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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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setzungen ihrer Zufriedenheit zu erstehen. Die unsrigen
dagegen kennen wir im Selbstbewusstsein genugsam, um zu
wissen, dass in Wechselwirkung des Geistigen mit heller Strah-
lendem (im potenzirten Gedankenaustausch der Verdichtung,
wie nach den Eigenthümlichkeiten der Menschenexistenz im
Gesellschaftsleben*) anstrebbar), höherer und höchster Genuss

*) Ueberall tritt uns der Mensch in der Gesellschaft entgegen, im
Grossen und im Kleinen, und so auch in den Vereinen der Gesellschaften,
deren einer an ihrem 50jährigen Stiftungsfeste die folgende Ansprache
gewidmet war: "Jenes älteste unter den Culturvölkern der Erde, das der
Piramiden-Erbauer an den Gestaden des Nil, das unter den zu Denkmalen
aufgerichteten Mausoleen seiner Todten wohnte, hatte aus väterlicher
Tradition einen altgeheiligten Brauch überkommen, um in der Fülle des
Lebens das Bild irdischer Hinfälligkeit zurückzurufen. Bei der Vereinigung
zu festlichen Gelagen, kreiste ein Skelett von Hand zu Hand, unter dem
Jubel froher Gesänge klapperte das dürre Todtengebein, aus dem Geflitter
buntfarbigen Schmuckes grinzte ein nackter Todtenschädel hervor. --
Eines solch künstlichen Memento mori bedürfen nicht wir an dem heutigen
Tage, wo derartige Mahnung fühlbar und greifbar in uns lebt, wo sie, in
der Veranlassung zu diesem Feste selbst, sichtbar vor Augen steht, wo
sie mit jedem Gedanken der Erinnerung an das Ohr schlägt, laut und
gebietend. -- Eine Gesellschaft stehen wir da, aus fünfzigjährigem Bestande,
aufgewachsen auf dem Schutt untergegangener Generationen, die uns er-
nährt und gepflegt haben, zurückschauend auf eine lange Reihe von Gräbern,
von Schädeln, von Todten. Aber diese Todten, sie sind nicht gestorben,
diese vermodernden Schädel, sie zeitigten die Gedanken, die in uns wirken
und wallen, diese Gräber, sie glänzen im Ruhmesschmuck Alles dessen,
was eine dankbare Mitwelt und Nachwelt, des Herrlichsten und Schönsten
an Ehrengaben zu verleihen vermag. -- Die Gesellschaft überdauert das
Vergängliche, dem der Einzelse verfällt, der Einzelne kommt und geht,
er entsteht, er lebt, er vergeht. Er würde vergehen ohne die Gesellschaft,
ohne jene einigende Geistergemeinschaft, die mit den wogenden Gedanken
der Vergangenheit geschwellt, im Strom der Geschichte dahinbraust und
schäumend im Gischt die Schranken umbrandet, die es noch fortzuräumen
gilt, um dem Fortschritt des Wissens freie Bahn zu schaffen. -- Was die
Geschichte im Grossen und Ganzen, die Geschichte jeder Gesellschaft
spiegelt es im Kleinen. Während der Einzelne altert, und nach flüchtiger
Spur dahinsinkt, treibt die Gesellschaft ein stets verjüngender Schoss,
jünger je älter sie wird, und stets erneut, im Zutritt jugendlich frischer
Kräfte, in denen die Vergangenheit fortlebt. Zeugend und schaffend

setzungen ihrer Zufriedenheit zu erstehen. Die unsrigen
dagegen kennen wir im Selbstbewusstsein genugsam, um zu
wissen, dass in Wechselwirkung des Geistigen mit heller Strah-
lendem (im potenzirten Gedankenaustausch der Verdichtung,
wie nach den Eigenthümlichkeiten der Menschenexistenz im
Gesellschaftsleben*) anstrebbar), höherer und höchster Genuss

