Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

hohen Rang gestellt sein, den sie in Tonga einnimmt, sowie
in Hawaii, wo der Mann, dem sie sich als ihren Schützer
angeschlossen hat, ihren Kochofen besorgt, und den Poey-
Teig, während in Neuseeland bereits, wo kriegerische
Aspecten dem Manne ernstere Pflichten auferlegen, als mit
der Frau zu tändeln, diese eine, verhältnissmässig wenigstens,
herabgedrückte Stellung zeigt.

Der Fischfang, wenn nicht auf stürmischer See hinaus
führend, wird die Frau in Gleichstellung mit dem Mann
beschäftigen, und ihr jenes unabhängige Auftreten gewähren,
wie es die Fischermädchen in brahmanischen Legenden
zeigen.

Für den Ackerbau kommt die Arbeit der Frau zu
Hülfe und unter den amerikanischen Wanderstämmen, soweit
er dort zulässig ist, gehört er ihr allein, da in der Ver-
theilung der Nahrungsbeschaffung, ihr die vegetabilische
zufällt, wie die animalische dem Manne.

Der Neger kauft sich zum Anbau seines Ackerfeldes
eine Frau, statt einen Sklaven (oder Sklavin), und der Kru
vermehrt*) so, mit dem auf jeder Reise erworbenen Gewinn,
bei der Rückkehr sein Harem, hier nicht ein dolce farniente
mit sich bringend, wie beim Orientalen, der, wenn reich
genug, unter seinen übrigen Luxus-Artikeln auch seine Frauen
vermehrt in der Polygamie, (mit sanitären**) Gesichtspunkten
in beiden Fällen in Betreff der Säugezeit, des Beischlafs u. s. w.).

*) Manche der Agri unter den Kunbi (bei Bombay) "have 2 or 3
wives apiece, whom they marry chiefly for the help they render in culti-
vating the land (s. Sherring). Bei den Chunchus ist zweifache Ehe Vor-
recht des Häuptlings (als Privileg seines Ranges). Bei den Germanen war
die Ehe monogamisch, indem mehrere Frauen nur des Ranges wegen sich
fanden (nach Tacitus).
**) After childbirth, husband and wife keep apart for three, even four
years, so that no other baby may interfere with the time considered ne-
cessary for suckling children, in order to make them healthy and strong
(in Fiji), und daher Polygamie (s. Seemann). In Afrika gilt gleiche Ent-
haltung (auch bei der Menstruation). In Banta sagen sie, "es müsse

hohen Rang gestellt sein, den sie in Tonga einnimmt, sowie
in Hawaii, wo der Mann, dem sie sich als ihren Schützer
angeschlossen hat, ihren Kochofen besorgt, und den Poey-
Teig, während in Neuseeland bereits, wo kriegerische
Aspecten dem Manne ernstere Pflichten auferlegen, als mit
der Frau zu tändeln, diese eine, verhältnissmässig wenigstens,
herabgedrückte Stellung zeigt.

Der Fischfang, wenn nicht auf stürmischer See hinaus
führend, wird die Frau in Gleichstellung mit dem Mann
beschäftigen, und ihr jenes unabhängige Auftreten gewähren,
wie es die Fischermädchen in brahmanischen Legenden
zeigen.

Für den Ackerbau kommt die Arbeit der Frau zu
Hülfe und unter den amerikanischen Wanderstämmen, soweit
er dort zulässig ist, gehört er ihr allein, da in der Ver-
theilung der Nahrungsbeschaffung, ihr die vegetabilische
zufällt, wie die animalische dem Manne.

Der Neger kauft sich zum Anbau seines Ackerfeldes
eine Frau, statt einen Sklaven (oder Sklavin), und der Kru
vermehrt*) so, mit dem auf jeder Reise erworbenen Gewinn,
bei der Rückkehr sein Harem, hier nicht ein dolce farniente
mit sich bringend, wie beim Orientalen, der, wenn reich
genug, unter seinen übrigen Luxus-Artikeln auch seine Frauen
vermehrt in der Polygamie, (mit sanitären**) Gesichtspunkten
in beiden Fällen in Betreff der Säugezeit, des Beischlafs u. s. w.).

