unter den
Naturvölkern.
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[147/0181] Lucerer unter Senat, comitia curiata und rex. In der claudischen Gens (unter Appius Claudius aus Regili nach Rom gekommen) war die Familie der Claudier patricisch, nicht jedoch die Familie der Marcelli. Die Gens Cornelia begriff die Scipionen, die Lentulus, die Cossus und die Sylla. Die Claudier, von den Sabinern zuziehend, erhielten ihr Familiengrab auf dem Capitol. Der von Maroboduus nach Rom gesandte Kopf des Varus wurde vom Kaiser in das Grab der Gens beigesetzt. Zu Cicero’s Zeit trat an Stelle des gemein- samen Grabes der Gens das Familiengrab. Die dem γενος aufliegende Blutrache wurde (zu Orestes Zeit) über die Phratrie erweitert (bei Aeschylus). Das durch Draco auf die gens des Getödteten beschränkte Recht der Strafe wurde von Solon auf die Bürger übertragen, um das allgemeine Interesse zur Geltung zu bringen, und ebenso wurde die Freiheit des Indi- viduum gefördert, indem Solon das Recht des Testaments verlieh, während bis dahin Eigenthum in der Gens gemeinsam vererbt war. In Rom hatte der pater *) familias das jus vitae necisque mit dem Recht auf alles Eigenthum (und als libripens oder emptor familiae übernahm der Erbe alle Rechte und Pflichten des Testator), aber das Castrense peculium wurde später von der patria potestas abgeschieden, und ähnlich gewährte das Recht des Krieges den Plebejern Güter von den Eroberungen, obwohl ihnen der ager romanus versagt war, ausserhalb welches Grenzen die Secession *) *) La divinité intérieure (ἑστία δέσποινα oder Lar familiaris) est au-dessus du père lui-même. The Roman family (s. Mackenzie) was a collection of in- dividuals recognising the power of a single chief. Whoever was under this power was within the family, and this applied to all persons brought under power by adoption. Whoever was freed from this power by emancipation or change of status, though he might be a child or descendant of the common ancestor, ceased to belong to the family (in der Verwandtschaft als Agnaten unter der väterlichen Gewalt). Bei den Griechen trat im Alter der Vater vor dem Sohn zurück (wie Laertes vor Ulysses), aber in Rom galt die Patria potestas unbedingt im Privatgesetz, obwohl vom jus publicum (zum Besten der Staats- gewalt) abgeschnitten. The family (als „the type of an archaic society“) is not exactly the family as understood by a modern (s. Morgan), oder unter den Naturvölkern. *) animales (s. Servius). Auf ältester Darstellung der Trinität (in der Basilica S. Felice zu Nola) fand sich Gott Vater zwischen dem Sohn als Lamm und dem heiligen Geist, als Taube (400 p. d.). Das Kloster Schönthal wurde an der Stelle gebaut, wo die Madonna auf einem von Löwen und Lamm gezogenen Wagen zum Himmel fuhr (s. Schwab), während für Aphrodite Tauben angespannt werden. Aus des heiligen Procopius’ Scheiterhaufen flog eine Taube zum Himmel. Der Ochs ist (nach Gaume) das Symbol „der himmlischen Ackersleute“, der (persische) Urstier (als Ackerbaustier auch in China geschätzt) trägt (Siwa’s) göttliches Zeichen (wie Apis auf der Stirn) und bei Demeter’s Festen wurden Stierkämpfe abgehalten. Taurii appellabantur ludi in honorem deorum inferorum facti (equi circum metus currunt). 10*

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/181>, abgerufen am 22.11.2024.