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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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der Sammelobjecte jede Minute kostbar war, wogegen, wenn
es nach solchem Verschwinden nichts mehr zu sammeln
giebt, in der dann herangebildeten Schule von Fachmännern,
nicht nur die Musse geboten sein wird, das aus dem frühern
Untergange Gerettete (und dadurch wenigstens Vorhan-
dene) systematisch durchzuarbeiten, sondern zugleich auch
das überlieferte Material (unter der mit der allgemeinen Um-
schau gewonnenen Berechtigung zur Kritik der Einzelheiten)
ferner zu sichten oder (wo erforderlich) zu purificiren.

Die Hauptgesichtspunkte der jetzigen Studien liegen also
in zweierlei: Einmal in derjenigen vollständigen Beschaffung
des Materiales, wie für eine Gedankenstatistik erforderlich
und deren Ansprüche genügend, in allseitiger Vergleichung*)
(nach den Bedürfnissen der comparativen Wissenschaften).
Erst wenn solcher Grenze angenähert, können die geistigen
Rechnungsoperationen mit einiger Aussicht auf verhältniss-
mässig richtige Resultate gewagt werden, während so lange
es sich um Pionirung kaum eines für seine letzte Ausdehnung
und seine allseitige Gestaltung, noch unbekannten Gebiets
handelt, nur hie und da an charakteristischen Kreuzungs-
punkten, erste Landmarken zur Orientirung aufgesteckt werden
können, um kritische Phasen der Entwicklung zu markiren.
Und dieses führt auf's Zweite, auf solche Entwicklung, auf
das Organische im Menschheitsgedanken, der einheitlich
auf unserm Globus emporwächst, und damit: auf das gene-
tische Prinzip.

Indem wir in den Schöpfungen der Völkergedanken, im
Einzelnen sowohl, wie in der Totalität, einen Organismus**)

*) Wenn man sagt, dass der Geist der Wissenschaft in unserm Jahr-
hundert ein vergleichender sei, so heisst das eben, dass unsere Forschungen
auf so weiten Grundlagen und Thatsachen begründet sind, als wir eben
erreichen können, dass sie auf den umfassendsten Inductionen beruhen, die der
menschliche Geist fassen kann (M. Müller), als Basis den Planet umspannend.
**) Wie jeder Theil in der Natur ein Organismus, so ist auch die
Natur als Ganzes ein solcher Organismus, und wie dieses, so auch die

der Sammelobjecte jede Minute kostbar war, wogegen, wenn
es nach solchem Verschwinden nichts mehr zu sammeln
giebt, in der dann herangebildeten Schule von Fachmännern,
nicht nur die Musse geboten sein wird, das aus dem frühern
Untergange Gerettete (und dadurch wenigstens Vorhan-
dene) systematisch durchzuarbeiten, sondern zugleich auch
das überlieferte Material (unter der mit der allgemeinen Um-
schau gewonnenen Berechtigung zur Kritik der Einzelheiten)
ferner zu sichten oder (wo erforderlich) zu purificiren.

Die Hauptgesichtspunkte der jetzigen Studien liegen also
in zweierlei: Einmal in derjenigen vollständigen Beschaffung
des Materiales, wie für eine Gedankenstatistik erforderlich
und deren Ansprüche genügend, in allseitiger Vergleichung*)
(nach den Bedürfnissen der comparativen Wissenschaften).
Erst wenn solcher Grenze angenähert, können die geistigen
Rechnungsoperationen mit einiger Aussicht auf verhältniss-
mässig richtige Resultate gewagt werden, während so lange
es sich um Pionirung kaum eines für seine letzte Ausdehnung
und seine allseitige Gestaltung, noch unbekannten Gebiets
handelt, nur hie und da an charakteristischen Kreuzungs-
punkten, erste Landmarken zur Orientirung aufgesteckt werden
können, um kritische Phasen der Entwicklung zu markiren.
Und dieses führt auf’s Zweite, auf solche Entwicklung, auf
das Organische im Menschheitsgedanken, der einheitlich
auf unserm Globus emporwächst, und damit: auf das gene-
tische Prinzip.

Indem wir in den Schöpfungen der Völkergedanken, im
Einzelnen sowohl, wie in der Totalität, einen Organismus**)

*) Wenn man sagt, dass der Geist der Wissenschaft in unserm Jahr-
hundert ein vergleichender sei, so heisst das eben, dass unsere Forschungen
auf so weiten Grundlagen und Thatsachen begründet sind, als wir eben
erreichen können, dass sie auf den umfassendsten Inductionen beruhen, die der
menschliche Geist fassen kann (M. Müller), als Basis den Planet umspannend.
**) Wie jeder Theil in der Natur ein Organismus, so ist auch die
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[84/0118] der Sammelobjecte jede Minute kostbar war, wogegen, wenn es nach solchem Verschwinden nichts mehr zu sammeln giebt, in der dann herangebildeten Schule von Fachmännern, nicht nur die Musse geboten sein wird, das aus dem frühern Untergange Gerettete (und dadurch wenigstens Vorhan- dene) systematisch durchzuarbeiten, sondern zugleich auch das überlieferte Material (unter der mit der allgemeinen Um- schau gewonnenen Berechtigung zur Kritik der Einzelheiten) ferner zu sichten oder (wo erforderlich) zu purificiren. Die Hauptgesichtspunkte der jetzigen Studien liegen also in zweierlei: Einmal in derjenigen vollständigen Beschaffung des Materiales, wie für eine Gedankenstatistik erforderlich und deren Ansprüche genügend, in allseitiger Vergleichung *) (nach den Bedürfnissen der comparativen Wissenschaften). Erst wenn solcher Grenze angenähert, können die geistigen Rechnungsoperationen mit einiger Aussicht auf verhältniss- mässig richtige Resultate gewagt werden, während so lange es sich um Pionirung kaum eines für seine letzte Ausdehnung und seine allseitige Gestaltung, noch unbekannten Gebiets handelt, nur hie und da an charakteristischen Kreuzungs- punkten, erste Landmarken zur Orientirung aufgesteckt werden können, um kritische Phasen der Entwicklung zu markiren. Und dieses führt auf’s Zweite, auf solche Entwicklung, auf das Organische im Menschheitsgedanken, der einheitlich auf unserm Globus emporwächst, und damit: auf das gene- tische Prinzip. Indem wir in den Schöpfungen der Völkergedanken, im Einzelnen sowohl, wie in der Totalität, einen Organismus **) *) Wenn man sagt, dass der Geist der Wissenschaft in unserm Jahr- hundert ein vergleichender sei, so heisst das eben, dass unsere Forschungen auf so weiten Grundlagen und Thatsachen begründet sind, als wir eben erreichen können, dass sie auf den umfassendsten Inductionen beruhen, die der menschliche Geist fassen kann (M. Müller), als Basis den Planet umspannend. **) Wie jeder Theil in der Natur ein Organismus, so ist auch die Natur als Ganzes ein solcher Organismus, und wie dieses, so auch die

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/118>, abgerufen am 24.11.2024.