*) Ueberall tritt uns der Mensch in der Gesellschaft entgegen, im
Grossen und im Kleinen, und so auch in den Vereinen der Gesellschaften,
deren einer an ihrem 50jährigen Stiftungsfeste die folgende Ansprache
gewidmet war: „Jenes älteste unter den Culturvölkern der Erde, das der
Piramiden-Erbauer an den Gestaden des Nil, das unter den zu Denkmalen
aufgerichteten Mausoleen seiner Todten wohnte, hatte aus väterlicher
Tradition einen altgeheiligten Brauch überkommen, um in der Fülle des
Lebens das Bild irdischer Hinfälligkeit zurückzurufen. Bei der Vereinigung
zu festlichen Gelagen, kreiste ein Skelett von Hand zu Hand, unter dem
Jubel froher Gesänge klapperte das dürre Todtengebein, aus dem Geflitter
buntfarbigen Schmuckes grinzte ein nackter Todtenschädel hervor. —
Eines solch künstlichen Memento mori bedürfen nicht wir an dem heutigen
Tage, wo derartige Mahnung fühlbar und greifbar in uns lebt, wo sie, in
der Veranlassung zu diesem Feste selbst, sichtbar vor Augen steht, wo
sie mit jedem Gedanken der Erinnerung an das Ohr schlägt, laut und
gebietend. — Eine Gesellschaft stehen wir da, aus fünfzigjährigem Bestande,
aufgewachsen auf dem Schutt untergegangener Generationen, die uns er-
nährt und gepflegt haben, zurückschauend auf eine lange Reihe von Gräbern,
von Schädeln, von Todten. Aber diese Todten, sie sind nicht gestorben,
diese vermodernden Schädel, sie zeitigten die Gedanken, die in uns wirken
und wallen, diese Gräber, sie glänzen im Ruhmesschmuck Alles dessen,
was eine dankbare Mitwelt und Nachwelt, des Herrlichsten und Schönsten
an Ehrengaben zu verleihen vermag. — Die Gesellschaft überdauert das
Vergängliche, dem der Einzelse verfällt, der Einzelne kommt und geht,
er entsteht, er lebt, er vergeht. Er würde vergehen ohne die Gesellschaft,
ohne jene einigende Geistergemeinschaft, die mit den wogenden Gedanken
der Vergangenheit geschwellt, im Strom der Geschichte dahinbraust und
schäumend im Gischt die Schranken umbrandet, die es noch fortzuräumen
gilt, um dem Fortschritt des Wissens freie Bahn zu schaffen. — Was die
Geschichte im Grossen und Ganzen, die Geschichte jeder Gesellschaft
spiegelt es im Kleinen. Während der Einzelne altert, und nach flüchtiger
Spur dahinsinkt, treibt die Gesellschaft ein stets verjüngender Schoss,
jünger je älter sie wird, und stets erneut, im Zutritt jugendlich frischer
Kräfte, in denen die Vergangenheit fortlebt. Zeugend und schaffend
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[135/0169] setzungen ihrer Zufriedenheit zu erstehen. Die unsrigen dagegen kennen wir im Selbstbewusstsein genugsam, um zu wissen, dass in Wechselwirkung des Geistigen mit heller Strah- lendem (im potenzirten Gedankenaustausch der Verdichtung, wie nach den Eigenthümlichkeiten der Menschenexistenz im Gesellschaftsleben *) anstrebbar), höherer und höchster Genuss *) Ueberall tritt uns der Mensch in der Gesellschaft entgegen, im Grossen und im Kleinen, und so auch in den Vereinen der Gesellschaften, deren einer an ihrem 50jährigen Stiftungsfeste die folgende Ansprache gewidmet war: „Jenes älteste unter den Culturvölkern der Erde, das der Piramiden-Erbauer an den Gestaden des Nil, das unter den zu Denkmalen aufgerichteten Mausoleen seiner Todten wohnte, hatte aus väterlicher Tradition einen altgeheiligten Brauch überkommen, um in der Fülle des Lebens das Bild irdischer Hinfälligkeit zurückzurufen. Bei der Vereinigung zu festlichen Gelagen, kreiste ein Skelett von Hand zu Hand, unter dem Jubel froher Gesänge klapperte das dürre Todtengebein, aus dem Geflitter buntfarbigen Schmuckes grinzte ein nackter Todtenschädel hervor. — Eines solch künstlichen Memento mori bedürfen nicht wir an dem heutigen Tage, wo derartige Mahnung fühlbar und greifbar in uns lebt, wo sie, in der Veranlassung zu diesem Feste selbst, sichtbar vor Augen steht, wo sie mit jedem Gedanken der Erinnerung an das Ohr schlägt, laut und gebietend. — Eine Gesellschaft stehen wir da, aus fünfzigjährigem Bestande, aufgewachsen auf dem Schutt untergegangener Generationen, die uns er- nährt und gepflegt haben, zurückschauend auf eine lange Reihe von Gräbern, von Schädeln, von Todten. Aber diese Todten, sie sind nicht gestorben, diese vermodernden Schädel, sie zeitigten die Gedanken, die in uns wirken und wallen, diese Gräber, sie glänzen im Ruhmesschmuck Alles dessen, was eine dankbare Mitwelt und Nachwelt, des Herrlichsten und Schönsten an Ehrengaben zu verleihen vermag. — Die Gesellschaft überdauert das Vergängliche, dem der Einzelse verfällt, der Einzelne kommt und geht, er entsteht, er lebt, er vergeht. Er würde vergehen ohne die Gesellschaft, ohne jene einigende Geistergemeinschaft, die mit den wogenden Gedanken der Vergangenheit geschwellt, im Strom der Geschichte dahinbraust und schäumend im Gischt die Schranken umbrandet, die es noch fortzuräumen gilt, um dem Fortschritt des Wissens freie Bahn zu schaffen. — Was die Geschichte im Grossen und Ganzen, die Geschichte jeder Gesellschaft spiegelt es im Kleinen. Während der Einzelne altert, und nach flüchtiger Spur dahinsinkt, treibt die Gesellschaft ein stets verjüngender Schoss, jünger je älter sie wird, und stets erneut, im Zutritt jugendlich frischer Kräfte, in denen die Vergangenheit fortlebt. Zeugend und schaffend

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/169>, abgerufen am 22.11.2024.