*) Manche der Agri unter den Kunbi (bei Bombay) „have 2 or 3
wives apiece, whom they marry chiefly for the help they render in culti-
vating the land (s. Sherring). Bei den Chunchus ist zweifache Ehe Vor-
recht des Häuptlings (als Privileg seines Ranges). Bei den Germanen war
die Ehe monogamisch, indem mehrere Frauen nur des Ranges wegen sich
fanden (nach Tacitus).
**) After childbirth, husband and wife keep apart for three, even four
years, so that no other baby may interfere with the time considered ne-
cessary for suckling children, in order to make them healthy and strong
(in Fiji), und daher Polygamie (s. Seemann). In Afrika gilt gleiche Ent-
haltung (auch bei der Menstruation). In Banta sagen sie, „es müsse
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="93"/>
hohen Rang gestellt sein, den sie in Tonga einnimmt, sowie<lb/>
in Hawaii, wo der Mann, dem sie sich als ihren Schützer<lb/>
angeschlossen hat, ihren Kochofen besorgt, und den Poey-<lb/>
Teig, während in Neuseeland bereits, wo kriegerische<lb/>
Aspecten dem Manne ernstere Pflichten auferlegen, als mit<lb/>
der Frau zu tändeln, diese eine, verhältnissmässig wenigstens,<lb/>
herabgedrückte Stellung zeigt.</p><lb/>
        <p>Der Fischfang, wenn nicht auf stürmischer See hinaus<lb/>
führend, wird die Frau in Gleichstellung mit dem Mann<lb/>
beschäftigen, und ihr jenes unabhängige Auftreten gewähren,<lb/>
wie es die Fischermädchen in brahmanischen Legenden<lb/>
zeigen.</p><lb/>
        <p>Für den Ackerbau kommt die Arbeit der Frau zu<lb/>
Hülfe und unter den amerikanischen Wanderstämmen, soweit<lb/>
er dort zulässig ist, gehört er ihr allein, da in der Ver-<lb/>
theilung der Nahrungsbeschaffung, ihr die vegetabilische<lb/>
zufällt, wie die animalische dem Manne.</p><lb/>
        <p>Der Neger kauft sich zum Anbau seines Ackerfeldes<lb/>
eine Frau, statt einen Sklaven (oder Sklavin), und der Kru<lb/>
vermehrt<note place="foot" n="*)">Manche der Agri unter den Kunbi (bei Bombay) &#x201E;have 2 or 3<lb/>
wives apiece, whom they marry chiefly for the help they render in culti-<lb/>
vating the land (s. Sherring). Bei den Chunchus ist zweifache Ehe Vor-<lb/>
recht des Häuptlings (als Privileg seines Ranges). Bei den Germanen war<lb/>
die Ehe monogamisch, indem mehrere Frauen nur des Ranges wegen sich<lb/>
fanden (nach Tacitus).</note> so, mit dem auf jeder Reise erworbenen Gewinn,<lb/>
bei der Rückkehr sein Harem, hier nicht ein dolce farniente<lb/>
mit sich bringend, wie beim Orientalen, der, wenn reich<lb/>
genug, unter seinen übrigen Luxus-Artikeln auch seine Frauen<lb/>
vermehrt in der Polygamie, (mit sanitären<note xml:id="seg2pn_18_1" next="#seg2pn_18_2" place="foot" n="**)">After childbirth, husband and wife keep apart for three, even four<lb/>
years, so that no other baby may interfere with the time considered ne-<lb/>
cessary for suckling children, in order to make them healthy and strong<lb/>
(in Fiji), und daher Polygamie (s. Seemann). In Afrika gilt gleiche Ent-<lb/>
haltung (auch bei der Menstruation). In Banta sagen sie, &#x201E;es müsse</note> Gesichtspunkten<lb/>
in beiden Fällen in Betreff der Säugezeit, des Beischlafs u. s. w.).</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0127] hohen Rang gestellt sein, den sie in Tonga einnimmt, sowie in Hawaii, wo der Mann, dem sie sich als ihren Schützer angeschlossen hat, ihren Kochofen besorgt, und den Poey- Teig, während in Neuseeland bereits, wo kriegerische Aspecten dem Manne ernstere Pflichten auferlegen, als mit der Frau zu tändeln, diese eine, verhältnissmässig wenigstens, herabgedrückte Stellung zeigt. Der Fischfang, wenn nicht auf stürmischer See hinaus führend, wird die Frau in Gleichstellung mit dem Mann beschäftigen, und ihr jenes unabhängige Auftreten gewähren, wie es die Fischermädchen in brahmanischen Legenden zeigen. Für den Ackerbau kommt die Arbeit der Frau zu Hülfe und unter den amerikanischen Wanderstämmen, soweit er dort zulässig ist, gehört er ihr allein, da in der Ver- theilung der Nahrungsbeschaffung, ihr die vegetabilische zufällt, wie die animalische dem Manne. Der Neger kauft sich zum Anbau seines Ackerfeldes eine Frau, statt einen Sklaven (oder Sklavin), und der Kru vermehrt *) so, mit dem auf jeder Reise erworbenen Gewinn, bei der Rückkehr sein Harem, hier nicht ein dolce farniente mit sich bringend, wie beim Orientalen, der, wenn reich genug, unter seinen übrigen Luxus-Artikeln auch seine Frauen vermehrt in der Polygamie, (mit sanitären **) Gesichtspunkten in beiden Fällen in Betreff der Säugezeit, des Beischlafs u. s. w.). *) Manche der Agri unter den Kunbi (bei Bombay) „have 2 or 3 wives apiece, whom they marry chiefly for the help they render in culti- vating the land (s. Sherring). Bei den Chunchus ist zweifache Ehe Vor- recht des Häuptlings (als Privileg seines Ranges). Bei den Germanen war die Ehe monogamisch, indem mehrere Frauen nur des Ranges wegen sich fanden (nach Tacitus). **) After childbirth, husband and wife keep apart for three, even four years, so that no other baby may interfere with the time considered ne- cessary for suckling children, in order to make them healthy and strong (in Fiji), und daher Polygamie (s. Seemann). In Afrika gilt gleiche Ent- haltung (auch bei der Menstruation). In Banta sagen sie, „es müsse

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/127
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/127>, abgerufen am 24.11.2024.